Bijouterie-ÜberfallVier Rentner und ihre heikle Mission «Weisse Weihnachten»
Von Andreas Benz
29.10.2020
Vier ältere Damen und Herren überfallen eine Bijouterie. Sie wollen einer todkranken Freundin ihren letzten Wunsch erfüllen. Der Überfall misslingt. Stoff für einen Roman? Durchaus. Andreas Benz hat ihn geschrieben.
Für vier Seniorinnen und Senioren des in die Jahre gekommenen Altersheims Abendrot im Zürcher Oberland ist klar: Sie wollen ihrer todkranken Freundin Maria den letzten Wunsch erfüllen – nochmals weisse Weihnachten in den Bergen.
Aber leider fehlt der «Sonnenuntergäng», wie sich die Damen und Herren nennen, für diese Mission das Kleingeld. Der Überfall auf eine Bijouterie, der das Abenteuer finanzieren soll, schlägt fehl, und statt mit vollen Taschen Richtung weisse Berge, befinden sich die Alten nun plötzlich auf der Flucht.
So beginnt der Roman «Mission: Weisse Weihnachten – ein Rentner-Roadtrip in die Berge» von Andreas Benz. Benz war über 20 Jahre in der Finanzwelt tätig, bevor er vor zehn Jahren entschied, neu zu beginnen und seine Passion, das Filmemachen, zu leben. Heute ist er an Projekten der Constantin Film beteiligt, für die er unter anderem auch das Drehbuch «Mission: Weisse Weihnachten» schrieb.
Doch gerade als Schauspieler wie Heidi Maria Glössner und Stefan Gubser zugesagt hatten, bei einer Verfilmung mitzumachen, und es um die Finanzierung ging, kam die Corona-Pandemie, und so schrieb Benz während des Lockdowns stattdessen sein Script zu seinem ersten Roman «Mission: Weisse Weihnachten» um.
«blue News» publiziert exklusiv einen Auszug aus dem Buch. Leserinnen und Leser von «blue News» können das Buch direkt beim Verlag Wörterseh bestellen. Das Leserangebot ist etwas weiter unten zu finden.
Es handelt sich hier um einen originalen Textauszug. Deshalb erfolgten keine Anpassungen gemäss «blue News»-Regeln.
Mission: Weisse Weihnachten
Die Einzige, die keine Sekunde zweifelte, war Frida. Es war ihr klar: Auch wenn alle anderen den Schwanz einziehen würden, sie fände irgendeinen Weg, auch allein mit Maria in die Berge zu fahren, und wenn es das Letzte wäre, was sie tun würde. Loyalität stand schon immer ganz oben auf Fridas Werteskala. Selbst als ihre Firma damals in der Krise pleiteging, hatte sie keinen ihrer Mitarbeiter entlassen, sondern deren Löhne aus eigener Tasche so lange weiterbezahlt, bis auch diese leer war. Nein, einen Freund im Stich lassen, das existierte nicht in Fridas Welt.
Leserangebot
Bild: zVg
Der vorweihnachtliche Roadtrip «Mission: Weisse Weihnachten» kann unter dem Codewort bw20mw zum Spezialpreis von Fr. 21.90 statt 24.90 (inkl. Porto und Verpackung) direkt über die Homepage: www.woerterseh.ch, per Mail: verlag@woerterseh.ch oder telefonisch unter: 044 368 33 68 bestellt werden. Achtung: Codewort nicht vergessen.
Der Zeiger an Fridas Armbanduhr sprang auf vierzehn Uhr zehn. Die Zimmertür der alten Frau öffnete sich, und, auf einen Rollator gestützt, in dessen Transportkorb sie ihre Sauerstoffflasche gelegt hatte, erschien Frida als Erste auf dem Flur. Fast gleichzeitig öffneten sich die Türen von Lukys und Hans’ Zimmern. Die beiden nickten sich aufmunternd zu. Hans war total konzentriert, und die grosse Anspannung war ihm anzusehen. Immer wieder warf er einen Kontrollblick auf seine Armbanduhr. Gemeinsam gingen sie hinter Frida her, liessen genug Abstand, damit es nicht zu auffällig wirkte.
