Vietnams Strassen-Ninjas Verhüllt wegen der Sonne, gewappnet gegen Corona

Von Claudio Sieber, Đà Nẵng, Vietnam

18.4.2021

Vietnam war gut gerüstet für die Pandemie, nicht zuletzt, weil Gesichtsmasken schon lange dazugehören. Denn ein gebräunter Teint, wie ihn viele Feriengäste anstreben, gilt hier als Zeichen für Armut. 

Von Claudio Sieber, Đà Nẵng, Vietnam

18.4.2021

Ein milder Wind weht durch die Küstenstadt Đà Nẵng in Zentralvietnam. Die jährliche Gluthitze steht bevor, dennoch bleiben die feinen Sandstrände tagsüber fast leer. Lediglich ein paar westliche Touristen legen sich in die Sonne.

Etwas Bräune ist eines der beliebtesten Souvenirs aus den Ferien, und das entgegen aller Warnungen vor Sonnenbrand und Hautkrebs. Eine fragwürdige Manier, fragt man die Vietnamesen. Selbst im Hochsommer verhüllt man weit mehr als Nase und Mund – und das äusserst kreativ.

Von Tokio bis nach Jakarta legt sich kaum ein Asiate gern mit UV-Strahlen an, denn eine bronzene Hautfarbe zeugt weder von Klasse noch Ästhetik, sondern von Armut. Diesen Makel auszumerzen hat in Asien eine lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. Ein blasser Teint galt damals als edel und aristokratisch – nur die Reichen konnten es sich leisten, drinnen zu verweilen, während die Bauern zwangsläufig bei der körperlichen Arbeit auf den Reisfeldern rösteten.

Blass wie die geliebten K-Pop-Stars

Das Privileg edler Blässe beeinflusst bis heute die Chancen auf Einheiratung in eine besser gestellte Familie. Thuy Linh Nguyen, eine Historikerin mit Fokus auf die vietnamesischen Moderne, verweist darauf, dass der Look einer Vietnamesin auch ihre soziale Klasse widerspiegelt.

Die Schönen in der vietnamesischen Literatur waren mehrheitlich Frauen der Oberschicht, sie mussten nicht auf dem Feld arbeiten und hatten daher kleine Hände in Form von Bambussprossen, kleine Füsse sowie einen hellen Teint.

Die K-Pop-Band Blackpink ist die erfolgreichste Girlgroup Südkoreas. 
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Professorin Thuy Linh Nguyen verdeutlicht, dass Schönheit oder soziale Klasse zwar schon seit Jahrhunderten mit heller Haut verbunden wird. Der Hype um das blasse Aussehen der heutigen Vietnamesen sei jedoch auch der Invasion von K-Pop geschuldet. Koreanische Sänger sowie koreanische Kosmetikfirmen tragen alle zu einer Jugendkultur bei, die einen puppenartigen Look verkörperte, idealerweise mit grossen Kulleraugen, einer geraden und kleinen Nase, einem V-förmigen Gesicht und natürlich einer hellen Haut.

Im Gegensatz zu traditionellen Vorstellungen von Schönheit ist der ideale K-Pop-Look weniger geschlechtsspezifisch, da er für Männer und Frauen gleichermassen gilt. Je heller die Haut, desto grösser das Ansehen in der Gesellschaft – ein Schönheitsideal, das sich nicht nur im Grossraum Asien, sondern auch in Lateinamerika und Afrika verbreitet hat.


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zVg

Der Multimedia-Journalist Claudio Sieber aus St. Gallen reist seit mehreren Jahren durch Asien, wo er über die Traditionen fremder Völker, Popkultur und den sozialen Wandel im Orient und Ozeanien berichtet.

Die Reportage von Claudio Sieber aus Indonesien «Auf Jagd mit den letzten Walfängern der Welt» lesen Sie hier: