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Bötschi fragt Roland Brack: «Als Schüler arbeitete ich bei der Kehrichtabfuhr mit»
Von Bruno Bötschi
23.11.2020
Er ist der Gründer des grössten Onlinehandels der Schweiz: Roland Brack über seine Anfänge in der elterlichen Garage, die Corona-Massnahmen und die Frage, ob Reichtum unbegrenzt weitervererbt werden soll.
Ein Sitzungszimmer am Hauptsitz der Competec AG in Mägenwil, Kanton Aargau, kurz vor 11 Uhr morgens: 45 Minuten mit einem der aktuell erfolgreichsten Unternehmer hierzulande. Das Wirtschaftsmagazin Bilanz schrieb kürzlich über ihn: «Die USA haben Amazon-Gründer Jeff Bezos, China hat Alibaba-Gründer Jack Ma, und die Schweiz hat Roland Brack.»
Vor 26 Jahren gründete Brack in der elterlichen Garage die Firma Brack Electronics. Diese Geschichte ist gemeinhin bekannt. Seit der 48-Jährige als Aushängeschild in der Start-up-Sendung «Die Höhle der Löwen Schweiz» fungiert, kennt nun das halbe Land auch das Gesicht dahinter.
Die Competec-Gruppe von Brack, die sich aus dem Onlinehändler Brack.ch AG, Alltron AG, Jamei AG sowie den Dienstleistern Competec Service AG und Competec Logistik AG zusammensetzt, machte im vergangenen Jahr 811 Millionen Franken Umsatz. Sie ist damit der grösste unabhängige Onlinehändler hierzulande.
Herr Brack, ich stelle Ihnen in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen. Und Sie antworten möglichst kurz und schnell. Wenn Ihnen eine Frage nicht passt, sagen Sie einfach «weiter».
Alles klar.
Lerche oder Eule?
Ich bin ein Nachtmensch, also eine Eule.
Demnach sind Sie nie der Erste im Büro?
Nein.
Ihre konzentrierteste Tageszeit?
Tätigkeiten, die viel Konzentration erfordern, erledige ich gern am Abend oder während der Nacht.
Tempo oder Technik?
Zum Autor: Bruno Bötschi
«blue News»-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten. Bötschi hat viel Erfahrung mit Interviews. Für die Zeitschrift «Schweizer Familie» betreute er jahrelang die Serie «Traumfänger». Über 200 Persönlichkeiten stellte er dafür die Frage: Als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich? Das Buch zur Serie «Traumfänger» ist im Applaus Verlag, Zürich, erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich.
Heute Morgen lagen zwei Bussen wegen zu schnellem Fahren in meinem Briefkasten. Das sagt wohl alles. Aber das muss man auch zuerst schaffen: Ich bin beide Male mit dem Auto nur einen Stundenkilometer schneller gefahren als erlaubt.
Ist Ihr Handy jetzt an?
Ja.
Unter welchen Umständen schalten Sie es aus?
Nur zum Neustart nach einem Absturz.
Ihr revolutionärster Gedanke als 12-Jähriger?
Ich war nicht der einfachste Sohn und auch nicht der einfachste Schüler. Ich war eher rebellisch als revolutionär. Hatte ich eine Meinung, tat ich sie resolut kund.
Ihre erste Arbeit für Geld?
Um mein Taschengeld aufzubessern, arbeitete ich während der Schulzeit in der Kehrichtabfuhr mit.
Was kann man für 50 Rappen kaufen?
Süssigkeiten.
Schon einmal hart gearbeitet, ohne einen Lohn dafür zu bekommen?
Als Teenager machte ich eine Schnupperlehre als Dachdecker. Es war ein heisser Sommer und ich musste den ganzen Tag schwere Ziegel auf dem Dach schleppen. Das war hart, brutal hart sogar.
Sie wären fast Kampfjet-Pilot geworden. Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» schrieb dazu: «Er entschied sich dann aber doch für ein Studium der Elektrotechnik. Ein Sieg der Vernunft.»
