Mega-Lawine vor 25 Jahren Als Galtür zum weissen Grab für Touristen wurde

dpa/toko

22.2.2024 - 23:52

Ein Bild der Verwüstung zeigt nach dem schweren Lawinenunglücke in Galtür am 23.02.1999. Vor 20 Jahren starben 38 Menschen, darunter zwölf Kinder, durch Lawinen im Tiroler Paznauntal.
Ein Bild der Verwüstung zeigt nach dem schweren Lawinenunglücke in Galtür am 23.02.1999. Vor 20 Jahren starben 38 Menschen, darunter zwölf Kinder, durch Lawinen im Tiroler Paznauntal.
Peter Kneffel/dpa

Sechs Wochen Schneefall: Die Alpen versanken im Februar 1999 im Schnee. In Galtür und im benachbarten Valzur kam es zur Katastrophe. Viele Urlauber starben in einer gewaltigen Lawine.

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  • Am 23. Februar jährt sich die Lawinen-Katastrophe von Galtür zum 25ten Mal.
  • 1999 wurden bei dem Lawinenunglück 38 Menschen getötet, darunter zwölf Kinder.
  • Eine gewaltige Lawine donnerte vom 2700 Meter hohen Grieskogel 1100 Höhenmeter hinab in den Ort.  120'000 bis 160'000 Tonnen Schnee machten alles nieder, was im Weg stand.
  • Auch der Weiler Valzur war betroffen. Die Häuser waren durch die  Wucht der Schneemassen zerstört und rund 100 Meter weit den Hang heruntergespült worden. Sieben Menschen starben dort.

Walter Strolz hatte im Februar 1999 gerade seinen Helikopter aufgetankt, als er einen Funkspruch mithörte. Einen Tag nach dem katastrophalen Lawinenunglück von Galtür war eine riesige Staublawine auch auf den benachbarten Weiler Valzur niedergegangen. «Kannst du noch fliegen?», wurde der damals 36-jährige Bezirksinspektor der Polizei gefragt. 

Strolz, der die Region im Westen von Tirol als Bergsteiger und Bergführer bestens kennt, traute sich. Er tastete sich im fahlen Mondlicht nur 50 Meter über dem Boden fliegend in das Unglückstal. «Es war nur noch eines der acht Häuser übrig. Davor standen verzweifelte Eltern und vermissten ihre beiden Söhne in dem Gebäude», erinnert sich Strolz 25 Jahre später. Kurzentschlossen flog Strolz 60 Retter ein, die sich mit Schaufeln zu den im Haus Vermissten durchgruben. Beide Kinder, darunter ein Vierjähriger, wurden lebend geborgen.

 Aufräumungsarbeiten in Galtür 1999.
 Aufräumungsarbeiten in Galtür 1999.
Hans Klaus Techt/APA/dpa

Häuser durch Wucht der Schneemassen zerstört

Es war die einzige gute Nachricht aus Valzur. Sieben andere Bewohner des Weilers starben. Ihre Häuser waren durch Wucht der Schneemassen zerstört und rund 100 Meter weit den Hang heruntergespült worden.  Durch das neuerliche Unglück stieg der Zahl der Menschen, die in Galtür und Valzur umkamen, auf 38. 

Am 23. Februar 1999 waren in Galtür 31 Menschen, darunter 21 deutsche Urlauber, gestorben. Insgesamt kamen zwölf Kinder unter den Schneemassen ums Leben.  Die Opfer erstickten im Schnee oder erlitten tödliche Verletzungen.

«Damals war es extrem, in der Form, dass es nicht mehr aufgehört hat zu schneien», erinnert sich der damalige Kommunikationsexperte des österreichischen Bundesheers, Thomas Schönherr, in einem Podcast der «Wiener Zeitung». Was er beschreibt, ist eine aussergewöhnliche Wetterlage. 

Tausende Touristen in der Falle

Bis Mitte Januar 1999 herrschte eher Schneemangel in den Alpen. Dann setzte – mit nur kurzzeitigen Unterbrechungen – mehrwöchiger Dauerschneefall ein, der die Schneedecke rund fünf Meter hoch auftürmte. Ein Meteorologe warnte wenige Tage vor dem Unglück im Fernsehen, dass erneut viel Neuschnee drohe, «und zwar genau dort, wo es in den letzten Tagen schon am meisten geschneit hat».

Tausende von Touristen im Paznauntal sassen in der weissen Falle. Die einzige Zufahrtsstrasse war seit Ende Januar immer wieder gesperrt worden, eine Woche vor der Lawinenkatastrophe war sie endgültig nicht mehr passierbar. Die Gäste in Galtür konnten wegen der gesperrten Pisten nicht mehr Skifahren. Sie wurden durch Belustigungen bei Laune gehalten. Am Unglückstag gab es ein Fassdaubenrennen am Dorfplatz. 

Nur wenige Minuten, nachdem die Teilnehmer und Zuschauer wieder in ihre Quartiere gegangen waren, donnerte eine gewaltige Lawine vom 2700 Meter hohen Grieskogel 1100 Höhenmeter hinab in den Ort.  120'000 bis 160'000 Tonnen Schnee machten alles nieder, was im Weg stand. Das waren nach Darstellung von Lawinenexperten 3000 bis 4000 mit Schnee beladene grosse Lastwagen, die mit Tempo 300 durch den Ort rasten.

«Extrem tragische Schicksale»

Häuser wurden zu kleinen Bruchsteinen zermalmt, andere Gebäude schwer beschädigt, Strassen und Wege tief begraben. Eltern verloren ihre Kinder, Kinder wurden zu Waisen und Halbwaisen. «Galtür war deswegen so besonders belastend für alle, weil extrem tragische Schicksale dabei herausgekommen sind», sagt die Psychologin Barbara Juen, die damals die Opfer betreut hat, im Podcast der «Wiener Zeitung». 

Da aufgrund des Wetters und der Dunkelheit nicht wie sonst üblich sofort Bergungsmannschaften eingeflogen werden konnten, waren Einheimische und Gäste eine ganze Nacht lang auf sich allein gestellt. Alle versuchten, noch Überlebende unter dem bis zu acht Meter hohen Lawinenkegel zu finden. Ein Notlazarett wurde eingerichtet, in dem die Ärzte unter den Touristen die Verletzten betreuten. Insgesamt 22 Verschüttete wurden lebend geborgen. Erst 15 Stunden nach der Katastrophe trafen die ersten Retter ein, denen sich ein Bild bot, das an ein Kriegsgebiet erinnerte. 

Es folgt die grösste Luftbrücke in der Geschichte Österreichs. 42 Helikopter aus Österreich, Deutschland, den USA und Frankreich transportierten laut späterer Bundesheer-Bilanz 18'000 Menschen – aus Galtür und dem ebenfalls eingeschneiten Ischgl. Vielen ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als sie von den grossen Helikoptern bei inzwischen bestem Wetter in Sicherheit gebracht werden.  

Massive Steinwälle schützen Galtür

Ein Vierteljahrhundert später will die Gemeinde am 23. Februar mit einem Gedenkgottesdienst in der örtlichen Kirche an die Katastrophe und die Opfer erinnern. Nach dem Unglück wurden vielerorts die Vorkehrungen zum Lawinenschutz verstärkt.  Galtür selbst wird bereits seit der Jahrtausendwende unter anderem von zwei massiven Steinwällen geschützt. 

Strolz ist immer noch im Rettungseinsatz, kümmert sich als Helikopterpilot bei der Polizei in Tirol um Wanderer und Bergsteiger in Not, hilft bei der Suche nach Vermissten und muss manchmal auch Tote aus den Alpen bergen. An die Katastrophe von damals wird er hin und wieder in schöner Weise erinnert: Dann trinkt er einen Kaffee mit dem heute 29-Jährigen aus Valzur, dem er damals mit seinem wagemutigen Flug das Leben gerettet hat.