Schweizer Künstler schauen nach vorn Nina Burri: «Zum Glück herrscht Aufbruchstimmung»

Von Bruno Bötschi

26.2.2022

Stress: «Liebe Schweizer, kommt bitte wieder an unsere Konzerte»

Stress: «Liebe Schweizer, kommt bitte wieder an unsere Konzerte»

Corona hat die Kulturbranche hart getroffen. Hat die Pandemie eine Ära beendet? Oder werden die Menschen den Abstand wieder los, die Theater und Clubs bald wieder voll? Eine Umfrage unter Kulturschaffenden.

23.02.2022

Corona hat die Kulturbranche hart getroffen. Hat die Pandemie eine Ära beendet? Oder werden die Menschen den Abstand wieder los, die Theater und Clubs bald wieder voll? Eine Umfrage unter Kulturschaffenden.

Von Bruno Bötschi

26.2.2022

Einiges deutet auf ein Ende der Corona-Pandemie hin. Noch sind Fragen offen und trotzdem ist Hoffnung spürbar. Manch eine*r fragt sich:

Was lernen wir aus der Pandemie? Und wie geht es mit der Kultur in der Schweiz weiter, nach zwei Jahren voller Verschiebungen und Absagen?

Das Ende der Pandemie löst nicht alle Probleme der Kulturbranche, aber manch eine*r will an das Gute glauben. Sven Väth, einer der Väter der Technoszene, glaubt, dass die Normalität rasch zurückkommen wird.

«Das geht schneller, als man denkt. Ich habe in Brooklyn in einem Warehouse gespielt, vergangenen Sommer, am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag. So was habe ich selten gesehen», gab sich der DJ vergangene Woche im «Spiegel» durchaus hoffnungsfroh. «Das war, als wenn New York aufwacht. Die Leute werden wieder ausgehen. Auch bei uns.»

Und wie sehen die Schweizer Kulturschaffenden die Zukunft? Wir haben sie gefragt: 

Wie geht es weiter nach der Pandemie? Worauf freust du dich?


«Ich freue mich darauf, wieder mit unserem Publikum zu lachen»

Sybil Schreiber, Autorin und Kolumnistin

«Ich freue mich darauf, dass Corona nicht mehr die Schlagzeilen bestimmt. Wie wär's, wenn die Medien eine Woche lang auf den Titelseiten nur inspirierende Kulturnews, überbordende Menschenfreude und überraschende Glücksnachrichten bringen würden? Sozusagen als mediale Entgiftungskur.

Ich freue mich darauf, wieder viel häufiger mit unserem Publikum zu lachen.

Ich freue mich darauf, weiterhin keine Hallo-Küsschen zu geben und keine Hände zu schütteln.

Ich wünsche mir, dass die Krise uns ein kleines bisschen demütiger gemacht hat. Aber ganz ehrlich, ich glaube, das bleibt ein Traum. Ich werde mein Zertifikat ansehen und denken: Danke an alle, die mitgeholfen haben, dass die Lage nicht noch viel schlimmer geworden ist.»


«Diese Neujunkies müssen wir zurückholen»

Renato Kaiser, Satiriker und Komiker

Aissa Tripodi

«Ich freue mich auf ‹normales› Auftreten. Nichts ersetzt den Livemoment. Aber das Virus ist nicht weg. So wenig, wie Applaus die Spitäler entlastet hat, wird es das Virus vertreiben, wenn wir ‹Freedom Day› aus dem Fenster brüllen.

Wir müssen schauen, dass wir durch den abrupten Massnahmenstopp nicht Risikogruppen vom kulturellen Leben ausschliessen. Das Publikum wird eh die grosse Herausforderung.

Ich glaube nicht, dass die Leute mehr auf Netflix sind. Ich glaube, dass mehr Leute auf Netflix sind. Solche, die vorher noch nicht dort waren. Diese Neujunkies müssen wir jetzt wieder zurückholen.»


«Zum Glück herrscht Aufbruchstimmung»

Nina Burri, Schlangenfrau

«Bislang war es immer so, dass die Buchungen oder Absagen mit dem Wort und den Beschlüssen des Bundesrats 1:1 einhergingen. Man konnte schon fast auf die E-Mails wetten, die jeweils eingingen, je nachdem, ob die News gut oder schlecht waren.

So gesehen war dies die einzige Sicherheit, die man in der Krise tatsächlich hatte. Verträge abzuschliessen schien beinahe komplett überflüssig, weil es, wie erwähnt, sowieso keine Sicherheit gab. Jeder Kunde konnte eine Absage, auch wenn sie nur angstbedingt war, immer auf die Corona-Massnahmen schieben.

