Attentat auf Shinzo AbeTäter soll aus Hass auf religiöse Gruppe gehandelt haben – Leiche überführt
SDA
9.7.2022 - 06:33
Weltweit Entsetzen nach tödlichem Attentat auf Abe
Der Tod von Japans früherem Regierungschef Shinzo Abe durch ein Attentat hat weltweit für Entsetzen gesorgt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf Twitter, das tödliche Attentat mache ihn «fassungslos und tief traurig».
08.07.2022
Nach dem Attentat auf Japans Ex-Premier Abe gibt es Hinweise auf das Motiv des Täters. Es gehe um die Mun-Sekte, zu der Abe Verbindungen gehabt habe. Derweil wurde die Leiche des Opfers nach Tokio überführt.
Keystone-SDA
09.07.2022, 06:33
09.07.2022, 15:19
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Der Attentäter des früheren japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe soll ursprünglich den Anführer einer religiösen Gruppe zum Ziel gehabt haben. Das habe der am Vortag festgenommene 41-jährige Japaner beim Verhör ausgesagt, erfuhr die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Samstag aus Ermittlerkreisen.
Der Mann hatte am Vortag Abe während einer Wahlkampfrede in der Stadt Nara auf offener Strasse aus drei Meter Entfernung von hinten mit einer selbstgebauten Waffe erschossen. Er sei «unzufrieden» mit Abe und habe ihn «töten» wollen, wurde er zitiert. Er hege einen Hass auf eine «bestimmte Organisation», zu der Abe Verbindungen habe.
Die von Japans Medien transportierte vage Bezeichnung «bestimmte» religiöse Organisation schürte im Internet Spekulationen, es könnte sich dabei eventuell um die umstrittene Vereinigungskirche des verstorbenen koreanischen Sektengründers San Myung Mun handeln.
Leichnam von Abe nach Tokio überführt
Die auch als Mun-Sekte bekannte Vereinigungskirche hat Mitglieder in vielen Ländern, darunter auch in Japan, und unterstützt konservative politische Anliegen. Politiker wie der frühere US-Präsident Donald Trump und Abe gelten als ihr freundlich gegenüber eingestellt. Mun, der stark anti-kommunistisch gesinnt war, hatte sie 1954 gegründet.
Wie der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NHK am Samstag aus Ermittlungskreisen erfuhr, soll der Attentäter ausgesagt haben, dass seine Mutter der «bestimmten Organisation» beigetreten sei und ihr sehr viel Geld gespendet habe, was die Familie zerrüttet habe. Das Attentat hatte in aller Welt Entsetzen ausgelöst.
Unterdessen wurde der Leichnam von Shinzo Abe einen Tag nach dem tödlichen Angriff in die Hauptstadt Tokio gebracht worden. Ein Leichenwagen verliess am Samstagmorgen (Ortszeit) das Krankenhaus, in dem der Politiker mit Schusswunden behandelt und später für tot erklärt worden war, in Begleitung von Abes Frau Akie.
Später traf der Wagen vor ihrem Wohnsitz in Tokio ein, wie der Fernsehsender NHK berichtete. Regierungschef Fumio Kishida stattete der Witwe einen Kondolenzbesuch ab. Derweil legten auch am Tag nach dem Attentat viele Menschen am Tatort Blumen nieder und beteten für Abes Seele.
Wahlkampf von tödlichem Angriff überschattet
Japan gilt als eines der sichersten Länder der Welt und verfügt über äusserst strenge Waffengesetze. Der Mordanschlag überschattete den letzten Tag des Wahlkampfes für die Wahlen zum Oberhaus des nationalen Parlaments an diesem Sonntag. «Wir werden niemals Gewalt nachgeben», rief Regierungschef Fumio Kishida in der Präfektur Yamanashi nahe Tokio Zuhörern vom Dach eines Wahlkampfbusses zu.
Statt wie für Politiker in Japan bislang üblich in direkten physischen Kontakt mit den Bürgern zu treten, winkte er bloss mit den Händen. Auch andernorts fanden Wahlkampfauftritte unter erhöhten Sicherheitsmassnahmen statt.
Attentäter plante zunächst Sprengstoffanschlag
Der geständige Attentäter, der früher der Marine angehörte, verneinte laut Medien gegenüber den Ermittlern, aus Groll über Abes politische Überzeugungen gehandelt zu haben. Ursprünglich habe er es auch gar nicht auf den rechtskonservativen Politiker abgesehen gehabt, sondern auf einen Anführer der religiösen Gruppe.
Wie der Fernsehsender NHK berichtete, soll er einen Anschlag zunächst mit Sprengstoff geplant haben, sich dann aber für den Bau einer Schusswaffe entschieden haben. In seiner Wohnung stellte die Polizei Sprengstoff und selbstgebastelte Schusswaffen sicher. Bereits zuvor sei er nach eigenen Aussagen zu anderen Wahlkampfauftritten von Abe gegangen. Möglicherweise habe er auf eine günstige Gelegenheit gewartet, Abe anzugreifen, hiess es.
Beileidsbekundungen aus aller Welt
Das Attentat warf unterdessen Fragen auf, wieso das Sicherheitspersonal vor Ort den Anschlag mit einer selbstgebauten Schusswaffe nicht verhindern konnte. «Ich glaube nicht, dass es in Japan mit seinen strengen Waffengesetzen genügend Vorsichtsmassnahmen für Schusswaffen gibt», wurde ein Experte für Personenschutz von der japanischen Zeitung «Nikkei» am Samstag zitiert. Die Nationale Polizeibehörde will laut Medienberichten nun ihr Sicherheitsprotokoll für prominente Persönlichkeiten auf Mängel hin überprüfen.
Laut NHK ist am Montag eine Totenwache für Abe und am folgenden Tag die Bestattung im Kreise engster Angehöriger vorgesehen. Derweil trafen aus dem Ausland weitere Beileidsbekundungen ein, darunter auch von Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Indien ordnete am Samstag einen Trauertag in Gedenken an Abe an, im ganzen Land wehten die Nationalflaggen auf halbmast.
Auch der Premierminister Australiens, Anthony Albanese, ordnete für den Tag der Bestattung von Abe an, die Flaggen auf halbmast zu setzen. In Melbourne sollten am Samstagabend Ortszeit Gebäude in den japanischen Landesfarben rot-weiss erleuchten. Ähnliches ist für die berühmte Sydney-Oper am Sonntag vorgesehen.