Late Night USA Vertrottelte Jungfern, die gaaaanz gewiss nicht in Harvard waren

Von Philipp Dahm

6.12.2019

Impeachment-Dämmerung: Nancy Pelosi, eine Ankündigung und viel US-Pathos.
Impeachment-Dämmerung: Nancy Pelosi, eine Ankündigung und viel US-Pathos.

Müssen wir Angst haben, dass amerikanische Kinder in den Jus-Untiefen von Harvard und Stanford zu Monstern werden? Und was hat das mit Christoph Waltz und Wahlkabinen zu tun? Die Aufklärung erfolgt hier.

Auftritt der Demokratin Nany Pelosi, die sagt, man werde das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump einleiten.

«Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott», ringt «Daily Show»-Gastgeber Trevor Noah um Fassung. «Sie haben endlich um ein Impeachment angehalten. Naja, als sie diesen Sitzungsraum reserviert hatten, habe ich mir das schon gedacht, aber weiss es ja nie sicher, bis es wirklich passiert … Oh mein Gott, ich freue mich ja so für euch, ihr Lieben.»

Gut, im Englischen funktioniert das Wortspiel besser, wo «propose» sowohl «vorschlagen» als auch «einen Antrag machen» heisst. Vor Pelosis Ankündigung, man werde das Impeachment-Verfahren weiterziehen, hatten drei Sachverständige ihren grossen Auftritt: Die drei Jus-Experten sind laut Noahzu zum Ergebnis gekommen, dass für «DJT» nun «GTFO» ansteht – Donald J. Trump, get the fuck out.

Ab Minute 1.12 sehen wir die Bilder dazu: Harvard-Professor Noah Feldman, Stanford-Professorin Pamela Karlan und Michael Gerhardt waren sich einig darin, dass der Grund für ein Impeachment gegeben ist. Letzterer sagte gar: «Wenn es dafür kein Amtsenthebungsverfahren gibt, kann überhaupt niemand des Amtes enthoben werden.»

Trevor Noah und die drei Rechtsexperten, die im Kongress ausgesagt haben.
Trevor Noah und die drei Rechtsexperten, die im Kongress ausgesagt haben.

Was sich für uns wie ein starkes Verdikt anhört, dürfte von Trump ganz anders aufgefasst werden, spekuliert Noah – und äfft Trump nach: «Yeah, niemand kann des Amtes enthoben werden. Ich kann alles machen! Seht her, ich laufen mit Scheren in den Händen rum … Lalala, oh, die Scheren haben mich gestochen, der Staat im Staate ist schuld.»

Wehe, wenn er losgelassen – bis einer weint.
Wehe, wenn er losgelassen – bis einer weint.

Die Republikaner glauben jedoch, dass das Trio «Trump-Hatorade» getrunken hat, wie es der Moderator ausdrückt: Sie würden den US-Präsidenten nicht mögen, suggeriert die Partei.

Ab Minute 2.33 werden wir dann auch Zeuge, wie die Rechtsgelehrten gefragt werden, ob sie 2016 für Trump gestimmt hätten. Da auch in den USA Wahlen geheim sind, müssen die drei darauf nicht antworten – und auch nicht auf die Frage, ob sie Trumps Kandidatur unterstützt haben.

Trevor Noahs starkes Fazit: «Können wir uns einfach mal darauf einigen, dass niemand in einer Machtposition andere fragen darf, für wen sie gestimmt haben? Das passt nicht zu einer gesunden Demokratie. Es gibt einen Grund für den Vorhang an der Wahlkabine: dass man im Geheimen seine Stimme abgibt und danach duschen kann.»

Duschkabine der Wahl.
Duschkabine der Wahl.

Die Fragerei erinnere ihn an Verhörszenen mit Schauspieler Christoph Waltz – vor allem aus dem Film «Inglourious Basterds», in dem er einen subtilen Nazi mimt. Noah macht das ab Minute 3.22 hervorragend nach.

Na? Wen habt Ihr denn gewählt?? Wir sind doch unter uns, mir könnt Ihr's doch sagen!
Na? Wen habt Ihr denn gewählt?? Wir sind doch unter uns, mir könnt Ihr's doch sagen!

Weil aber der Versuch, die Professoren als voreingenommen dazustellen, scheiterte, haben sich die Republikaner darauf verlegt, deren Qualifikationen in Frage zu stellen. Louie Gohmert versteigt sich dabei zur Aussage: «Mamas, wenn Ihr Amerika liebt, lasst eure Babys nicht aufwachsen, damit sie nachher Jus in Standford oder Harvard studieren.»

«Das ist ein verrückter Dreh», sagt Trevor Noah grinsend. «Ich stelle mir vor, wie im Süden gerade eine Mutter den Brief mit der Harvard-Annahme findet, den die Tochter unter dem Bett versteckt hat. Sie ist entsetzt:

‹Was ist das, Mary-Lou? Ist das etwa eine Annahme für Harvard???›
‹Mama, mich weiss, Ihr wollt, dass ich nach Princeton gehe, aber das ist mein Traum. Was macht das Leben für einen Sinn, wenn ich nicht in dieses süsse [Institut] gehen kann?›
‹Wie kannst du das deiner Mutter nur antun? Was verheimlichst du noch vor mir??›
‹Nun, Mama, ich bin auch lesbisch.›
‹Mir doch egal, ob du lesbisch bist. Liebe ist Liebe. Du kannst lieben, wen du willst, solange die Person nicht in Harvard war.›»

Drama, Drama, Drama: Louie Gohmert warnt vor Harvard und Stanford.
Drama, Drama, Drama: Louie Gohmert warnt vor Harvard und Stanford.

Tatsächlich sei die Anhörung recht normal gewesen, findet Noah. Der Punkt, der am meisten zu reden gegeben hätte, sei ein Witz von einem der Wissenschaftler gewesen, der nach hinten losgegangen sei. Pamela Karlan wollte verdeutlichen, dass der Präsident nicht dieselben Rechte habe wie ein König.

«Der Präsident kann seinen Sohn zwar Baron nennen, aber nicht zum Baron machen.» Nachdem Republikaner motzten, dass würde sie «fies» aussehen lassen, entschuldigte sich die Professorin tatsächlich.

Und hier sehen wir ein Familiendrama im Bild, wenn man es mit Trevor Noah nimmt.
Und hier sehen wir ein Familiendrama im Bild, wenn man es mit Trevor Noah nimmt.

Nein, Professorin, was haben Sie getan?», wird Trevor Noah ernst. «Sie wurden für ihre juritische Expertise geholt, nicht um Witze zu machen. Das C beim [Debattensender] C-Span steht nicht für ‹Comedy›, sondern für ‹Christus, ist das langweilig›. Ich glaube ja nicht mal, dass sie es bös’ gemeint hat. Nur mal als Regel: Zieht Trumps minderjährigen Sohn nicht in die Politik hinein – insbesondere, wenn es diese beiden vertrottelten Jungfern gibt, über die man herziehen kann.»

Bilder des Tages

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50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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