Omikron-Welle Die Portugiesen nehmen das Corona-Auf-und-ab locker

Von Michelle de Oliveira, Santa Cruz, Portugal

14.6.2022

Im beliebten Urlaubsland Portugal steigen die Corona-Zahlen wegen der Ausbreitung der ansteckenderen Omikron-Subvariante BA.5 stark an.
Im beliebten Urlaubsland Portugal steigen die Corona-Zahlen wegen der Ausbreitung der ansteckenderen Omikron-Subvariante BA.5 stark an.
Bild: Corbis via Getty Images

Portugal ist zum europäischen Omikron-BA.5-Hotspot geworden. Die Neuinfektionen schnellen wieder in die Höhe, das Leben aber geht fast normal weiter. Aus verschiedenen Gründen.

Von Michelle de Oliveira, Santa Cruz, Portugal

14.6.2022

Einmal mehr schaut Europa besorgt nach Portugal. Die Covid-19-Zahlen sind in den vergangenen Wochen stark gestiegen. Die Omikron-Untervariante BA.5 dominiert, Portugal ist europaweit das Land mit der höchsten Inzidenz.

Auch die Sterblichkeit im Zusammenhang mit Covid-19 hat zugenommen. Allerdings gingen die Neuinfektionen laut den offiziellen Zahlen, die am vergangenen Freitag veröffentlicht wurden, im Vergleich zur Vorwoche um mehr als 15'000 Fälle zurück. Dennoch bewegen sie sich weiterhin auf hohem Niveau: Fast 1400 Fälle pro 100'000 Einwohner*innen zählt das Land.

Zum Vergleich: In der Schweiz sind es 119 Fälle pro 100'000 Einwohner*innen (Stand 13. Juni).

Masken auch dort, wo sie freiwillig sind

Die Portugiesen zeigen sich im Alltagsleben davon aber relativ unbeeindruckt. Zwar sieht man Menschen mit Schutzmasken, natürlich dort, wo sie Pflicht sind, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Spitälern und Pflegeheimen – aber auch dort, wo sie freiwillig sind, in Supermärkten, Museen und oft auch im Freien, etwa am Strand. 

Zur Autorin: Michelle de Oliveira
Bild: zVg

Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin und Mutter und Kolumnistin bei blue News. Seit kurzem lebt sie mit ihrer Familie in Portugal.

Generell hat man den Eindruck, dass die portugiesische Bevölkerung relativ gelassen auf die steigenden Fallzahlen reagiert. Am vergangenen Wochenende wurde in Lissabon einer der Santos Populares gefeiert, der Stadtheilige Santo António. Die Leute feierten in den engen Gassen, tanzten und küssten sich, sangen Fado, brieten Sardinen, tranken Super Bock und Vinho verde. Nach zwei Jahren ohne dieses traditionelle Fest erreichte auch die Feierlaune ein Höchstniveau. Ebenfalls fand am vergangenen Wochenende eines der grössten Musikfestivals des Landes statt, das Primavera Sound Porto mit 100'000 Besuchenden.

Aber auch ohne grosse Festivitäten sind die Gassen und Strassen Lissabons von früh bis spät voller Tourist*innen und Einheimischer, von denen die Minderheit eine Maske trägt. In Strandbars wird gefeiert, die Tische in den Restaurants stehen wieder eng aneinander und Fussballspiele finden statt wie gewohnt – Social Distancing gehört eindeutig der Vergangenheit an.

Die Sehnsucht nach dem sorgenfreien Sommer

Interessant ist: Die portugiesischen Zeitungen sparen sich grosse Schlagzeilen. Der Aufschrei in den Schweizer Medien ist viel lauter, die Sorge vor dem drohenden gleichen Schicksal scheint grösser als der Kummer der Portugies*innen, die bereits mittendrin stecken.

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Es scheint, als hätten sich die Menschen in Portugal an das stete Corona-Auf-und-Ab gewöhnt. Einmal das am härtesten getroffene Land, dann die Vorzeige-Impfnation, schliesslich wieder die Rückkehr von Omikron. Möglicherweise trägt auch die relativ hohe Impfquote – 87 Prozent der Bevölkerung sind doppelt geimpft, 64 Prozent sind geboostert – zu einer gewissen Gelassenheit bei. Und vor allem wünschen sich die Portugiesen wohl endlich wieder einmal einen sorgenfreien Sommer.

Es kann durchaus sein, dass die Behörden bewusst auf zu viel Aufmerksamkeit verzichten, zumal die Tourismussaison unmittelbar bevorsteht und in dieser Zeit einer der tragenden Wirtschaftszweige Portugals am meisten profitiert.

Von offizieller Seite wird an die Selbstverantwortung der Bevölkerung appelliert und empfohlen, grosse Menschenansammlungen zu meiden und dort freiwillig Masken zu tragen, wo ein erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht. Weitere Massnahmen wurden aber bisher nicht diskutiert.

Bereits am kommenden Wochenende wird das nächste grosse Musikfestival, das Rock in Rio Lissabon stattfinden, kurz darauf wird in Porto ein weiterer Heiliger – São João – gefeiert. Masken werden wohl weiterhin die wenigsten tragen. Ob die Bevölkerung für die ausgelassenen Feiern bald teuer zahlen muss, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

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