Darum hoffe ich sehr, und die Zeichen stehen gut, dass nicht nur die Kunden jetzt viel Mut zur Planung und Durchführung haben, sondern auch die Zuschauer*innen zahlreich erscheinen werden. Wir Künstler*innen haben lange auf sie warten müssen, doch mit dem Frühling und Sommer herrscht zum Glück auch Aufbruchstimmung.

Alle neuen Nummern für meine Bühnenprogramme sind lange geübt und warten nun darauf, endlich gezeigt werden zu dürfen. Das Gute, und auch das gibt es in jeder Krise, ist natürlich, dass man Zeit geschenkt bekam, Dinge zu überdenken, neu anzugehen, zu verändern, und sich dadurch weiterentwickeln konnte.

Viele Fragen, für die ich vorher keine Zeit und sie aufgeschoben hatte, wurden geklärt. Es fühlt sich daher umso mehr wie ein Neubeginn an.»


«Lächeln ohne Maske, Kultur ohne Hindernisse»

Nathalie Brunner/Playlove, Kulturmanagerin und DJ

«Nach zwei Jahren Zwangspause gibt es eigentlich nur eines: Leinen los! Als multidisziplinäres Kulturhaus, Quartiertreff und niederschwelliger Begegnungsort verstehen wir uns im Neubad in Luzern seit jeher als Haus der offenen Kulturen.

Nun ist es Zeit, wieder für die Öffentlichkeit, ohne Einschränkungen, da zu sein. Das Leben hochleben zu lassen und Begegnungen in der Gesellschaft zu fördern. Das will erst mal wieder gelernt werden. Unser Trainingszentrum für gesellschaftliche Detailfragen ist bereit, die Menschen wieder näherzubringen und mit Kultur zu vereinen.

Am meisten freue ich mich persönlich auf: Lächeln ohne Maske. Kultur ohne Hindernisse. Liebe und Akzeptanz.»


«Auf ins Leben! Hoch die Tassen!»

Philipp Langenegger, Schauspieler

«Wie geht es weiter? Eine sehr gute Frage. Bei mir ging es immer weiter. Musste weitergehen. Obwohl ich 2021 keine Kulturausfallentschädigung erhalten habe, musste es trotzdem weitergehen. Habe ja vier Goofe!

Warum stehen bleiben. Warum toben? Blaare, wie der Appenzeller im Volksmund sagt. Ich tüftelte an meinem Philipps-Gin, entwickelte eine «Appenzeller Lät Night Show» und zapfte meine Reserven an.

Nun, und jetzt? Worauf freue ich mich, wenn es wieder losgeht? Wenn es losgehen sollte!? Auf dass ich Ehrengast sein darf am Sechseläuten in Zürich. Auch freue ich mich auf endlos viele, bereits ausverkaufte «Lät Night Shows» in der Stuhlfabrik Herisau und im Zeltainer Unterwasser. Sowie auf die vielen Bestellungen meines philippsgin.ch.

Denn der Frühling steht vor der Tür und nicht nur die Vögel werden zwitschern. Auf ins Leben! Hoch die Tassen! Wie sagte Goethe: ‹Das wahre Glück ist die Genügsamkeit.›»


«Die Genesung von Mensch und Kultur»

Sibylle Aeberli, freischaffende Musikerin, Komponistin, Schauspielerin und Texterin

«Hoffnung? So, wie es im Moment aussieht, nämlich immer noch halbleere Theater, Veranstaltungsorte, die ums Überleben kämpfen, während immer neue Covid-Varianten ‹geboren› werden, sehr viel weniger.

Anfragen, weil die Spielpläne mit verschobenen Auftritten bereits voll sind? Doch, Hoffnung!

Nämlich, dass alle anderen kulturell genauso ausgehungert sind wie ich und ab März die Theater- und Konzertorte in Massen erstürmen werden. Auf die Genesung von Mensch und Kulturbetrieb!»


«Man hört bereits das Scharren meiner Hufe»

Christoph Marti, Schauspieler

«Die freie Zeit, die wir während des ersten Lockdowns in Berlin hatten, hat sich angefühlt wie ein erhörtes Gebet. Ich konnte komplett entschleunigen und endlich einmal Ordnung in die vielen Ideen bringen, die mir die ganze Zeit im Kopf herumschwirren.

Ich habe die Zeit genutzt und mich nicht nur um das aktuell anstehende, sondern auch gleich um das nächste und das übernächste Projekt gekümmert. Das, was man leise im Hintergrund hört, ist das Scharren meiner Hufe im Kies des Biergartens der Bar jeder Vernunft.