Ach, das war keine Frage der Vernunft. Ich stellte vielmehr in der fliegerischen Vorschulung fest: Die Institution Militär ist nicht meine Welt. Ich bin kein Befehlsempfänger.
Wirklich wahr, dass Sie Ihr Unternehmen in der Garage des elterlichen Einfamilienhauses im Fricktal gestartet haben?
Das stimmt.
Ihre Eltern waren scheinbar nicht besonders erfreut über die Firmengründung.
Meine Eltern hofften wie viele andere auch, dass ihr Sohn nach dem Studium einen sicheren Job annehmen und danach möglichst bis zur Pensionierung in derselben Firma tätig sein würde. Zudem fanden Sie es nicht lustig, als plötzlich ständig Lastwagen mit Ware bei uns daheim vorfuhren und ich ihre Garage als Lagerhalle missbrauchte.
Wie beruhigten Sie Ihre Mutter?
Wahrscheinlich mit der Aussicht darauf, dass die Firma auszieht, wenn ich fertigstudiert habe.
Der Spruch Ihres Vaters, der Ihnen noch in Ihren Ohren dröhnt?
Verbote gehörten nicht zu den Erziehungsmethoden meiner Eltern. Sie sagten immer, ich könne selber entscheiden, was ich tun wolle. Gleichzeitig wiesen Sie mich aber darauf hin, dass wenn ich einen Seich machen würde, die Verantwortung dafür übernehmen müsse.
Das Fricktal wird auch Freaktal genannt. Warum eigentlich?
Wahrscheinlich einfach deshalb, weil sich die beiden Wörter gut reimen.
Demnach gibt es nicht speziell viele eigensinnige Menschen im Fricktal?
Ich glaube nicht.
2,1 Millionen Pakete hat Ihre Competec-Gruppe von Willisau aus im vergangenen Jahr verschickt. Wie viele werden es 2020 sein?
Viel mehr, als wir gedacht haben. Ich kann aktuell nur raten, wie viel es sein werden.
Raten Sie bitte.
3 Millionen.
Wie viele Pakete werden im Jahr falsch verschickt?
Diese Zahl ist zum Glück derart gering, dass ich sie nicht auswendig kenne.
Warum baten Sie im vergangenen Frühling Ihre Kundinnen und Kunden, nicht so viel zu bestellen?
Zu Beginn des Lockdowns im März gab es ganz offensichtlich sehr viele Hamsterbestellungen – etwa von Toilettenpapier und Konservendosen. Mit meinem Aufruf wollte ich unsere Kundschaft darauf aufmerksam machen, dass die Verfügbarkeit von lebenswichtigen Gütern gesichert ist und Hamsterkäufe nicht nötig sind. In der Folge wurde meine Aussage in einem Teil der Medien verdreht wiedergegeben.
Die Corona-Krise hat das Wachstum im Onlinehandel beschleunigt. Wie fühlt es sich an, zu den Gewinnern der Pandemie zu gehören?
Wie schon oft gesagt in den letzten Monaten: Ich bin nicht stolz darauf, dass unsere Firma eine der Gewinnerinnen der Krise ist.
Sie haben in der Logistik die Zahl der Mitarbeitenden in den vergangenen Monaten fast verdoppelt – von 250 auf 450. Wie verkraftet man als Inhaber ein derart schnelles Wachstum?
Das Wichtigste in hektischen Zeiten ist meines Erachtens Vertrauen. Das heisst, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen zu lassen, weil man sowieso nicht alles unter Kontrolle haben kann. Es ist der einzige Weg, um in einer solch speziellen Situation schnell und gut agieren zu können.
Was denken Sie, wird das Coronavirus die Gesellschaft nachhaltig verändern?
Davon bin ich fest überzeugt. Neben den vielen Problemen, die das Virus mit sich brachte und die ich überhaupt nicht verharmlosen will, sorgte die Pandemie für einen unglaublichen Digitalisierungschub.
So grundsätzlich: Wo sehen Sie im Onlinehandel am meisten Wachstumspotenzial?
