«Unverschämte Einzelne» Erdogan droht nach Eid auf «demokratische Türkei» mit «Säuberungen»

dpa

8.9.2024 - 22:54

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Archivbild: Francisco Seco/AP

Das türkische Militär präsentiert sich unter Absolventen als Hüter der säkularen Verfassung. Der islamisch-konservative Staatschef fühlt sich provoziert.

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Verantwortlichen für einen Eid von Militärabsolventen auf eine säkulare und demokratische Türkei mit Rauswurf gedroht.
  • Bei der Vereidigung hatte die 960 Absolventinnen und Absolventen zunächst die offizielle Eidesformel nachgesprochen.
  • Videos zeigten jedoch, wie etwa 400 von ihnen einige Stunden später auf freiem Feld ihre Säbel zückten und riefen: «Wir sind die Soldaten Mustafa Kemals.»

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Verantwortlichen für einen Eid von Militärabsolventen auf eine säkulare und demokratische Türkei mit Rauswurf gedroht. Das Militär werde von den wenigen «unverschämten Einzelnen gesäubert», die hinter den Vorgängen am 30. August steckten, sagte Erdogan am Wochenende auf einer Konferenz islamischer Schulen in Kocaeli. «Wer auch immer sie sind, sie können nicht Teil unseres Militärs sein», sagte er.

Bei der Vereidigung hatte die 960 Absolventinnen und Absolventen zunächst die offizielle Eidesformel nachgesprochen. Videos zeigten jedoch, wie etwa 400 von ihnen einige Stunden später auf freiem Feld ihre Säbel zückten und riefen: «Wir sind die Soldaten Mustafa Kemals.» Mustafa Kemal Atatürk (1881 bis 1938) war der Gründer der modernen säkularen Türkei. Abschlussrednerin Ebru Eroglu führte die Gruppe dann zum Offizierseid, in dem die Beteiligten schworen, «eine säkulare, demokratische Türkei» zu verteidigen. Dieser Eid ist 2022 von der Akademie gestrichen worden.

Schon 2016 wurde «gesäubert»

Das türkische Militär sieht sich traditionell als Garant für eine säkulare Türkei im Sinne Atatürks, was zu einer Reihe von Staatsstreichen geführt hat. Zwischen 1960 und 1980 putschte es dreimal gegen gewählte Regierungen und erzwang 1997 den Rücktritt des islamisch-konservativen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan, zu dessen Partei damals auch Erdogan gehörte. Erdogan hat als Regierungschef und Präsident viele säkulare Traditionen Atatürks abgeschafft. Ein Staatsstreich des Militärs gegen ihn scheiterte 2016. Anschliessend wurden Tausende aus den Streitkräften, der Justiz und anderen öffentlichen Ämtern entfernt.

Regierungsnahe Kommentatoren sahen in der den Vorgängen bei der Vereidigung eine mögliche Herausforderung für Erdogans Regierung. Andere lobten sie im Internet als Zeichen dafür, dass das türkische Militär unabhängig von der Regierungspartei säkular bleiben wird. Der Chef der nationalistischen MHP-Partei, Erdogans Verbündeter Devlet Bahceli, forderte eine Untersuchung.

dpa