Für die Theater wünsche ich mir, dass eine langfristigere Planung möglich sein wird. Und für uns alle, dass wieder voll bestuhlt werden kann. Nichts fühlt sich an wie eine komplett ausverkaufte Vorstellung.»


«In meine künstlerische Entwicklung investiert»

Corinne Sutter, Speedpainterin

Die grössten Schweizer Talente
Staffel 4 / 2016
Corinne Sutter

Copyright: SRF/Mirco Rederlechner
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Bild: SRF/Mirco Rederlechner

«Die Pandemie erlebte ich als eine anspruchsvolle, lehrreiche Zeit. Zwar hatte ich als Künstlerin das Glück, auch ab Atelier arbeiten zu können. Doch die Bühnenshows und der damit einhergehende Austausch fehlten mir zunehmend. Überdies mussten einige spannende Jobs abgesagt werden wie eine Liveshow für eine Königin in ihrem Palast.

Ich habe die letzten zwei Jahre in meine künstlerische Entwicklung investiert, an neuen Stilen und Techniken getüftelt, die ich nun endlich werde anwenden können. Auch habe ich meine Lebensvision aktualisiert und konnte so manche Lücke zwischen dem Ist- und Sollzustand schliessen. Für solcherlei Analysen fehlt die Musse, wenn man von Bühne zu Bühne hüpft.

Seit Mitte 2020 bauen wir an unserem Atelierhaus. Durch die Pandemie konnte ich in vielen Bereichen Hand anlegen. Ich freue mich, darin spannende Menschen zu begrüssen, uns gegenseitig zu inspirieren und Kultur zu schaffen.»


«Ich bin ready für das, was kommt»

Martin Bohata/Mar Dean, DJ und Event-Organisator

«Schön, dass die lang ersehnte Normalität langsam zurück ist. Es wird aber nicht so sein wie vor der Pandemie. Nebst den neuen Labels und Artisten fiel mir auf: Überall, wo ich war, war die Stimmung durchwegs positiv.

Als hätte die Pandemie die Szene ein wenig sortiert: Die Leute, die während der Pandemie feiern gingen, die wollten es wirklich. Die brachten auch gute Vibes.

Und jene, die sonst einfach in einem Club landen, weil sie sonst nicht wissen, was tun, fielen weg. So entstand eine Stimmung weg vom Mainstream, weg vom Oberflächlichen – back to the roots. Mir gefällt diese Tendenz und ich bin ready für das, was kommt.»


«Schreiben kann man auch im Lockdown»

Blanca Imboden, Bestsellerautorin

«Ich hoffe, dass viele Menschen sich wieder auf Events freuen und ausgehen wollen, sodass wir jede Lesung richtig feiern können. Wir Schreibenden hatten es ja noch gut, im Vergleich zu anderen Künstler*innen.

Schreiben kann man sogar in der Quarantäne und im Lockdown. Theoretisch jedenfalls. Aber die annullierten Lesungen taten weh. Ich freue mich darauf, dass alles wieder planbarer wird. Und ja, ich freue mich auf das Leben danach!»


«Kultur ist hilfreicher denn je»

Steven Schneider, Autor und Kolumnist

«Natürlich ist das Pandemie-Ende ein Grund für mehr Lebensfreude. Keine Maske mehr, keine unfruchtbaren Corona-Diskussionen mehr, dafür Planungssicherheit in der Kulturbranche, zumindest lebt die Hoffnung.

Das Auf- und Durchatmen fällt bei mir aber geringer aus, als ich gedacht hatte. Das Ende von Corona ist nicht der Anfang unbeschwerter Heiterkeit. Die Krise war ein Augenöffner, der Egoismus ist leider doch die allerstärkste Kraft, wir fühlen uns als die Welt, statt uns nur als Teil der einzigen Welt zu sehen.

Angesichts aller aktuellen Krisen, die nicht einfach per Bundesratsentscheid enden, hoffe ich, mir dennoch einen guten Teil meines angeborenen Optimismus wieder aneignen zu können. Kultur ist dabei hilfreicher denn je.»


Monica Kissling: «Bei gewissen Konstellationen unterschreibe ich keine Verträge»

Monica Kissling: «Bei gewissen Konstellationen unterschreibe ich keine Verträge»

Astrologie fasziniert und polarisiert. Dabei wissen viele Menschen kaum, was sie ist und was sie kann. Während dem Hausbesuch bei Monica Kissling, verrät die Astrologin blue News-Redaktor Bruno Bötschi, wie die Sterne ihr Leben beeinflussen.

15.02.2022