Maria hatten sie gesagt, sie würden nach Zürich an ein Adventskonzert fahren. Wie erwartet, war das für Maria zu anstrengend, und sie wollte lieber zu Hause bleiben. Auch die Kunz glaubte die Geschichte mit dem Konzert, und weil sich Luky sehr nett bei ihr entschuldigt hatte, drückte sie ein Auge zu und liess das Grüppchen fahren. Es war ja schliesslich bald Weihnachten.
Der vorweihnachtliche Roadtrip «Mission: Weisse Weihnachten» kann unter dem Codewort bw20mw zum Spezialpreis von Fr. 21.90 statt Fr. 24.90 (inkl. Porto und Verpackung) direkt über die Homepage: www.woerterseh.ch, per Mail: verlag@woerterseh.ch oder telefonisch unter: 044 368 33 68 bestellt werden. Bitte Codewort nicht vergessen!
Als Hans, Luky und Frida die Bushaltestelle erreichten, war Inge schon da. Wie immer perfekt angezogen und wie aus dem Ei gepellt. Die Fahrt mit dem Bus verlief trotz dem Schnee problemlos. Sie kamen pünktlich in Rapperswil an und hatten genug Zeit, gemütlich in den Regionalzug via Meilen nach Zürich Hauptbahnhof einzusteigen. Hans wunderte sich, weshalb er sich gerade jetzt daran erinnerte, dass die SBB in den Achtzigerjahren auf dieser Strecke lila-gelb lackierte Züge eingesetzt hatte, die von der ganzen Schweiz »Chiquita« genannt wurden, weil sich die Böden der Wagen »wie eine Banane« durchbogen.
Ihr Zug war zu dieser Tageszeit nur schwach besetzt. Dem rechten Ufer des Zürichsees entlang, der sogenannten Goldküste, hatte es nur wenig geschneit. Der See, der bestimmt wärmer war als die Luft, dampfte leicht. Die wohlhabenden Seegemeinden hatten sich schon für Weihnachten herausgeputzt, und es war nicht zu übersehen, dass die Lichtdekorationen an den Villen und Eigentumswohnungen umso teurer und aufwendiger waren, je näher der Zug Zürich kam. Die S6 fuhr pünktlich um fünfzehn Uhr sechzehn in den Bahnhof Küsnacht ein.
Das kleine Grüppchen kam die Bahnhofunterführung hoch und überquerte die Dorfstrasse. Hans warf einen Blick auf seine Uhr, und sie betraten genau nach Plan das grosse Einkaufszentrum auf der anderen Seite der Strasse. Ohne links oder rechts in die dekorierten Schaufenster zu schauen, gingen sie zielstrebig in den unteren Stock, wo es neben einem Textilreinigungsgeschäft und einem Schlüssel- und Absatzservice einen Kostümverleih gab, der zu dieser Jahreszeit, zwischen Halloween und Fasnacht, praktisch leer war. Darum dauerte es auch nicht lange, bis die Alten, mit riesigen Einkaufstaschen bepackt, den Laden wieder verliessen.
Auf dem Weg zurück zum Ausgang des Zentrums machten sie einen Abstecher in ein Lebensmittelgeschäft und kauften Mandarinen, Nüsse, Weihnachtsguetsli und -schokolade. Zufrieden schaute Hans abermals auf seine Uhr – alles lief nach Plan.
Plötzlich bat Inge ihre Freunde, kurz zu warten, und betrat zielstrebig einen hinter einer Säule versteckten Sexshop. Hans war verwirrt: Das war nicht Teil des Plans und konnte seine ganzen Berechnungen gefährden! Doch da war Inge schon wieder zurück – an ihrem Zeigfinger baumelten pinke Handschellen, die sie mit einem Augenzwinkern in einer der vielen Taschen verschwinden liess.