Mittlerweile gibt es fast kein Produkt mehr, das nicht auch schon online gehandelt worden ist. Die Pandemie verstärkte die Verschiebung Richtung Online-Shopping weiter. Für junge Menschen ist es heute ganz selbstverständlich, online zu bestellen. Online-Shopping ist je länger desto mehr die neue Normalität.
Welches Gadget ist aus Ihrer Sicht ein absolutes Must-have?
Gesichtsmasken sind zurzeit das angesagte Gadget. Ich hoffe einfach, die vielen stylishen Masken sehen nicht nur gut aus, sondern schützen die Trägerin oder den Träger auch wirklich vor dem Virus.
Ihr Favorit unter den Masken?
Ich trage ein Modell der Marke Livipro. Meiner Ansicht nach ist es aktuell eines der besten Produkte auf dem Markt. Die Maske ist waschbar und sie dekontaminiert sich durch ihre antivirale und antibakterielle Beschichtung selber.
Gibt es ein Produkt in Ihrem Sortiment, von dem Sie selber noch träumen?
Es gibt viele Produkte, von denen ich träume. Sagen wir es so: Als studierter Ingenieur und technikaffiner Mensch ist es mir ein besonderes Anliegen, dass Produkte nicht nur gut aussehen, sondern auch einwandfrei funktionieren und eine möglichst lange Lebensdauer haben.
Böse Zungen behaupten, dass Versandhändler manche Produkte vertreiben, die schon bei der Auslieferung nicht viel mehr als Elektroschrott sind.
Ich bin kein Mensch, der gern pauschalisiert. Und sowieso: Ich kann nur für uns reden. Wir verstehen uns als Online-Fachhändler und haben den Anspruch, in erster Linie gute Produkte zu einem fairen Preis zu verkaufen. Billiger Ramsch ist nicht unser Fachgebiet. Ich kann Ihnen ein Beispiel geben, das Aussenstehende immer wieder überrascht: Unsere Erfahrung zeigt, dass der Durchschnittspreis von Notebooks, die bei uns bestellt werden, zwischen 20 und 30 Prozent höher liegt als jener in den stationären Läden. Und das hat nichts damit zu tun, dass wir die Geräte teurer verkaufen, sondern unsere Kundinnen und Kunden sind anspruchsvoll und kaufen gern gute Produkte ein.
Was braucht ein Produkt, damit es in Ihrem Sortiment Platz erhält?
An erster Stelle steht tatsächlich die Qualität eines Produktes. Die Kunden müssen zufrieden sein. Viel mehr Kriterien braucht es danach gar nicht mehr. Als Onlinehändler haben wir ja den Vorteil, dass wir, wenn wir ein neues Produkt aufnehmen, nicht zuerst einen Regalplatz leerräumen müssen. Wir können also flexibler reagieren und neue Dinge ausprobieren.
Vertreiben Sie alles, was nachgefragt wird? Oder gibt es Produkte, die Sie selber für unnötig oder gar schädlich erachten und deshalb nicht in Ihrem Sortiment führen?
Natürlich verkaufen wir lieber Produkte, die nachhaltig sind.
Geht es etwas konkreter bitte?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Im vergangenen Sommer diskutierten wir darüber, ob wir Wespensprays verkaufen sollen. Für die Tiere ist der Spray keine gute Sache. Wir fragten uns, was die Konsumentin, der Konsument tut, wenn wir keine solchen Sprays anbieten. Kauft sie oder er ein anderes Produkt bei uns, das die Wespen vertreibt, oder denkt sie oder er, warum bieten die das nicht an und kauft den Spray an einem anderen Ort.
Wie haben Sie entschieden?
Bisher haben wir keine Wespensprays im Sortiment. Ich bin jedoch in solchen Fragen liberal eingestellt und glaube: Indem wir ein Produkt nicht zum Kauf anbieten, lässt sich das Problem nicht steuern. Besser wäre es wahrscheinlich, die ganze Auswahl anzubieten und die nachhaltigeren Produkte zu fördern und entsprechend zu kennzeichnen.
