Sicher durchs Job-InterviewSo konterst du die unerlaubte Frage, ob du Kinder willst
Von Michelle de Oliveira
8.9.2021
Die Frage wird Frauen in Vorstellungsgesprächen immer wieder gestellt. Und das, obwohl sie nicht zulässig ist. Wie soll Frau reagieren?
Von Michelle de Oliveira
08.09.2021, 10:34
11.09.2021, 12:44
Michelle de Oliveira
Das Vorstellungsgespräch läuft gut, die Stimmung ist entspannt, man befindet sich bereits auf der Zielgeraden. Dann kommt die Frage: «Und, wie sieht es mit der Familienplanung aus?»
Alina*, 33, ist überrascht und zögert. Sie ist in einer festen Beziehung und wünscht sich durchaus Kinder. Nicht sofort, aber auch nicht erst in zehn Jahren. Was soll sie antworten? Muss sie überhaupt antworten?
«Die Frage nach der Familienplanung ist – direkt oder indirekt gestellt – unzulässig, da sie keinen direkten Bezug zur offenen Stelle, beziehungsweise zur Eignung dafür hat», schreibt die Gewerkschaft Unia auf Anfrage. «Die Frage greift in die Privatsphäre der Bewerberin ein.»
Diskriminierende Frage
Obwohl Arbeitgebende die Frage also nicht stellen dürfen, ist Alina kein Einzelfall. Als sie mit Freudinnen darüber spricht, erzählt die Hälfte von ihnen von ähnlichen Erlebnissen. Auch die Unia schreibt: «Unsere Erfahrung zeigt, dass die Frage eindeutig zu oft gestellt wird, obwohl sie diskriminierend ist.»
Zur Autorin: Michelle de Oliveira
Bild: zVg
Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin und Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle und Esoterische. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.
Wirst du während eines Vorstellungsgesprächs damit konfrontiert, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sind Kinder kein Thema, kann man das klar so sagen. Allerdings unterstützt man so indirekt weiterhin das Stellen dieser Frage.
Denkt eine Kandidatin über eine Familiengründung nach und beantwortet die Frage wahrheitsgetreu, besteht die Möglichkeit, dass sie für die Stelle nicht berücksichtigt wird.
Als dritte Variante kann sie die Fragenden darauf hinweisen, dass sie widerrechtlich handeln und die Frage unbeantwortet lassen. Damit wird sie aber sehr wahrscheinlich genauso benachteiligt, wie wenn sie sagen würde, dass sie an eine Familiengründung denkt.
Vierte Variante: Sie lügt.
«Recht auf eine Notlüge»
«Eine Bewerberin hat in einem solchen Fall das Recht auf eine Notlüge», sagt Wera Wollenmann, Rechtsanwältin von «Angestellte Schweiz». «Trotzdem würde ich das nicht direkt empfehlen, da eine Lüge am Ende ebenfalls einen Nachteil bedeuten kann.» Geschickter sei die Gegenfrage, was denn die Familienplanung mit dem Job zu tun habe.
Verständnis für Arbeitgebende, die diese Frage stellen, hat Wera Wollenmann nicht. «Sie können sich so organisieren, dass Abwesenheiten gut aufgefangen werden. Wirklich moderne Firmen haben ausserdem den Mehrwert von Frauen erkannt, bei ihnen ist die Familienplanung kein Thema.»
Männer werden von dieser Frage meist verschont. «Das Bild des Mannes als Ernährer hält sich immer noch hartnäckig», schreibt die Unia. «Dafür werden Väter – und Männer überhaupt – oft diskriminiert, wenn sie Teilzeit arbeiten wollen.»
Ein Lösungsansatz für diese Herausforderungen liegt in der Gleichstellung von Mann und Frau.
«Diese Probleme hätten wir nicht mehr, wenn die Gleichstellung endlich Realität wäre», sagt Wera Wollenmann. «Wenn Kinderbetreuung als gleichwertige Aufgabe beider Elternteile als Norm gelten würde.»
Die Unia teilt diese Meinung: «Es braucht endlich echte Gleichstellung und Chancengleichheit. Eine Elternzeit etwa würde einen entscheidenden Beitrag dazu leisten können. In der Schweiz besteht da ein grosser Nachholbedarf.»
«Die Frage hat ein ungutes Gefühl ausgelöst»
Und was hat Alina bei ihrem Vorstellungsgespräch gesagt? «Ich habe aus der Not geantwortet, dass die Familienplanung noch in weiter Ferne liege, auch wenn sie vielleicht in zwei, drei Jahren ein Thema wird», sagt sie.
Allerdings hat sie die Bewerbung später zurückgezogen: «Die Frage hat ein ungutes Gefühl ausgelöst», erzählt sie. «Ich will nicht für einen Arbeitgeber tätig sein, der kein Verständnis hat und mich allenfalls sogar benachteiligt, sollte ich schwanger sein und Mutter werden.»
Unzulässig sind unter anderem auch Fragen zu Religionszugehörigkeit, politischer Einstellung, sexueller Orientierung, Vermögensverhältnissen, Krankheiten und Vorstrafen.