Genau um sechzehn Uhr fünfzehn waren sie zurück am Bahnhof. Jetzt war Frida an der Reihe. Hans gab ihr ein Zeichen, und sie begann plötzlich, stark zu hinken. Auf den Rollator gestützt, ging sie mühselig die kleine Rampe zur Schalterhalle hoch. Wie erwartet, war der Schalter frei, da ja fast alle Bahntickets übers Internet gebucht wurden. Trotzdem musste sie ein paar Minuten warten, bis jemand kam.
»Endlich, wie lange muss man hier denn warten!«, regte sich Frida auf. »Viel länger halte ich es nicht mehr aus; ich brauche dringend den Schlüssel für das Behinderten-WC, aber dalli!«
Die junge SBB-Angestellte gab der alten Frau den Schlüssel, an dessen Ende eine Schnur mit einem grossen Holzwürfel baumelte. Dass sie ihn zurückbringen solle, vergass sie nach der ungeduldigen Ansprache der Alten zu sagen. Die humpelte schon zum Ausgang und verschwand in Richtung WC-Anlage.
Kaum hatte Frida die Tür zum grossen Behinderten-WC aufgeschlossen, kamen drei Gestalten mit grossen Einkaufstaschen hinter den Schliessfächern hervor und huschten an ihr vorbei ins Innere. Frida wartete vor der geschlossenen Tür und schaute auf die Bahnhofsuhr. Der rote Sekundenzeiger, dessen Form an die Befehlskelle eines Stationsvorstands erinnerte, bewegte sich auf die Zwölf, blieb kurz stehen, und dann sprang der Minutenzeiger auf sechzehn Uhr dreissig. Noch dreissig Minuten bis Ladenschluss.
Der schmucke, kleine Marktplatz in Küsnacht war voller Menschen. Einige hasteten mit prall gefüllten Einkaufstaschen vorüber, andere verweilten an einem der Marktstände, die es hier zur Weihnachtszeit gab. Es roch nach Glühwein und Raclette. An den Ständen wurde alles Mögliche angeboten: viel Kunsthandwerk, Holzspielsachen und hochwertiger Weihnachtsschmuck, aber auch Selbstgebasteltes von der lokalen Montessori-Schule, die für einen guten Zweck Geld sammelte. Weitere Passanten schlenderten von Schaufenster zu Schaufenster rund um den Platz, noch immer auf der Suche nach einem geeigneten Geschenk. Es war schon fast dunkel, als von der Marktgasse her zwei Samichläuse und ein Schmutzli auftauchten. Etwas hinter der Gruppe folgte Frida mit ihrem Rollator, die sich vor Nervosität etwas zusätzlichen Sauerstoff aus der mitgeführten Flasche gönnte.
Kaum erreichten die Samichläuse den Platz, kamen auch schon die ersten Kinder angerannt. Samichlaus Hans verteilte Mandarinen und Nüsse, Samichlaus Luky füllte kleine Kinderhände mit Guetsli und Schokolade, und Schmutzli Inge versuchte, mit dem Flachmann in der Hand hinter dem schwarzen Bart den Mund zu finden. Hans kontrollierte erneut die Zeit – alles lief perfekt, es war zehn Minuten vor Ladenschluss. Stolz nickte er Frida zu, die sich auf den Weg zur Bijouterie Klein machte, die etwas zurückversetzt am unteren Ende des Marktplatzes lag. Sie ging, den Rollator vor sich herschiebend, zu dem kleinen Laden, der nur ein Schaufenster hatte, und tat, als würde sie die Auslage betrachten. Dabei spähte sie angestrengt in den Laden, um sicherzugehen, dass keine Kunden mehr anwesend waren. Es war tatsächlich alles genau so, wie Hans es beschrieben und ihnen aufgezeichnet hatte.
Doch dann stockte Frida der Atem.
Bibliografie: Mission: Weisse Weihnachten – ein Rentner-Roadtrip in die Berge, Andreas Benz, Wörterseh, 208 Seiten, 24.90 Fr.