Es könnte also sein, dass sich das nächsten Sommer ändert und Sie ein Wespenspray im Sortiment haben?
Ja, das kann sein.
Produkte möglichst schnell und möglichst billig zu liefern: Wie sinnvoll ist das?
Was ist Ihre Frage: Schnell? Oder billig? Ich bin überzeugt davon, am Ende des Tages zählt die richtige Kombination. Was wir bis anhin feststellen können: Das «Same Day Delivery» hat bisher keine grosse Bedeutung. Es ist zu teuer. Die Kunden sind nur im Ausnahmefall bereit, einen höheren Preis zu bezahlen.
Was tut Ihre Firma konkret gegen die Wegwerfmentalität?
Genau das, was ich vorhin schon gesagt habe: Wir versuchen qualitativ gute Produkte zu verkaufen, also solche, die mehr als einmal gebraucht werden können.
Wie stellen Sie sicher, dass keines Ihrer Produkte in einem chinesischen Arbeitslager hergestellt wird?
Ich gebe zu, dass das tatsächlich eine grosse Herausforderung ist für jemanden, der wie wir ein derart grosses Sortiment anbietet. Ich kann dazu nur sagen, wir bleiben jeden Tag dran und wir müssen wachsam sein. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben: Es ist schwierig, wirklich jede Lieferkette bis ganz ans Ende nachvollziehen zu können.
Experten sagen wegen der Pandemie eine Rückkehr zu lokaleren Herstellungs- und Vertriebsketten voraus. Sehen Sie das auch so?
Das wäre tatsächlich wünschenswert – ob es wirklich passieren wird, muss die Zukunft weisen. Ich stelle oft fest: Der Mensch vergisst wahnsinnig schnell.
Was würde der junge Roland über das Leben des heutigen Roland denken?
Als junger Mann war für mich absolut nicht absehbar, wohin sich meine Firma einmal entwickeln wird. Und ich hätte mir damals auch nie vorstellen können, in einer Fernsehshow aufzutreten.
Standen Sie als junger Mensch nicht gern im Vordergrund oder hat Sie das Medium Fernsehen nicht interessiert?
Medien konsumierte ich natürlich, aber dass ich selber bei einer Sendung aktiv mitmachen würde, hätte ich niemals erwartet. Ich bin noch nie gern vorne hingestanden und ein grosser Redner war ich auch nicht.
Trotzdem sassen Sie in der Jury der TV-Show «Die Höhle der Löwen Schweiz», die auf dem Sender TV24 ausgestrahlt wurde. Wie kam dieses Engagement zustande?
Die Verantwortlichen von TV24 haben mich angefragt …
… und Sie antworteten: «Ja, das war schon immer mein grosser Traum.»
Sie werden lachen: So ähnlich ist es abgelaufen. Ich schaue fast nie Fernsehen, die deutsche Version von «Die Höhle der Löwen» jedoch schaute ich regelmässig. Mich interessierten die Produkte, die darin vorgestellt wurden, und ich fand interessant, welche unternehmerischen Fragen diskutiert wurden. Ich fand, man kann einiges lernen. Es brauchte deshalb nicht viel Kraft, um mich vom Mitmachen bei der Schweizer Version von «Die Höhle der Löwen» zu überzeugen.
In der Höhle des Löwen – kennen Sie die Herkunft der Redewendung?
Falls es eine spezielle Geschichte dahinter gibt, kenne ich diese nicht, aber ich finde den Namen sehr passend.
«Sich in die Höhle des Löwen wagen» bedeutet: Sich etwas trauen, einem Stärkeren mutig gegenübertreten, unter Drohung von Gefahr etwas wagen. Wer sich also in die Höhle des Löwen wagt, der tritt jemandem gegenüber, der stärker ist. Fühlen Sie sich stärker als die Start-up-Unternehmer?
Auf keinen Fall, es geht ja darum, ein Team zu werden. Und ich habe noch nie jemanden gefressen.
Wie funktioniert es zwischen den Löwinnen und Löwen? Gibt es öfter Streit?
