Kolumne Die Furcht vor dem Modejahr 2019

Julia Wagner

11.1.2019

Bauchfrei, rosa – in den 90ern durchaus beliebt: «Gut, ich war jung und brauchte den Look», gibt die Kolumnistin zu.
Bauchfrei, rosa – in den 90ern durchaus beliebt: «Gut, ich war jung und brauchte den Look», gibt die Kolumnistin zu.
PD

Die 90er Jahre modemässig? Dagegen waren die 80er ja bitteschön Avantgarde. Dass 2019 mit dem Fashion-Comeback der Nineties zu rechnen ist, fürchtet die Autorin dieser Kolumne.

Ich muss zugeben, dass ich mich ein bisschen vor 2019 fürchte, rein modisch gesehen natürlich. Der Grund dafür ist der aktuell so ziemlich wichtigste Mode-Trend: das Fashion-Comeback der Nineties. Denn jetzt mal ehrlich, das Beste an den 90er Jahren ist doch, dass sie vorbei sind.



Rückblickend war diese Dekade modisch doch etwas zweifelhaft. Wer meint, die 80er seien schlimm gewesen, der hat wohl die 90er komplett verschlafen. Zur Erinnerung: Wir haben damals Radlerhosen getragen (wie Milli Vanilli), Buffalos (wie die Spice Girls), Tops in Kuhfell-Optik (wie Sängerin Blümchen), Spike-Frisuren (wie Björk), kitschig-opulente Versace-Prints (wie die damals aktuellen Supermodels), Mom-Jeans (wie Brenda Walsh in Beverly Hills 90210), bauchfrei (wie Gwen Stefani) oder auch mal schwarze Vinylhosen zu grünen Westen, die wie Kunstrasen aussahen (wie eigentlich jeder, der damals bei einem Rave war).

Dagegen waren die 80er ja bitteschön Avantgarde.

Ich, damals schon ganz die echte Fashionista, sah folgendermassen aus: Rosa T-Shirt, natürlich bauchfrei, auf dem »Johnson’s Baby Power« stand, kombiniert mit einem silbernen Minirock in A-Linien-Form, dazu abwechselnd Plateau-Sneaker oder Plateau-Pumps, die jenen von Minnie Mouse nicht ganz unähnlich waren. Rückblickend nicht gerade eine Sternstunde der Eleganz.

Gut, ich war jung und brauchte den Look. Die Frage ist nun, brauche ich ihn heute auch noch? Als Fashion-Victim muss man da abwägen. Einerseits bin ich zu alt, um die Mode von damals zu wiederholen. Andererseits bin ich aber zu jung, um mein Dasein in Blazer und Perlenohrringen zu fristen.

Was also tun?

Ich ziehe im Moment ernsthaft in Erwägung, mein nächstes Meeting in Buffalos zu bestreiten. Einfach aus Prinzip. Professionelles Auftreten und der Sinn für Mode sollten sich ja bitte nicht ausschliessen. Warum sollte man nicht seriös über Daten-Analysen diskutieren können, nur weil das Schuhwerk untenrum etwas üppiger ausfällt?



Ich schätze aber mal, dass es demnächst sowieso einen Ausweg aus meinem Dilemma gibt. Trends kommen und gehen heute so schnell, da ist der Hype wohl schon wieder vorbei, bis ich meine verstaubten Buffalos auf dem Dachboden gefunden habe.

An jedem Freitagmorgen gibt es hier eine Autoren-Kolumne – abwechselnd zu den Themen Mode, Digitales Leben, Essen und Muttersein. Heute: Mode.

Julia Wagner besuchte als Chefredaktorin von miss und später als Leiterin von Stylebook.de alle wichtigen Fashionweeks dieser Welt. Jetzt pendelt sie als Freelancerin ständig zwischen Berlin, Zürich und Wien – und trägt fast nur noch Hipster-Look: Sneaker, Jeans & Rucksack. Das liegt vor allem daran, dass die Haute Couture nicht ins Handgepäck passt.

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