Nach der ersten Staffel hiess es, wir seien zu zahm gewesen. Diese Kritik war nicht ganz unbegründet. In der zweiten Staffel ging es deutlich rauer zu und her.
Hat das mit den neuen Jurymitgliedern zu tun oder haben die Fernsehverantwortlichen mehr Krach gefordert?
Nein, nein, der Grund ist ein anderer: In der ersten Staffel investierten wir Löwinnen und Löwen oft gemeinsam in Produkte. In der Nachbearbeitung, also bei der Abschliessung der Verträge, mussten wir dann realisieren, dass das ziemlich kompliziert wird, weil wir uns ständig untereinander abstimmen mussten. Deshalb entschieden wir, dass wir in der zweiten Staffel öfter gegeneinander antreten – mit der Idee dahinter, dass jede und jeder auch einmal allein in ein Produkt investieren konnte.
DJ Antoine ist neu in der Jury dabei – wie funktioniert die Zusammenarbeit mit ihm?
Er ist eine Bereicherung.
Aber seine Musik hören Sie nach wie vor nicht?
(Lacht) Doch, ich höre sie – vom Stil her macht DJ Antoine genau die Musik, die ich am liebsten mag. Und seit ich ihn persönlich kenne, macht das Zuhören noch mehr Freude.
In der TV-Show «Die Höhle der Löwen Schweiz» müssen Sie schnell entscheiden, ob ein Start-up-Unternehmen für eine Investition taugt. Schwierig für Sie?
Nein, ich schätze das sehr. Entscheide, die lange reifen, sind nicht immer besser.
Auf was schauen Sie als Löwe mehr: Auf den Menschen, der das Produkt vorgestellt hat, oder auf seinen Businessplan?
Auf den Menschen.
Wieso?
Businesspläne verändern sich – Menschen auch, aber deutlich langsamer.
Der Auftritt am TV und Ihre Bekanntheit, macht Ihnen das manchmal Angst?
Angst nicht, aber Respekt. Die neue Bekanntheit sorgte dafür, dass ich heute mehr darauf achten muss, was ich sage. Ich kann nicht mehr einfach einen Spruch raushauen, weil ich sonst Gefahr laufe, falsch verstanden und in den Medien zitiert zu werden.
Mit welchem noch berühmteren Mann wurden Sie schon einmal auf der Toilette verwechselt?
Auf dem WC wurde ich noch nie verwechselt. Was in letzter Zeit jedoch öfter passiert ist: Man nennt mich den Jeff Bezos der Schweiz.
Haben Sie Albträume, in denen Jeff Bezos’ Glatze erscheint?
Nein (lacht). Ich selber habe ja auch nicht mehr so viele Haare. Aber vielleicht habe ich deshalb die noch etwas grössere Haarpracht, weil meine Firma deutlich kleiner ist als Amazon und ich deshalb ein paar Sorgen weniger habe als Jeff.
Es heisst, Ihre Firma sei so erfolgreich, weil Riese Amazon an dem vergleichsweise kleinen Schweizer Markt ohne EU-Gesetzgebung kaum Interesse habe. Wahr oder nicht?
Es hat sicher etwas damit zu tun, dass wir in der Schweiz eine besondere Marktsituation haben.
Fürchten Sie sich davor, das Amazon in Zukunft auch die Schweiz erobern will?
Amazon ist ja schon da, einfach nicht so dominierend wie etwa in Deutschland. Angst ist kein guter Berater in strategischen Fragestellungen. Viel wichtiger ist Respekt und Vertrauen haben in die eigenen Stärken.
Macht Ihnen Künstliche Intelligenz Sorgen oder freuen Sie sich auf Sie?
Ich freue mich darauf, so wie ich mich bisher über fast jede technologische Entwicklung gefreut habe. Diese sind meist nicht schlecht. Die Frage ist vielmehr: Setzen wir Menschen sie sinnvoll ein?
Werden wir in Zukunft alle weniger arbeiten, da vieles Roboter für uns übernehmen?
Davon bin ich überzeugt, ja.
Haben Sie einen Staubsauger-Roboter zu Hause?
Nein – ich war wahrscheinlich einer der ersten Menschen hierzulande, die einen Staubsauger-Roboter getestet haben …
… aber die Begeisterung darüber scheint sich in Grenzen zu halten?
Sagen wir es so: Ich bin ein Mensch, der gern neue Dinge ausprobiert. Aber ich muss zugeben: Ich habe daheim eine Putzfrau engagiert. Müsste ich selber für Ordnung sorgen, hätte ich ziemlich sicher einen Staubsauger-Roboter.
Haben Sie einen Rasenmäher-Roboter?
Ja.
Finden Sie es sinnvoll, dass bald die ersten autonomen Autos auf unseren Strassen verkehren werden?
Für manche Menschen mag das heute etwas befremdend wirken, aber ich finde es grundsätzlich etwas sehr Sinnvolles. Es ist nur eine Frage der Zeit und dann können solche autonomen Autos viel besser und sicherer fahren als Fahrzeuge, die von Menschen gesteuert werden.
Ich nenne Ihnen drei Roland-Brack-Sätze, die ich in den Medien fand, und Sie sagen mir bitte, was sie bedeuten: «Ich bin ein hoffnungsloser Optimist, der stets einen Regenschirm dabeihat.»
Gute Unternehmer sind meistens etwas zu optimistisch eingestellt – die ganz guten Unternehmer haben zudem immer einen Plan B in der Hinterhand.
«Ich mag es nicht, Entscheidungen vor mir herzuschieben. Keine Entscheidung ist die schlechteste Entscheidung.»
Eine offene Fehlerkultur ist etwas vom Wichtigsten in einer Firma. Ich entscheide lieber einmal falsch und muss die Entscheidung allenfalls später nochmals korrigieren, als gar nichts zu tun.
«Behalten Sie Ihre Work-Life-Balance im Auge, sorgen Sie also für genügend Ausgleich neben der Arbeit!»
Ich habe schon einige Menschen kennengelernt, die irgendwann die Lust an Ihrem Unternehmen verloren haben, weil sie ausgebrannt waren. Hart arbeiten ist okay, aber es ist wichtig, dass man sich hin und wieder Freiraum gibt und das Leben geniesst. «Gring ache u seckle» ist im Geschäftsleben nicht die beste Idee. Denn ich weiss nie, was morgen kommt, ob morgen vielleicht mein Leben schon vorbei ist.
Wann geniessen Sie das Leben?
Ich bin ein Mensch, der gern in der Natur ist. Und ich unternehme gern Fernreisen.
In diesem Sommer war das mit dem Reisen wegen der Pandemie etwas schwierig. Waren Sie trotzdem unterwegs?
In vergangenen Sommer war ich vornehmlich in der Schweiz unterwegs – ich ging wandern, fuhr mit dem Mountainbike durch den Nationalpark.
Das grosszügigste Geschenk, das Sie jemals gemacht haben?
Das schönste Geschenk, das ein Mensch von einem anderen bekommen kann, ist Zeit haben. Materielle Dinge sind mir nicht so wichtig.
Was ist der tiefste Monatslohn in Ihrem Unternehmen?
Ich kenne die Löhne der Lernenden nicht auswendig.
Wie viel verdient ein normaler Angestellter bei Ihnen mindestens?
Einen Mindestlohn haben wir nicht festgesetzt, jedoch verdient bei uns niemand weniger als 4100 Franken im Monat.
Könnten Sie davon leben?
Ja. Ich würde meine Eltern fragen, ob ich wieder in ihrem Estrich einziehen kann.
Wo fängt Armut an?
Armut fängt für mich dann an, wenn ein Mensch sich die tagtäglichen Bedürfnisse nicht mehr erfüllen kann.
Wo sollte Reichtum aufhören?
Tatsächlich kann man sich die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, Reichtum beliebig vererben zu können. Dies führt irgendwann dazu, dass ganze Generationen nicht mehr arbeiten müssen. Ich frage mich, ob das längerfristig der richtige Weg ist.
Haben Sie eine Antwort auf Ihre Frage gefunden?
Nein, bisher nicht. Aber Fakt ist: Die Probleme der Ungleichverteilung nehmen weiter zu. Unsere Gesellschaft muss sich dem irgendwann stellen.
Haben Sie einen armen Freund?
Ja. Ich suche mir meine Freunde nach Gemeinsamkeiten aus und nicht danach, ob sie reich oder arm sind.
Ihr absoluter Lieblingsort im Fricktal?
Die Natur ganz grundsätzlich – während der Winterzeit haben wir im Fricktal viel weniger Nebel als anderswo im Schweizer Mittelland.
In einem Satz: Wie werben Sie für die Schweiz?
Ich bin in meinem bisherigen Leben viel gereist, aber ich bin auch immer wieder gern nach Hause gekommen. Mein Werbeslogan würde lauten: Schweiz – das Land, in das man immer wieder gern zurückkehrt.
Wo liegt der vollends entspannte Roland Brack?
Im Bett.
Ist die Schweiz so modern, wie wir gern immer glauben?
Nein, ist sie nicht. Alle grossen Digitalisierungsthemen werden aktuell in Asien oder in den USA entwickelt – das betrifft nicht nur die Schweiz, sondern ganz Europa. Ich sehe im Moment in unseren Breitengraden keine richtig grossen Start-ups, die künftig im Bereich IT eine führende Rolle übernehmen könnten. Es ist eminent wichtig für unser Land, dass wir in diesen Bereichen wachsam bleiben, sonst fährt der Zug irgendwann ohne uns ab.
Welcher typische Schweizer Minderwertigkeitskomplex geht Ihnen auf die Nerven?
Mir geht nichts auf den Wecker, denn ich bin selber hin und wieder auch ein Bünzlischweizer. Und sowieso: Ich versuche mich lieber über positive Dinge zu freuen, als mich ständig über negative Sachen aufzuregen.
Sind die Schweizerinnen und Schweizer jetzt eigentlich eher beliebt oder unbeliebt im Ausland?
Die Schweizer sind gemeinhin nicht als Problemmacher bekannt und deshalb nach meiner Einschätzung beliebt im Ausland. Was sicher auch damit zu tun hat, dass wir als mehrsprachiges Land andere Meinungen und Kulturen respektieren.
Sind Sie ein guter Verlierer?
Ich hoffe es.
Ihr Talent im Verborgenen?
Das müssen Sie nicht mich fragen. Ich rede nicht gern über eigene Talente.
Wann haben Sie sich das letzte Mal geschämt?
Geschämt habe ich mich darüber, dass die Schweiz sich während der Corona-Pandemie vom Musterschüler zu einem jener Länder mit den höchsten Fallzahlen entwickelt hat. Ich will damit aber nicht sagen, dass die Behörden die Bekämpfung des Virus falsch angegangen sind. Denn es ist nicht die Politik, die uns vor dem Virus schützen kann, sondern dafür ist jede und jeder selber verantwortlich. Es ist grundsätzlich gut, wenn man Dinge hinterfragt und sich eine eigene Meinung bildet. Aber während einer Pandemie kann es nicht angehen, dass jede und jeder einen anderen Plan hat, sondern es ist wichtig, dass sich die Menschen alle gleichermassen schützen. Wir waren möglicherweise in den letzten Wochen alle nicht genug diszipliniert.
Wovor haben Sie Angst?
Ängste spielen keine grosse Rolle in meinem Leben.
Hatten Sie je Todesangst im Leben?
Nein.
Wann schreiben Sie Ihre Biografie?
Soll es eine geben, dann müsste das jemand anders machen.
Was soll von Ihnen bleiben, wenn Ihr Körper einmal nicht mehr auf der Erde weilen wird?
Ich bin nicht sicher, ob die Welt eine bessere würde, wenn jeder Mensch nach seinem Ableben etwas zurücklassen möchte.
Gibt es ein Leben danach?
Nein.
Noch mehr «Bötschi fragt»-Gespräche gibt es unter diesem Link.
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