Fragen und Antworten AfD-Schock zum Start der SPD-GroKo-Wahl

DPA

20.2.2018

GroKo oder NoGroKo in Deutschland? Die SPD-Mitglieder gehen in diesen Tagen zum Briefkasten und schicken wichtige Post nach Berlin. Angela Merkel kann nur im Kanzleramt sitzen und hoffen. Beflügelnd für ein Ja zur Koalition könnte ausgerechnet der dramatische Zustand der SPD sein.

Der neue Schock kommt per Umfrage. Erstmals liegt die AfD (16 Prozent) vor der SPD (15,5), hat eine Erhebung des Insa-Instituts für die «Bild»-Zeitung ergeben.

Doch ausgerechnet dies könnte so manches Mitglied dazu verleiten, schweren Herzens in den nächsten Tagen doch das Kreuz für ein Ja zur GroKo zu machen.

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel jubelt: «Wir sind Volkspartei!». Als Volkspartei sah sich jahrzehntelang die SPD. Die mögliche Koalition, die Neuaufstellung und Erneuerung, all das wird entscheidend sein, ob der AfD-Erfolg nur eine Momentaufnahme sein wird. 2013 war alles ganz anders. Euphorisch, weil der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin Leuchtturmprojekte wie 8,50 Euro Mindestlohn abgetrotzt hatte, stimmten 75,96 Prozent der Mitglieder dem Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU zu. Auch jetzt muss Angela Merkel im Kanzleramt wieder zusehen, wie ihre Macht vom Votum der «Roten», von der SPD, abhängt.

Das Herz von weit mehr Genossen als 2013 spricht gegen die GroKo - aber da ist auch das Gespenst AfD. Die SPD wollte in die Opposition, nach dem Absturz bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent. Dann scheiterte Merkel mit der Bildung eines Jamaika-Bündnisses. Die SPD geriet in den Groko-Wirren in schwere See, verlor Parteichef Martin Schulz. Und es gibt eine grosse «Nein»-Kampagne. Juso-Chef Kevin Kühnert warnt davor, mit Angstszenarien ein Ja erzwingen zu wollen: «Eine Partei, die Angst vor Neuwahlen hat, kann den Laden zumachen. Wir müssen selbstbewusster auftreten.»

Wie läuft das SPD-Mitgliedervotum ab?

Es startet offiziell am Dienstag, dann soll auch das letzte Mitglied die Unterlagen im Briefkasten haben, viele haben sie bereits. Die Abstimmung dauert bis zum 2. März, 24 Uhr. Es muss auch eine eidesstattliche Erklärung beigelegt werden. Briefe, die später im Postfach des Vorstands eingehen, können nicht berücksichtigt werden. Stimmberechtigt sind 463 723 SPD-Mitglieder. Der Stichtag für den Parteieintritt, um noch abstimmen zu dürfen, war der 6. Februar.

Was kostet das Ganze?

Die Kosten belaufen sich nach SPD-Angaben auf umgerechnet  über 1,7 Millionen Franken. Die SPD hat durch die schwierige Regierungsbildung hohe Kosten zu verkraften, unter anderem durch den Sonderparteitag, der grünes Licht geben musste, um überhaupt mit der Union zu verhandeln. Hinzu kommt wegen des schlechten Wahlergebnisses weniger Geld aus der Parteienfinanzierung. Allein der Sonderparteitag und das Votum kosten die SPD umgerechnet rund 2,9 Millionen Franken extra. 

Wann wird das Ergebnis verkündet?

Am Sonntag, den 4. März, wahrscheinlich am frühen Nachmittag. Das Ergebnis für Annahme oder Ablehnung der Koalition ist bindend, wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder abstimmen. Der 45-köpfige Parteivorstand kann sich nicht über das Ergebnis hinwegsetzen.

Darf eine Partei über die nächste Regierung bestimmen?

Wie schon 2013 hat das Bundesverfassungsgericht Eilanträge abgelehnt, dass das Votum nicht mit dem Prinzip der Freiheit der Abgeordneten und den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie vereinbar sei. Dabei wird argumentiert, dass ein solches Votum der Mitglieder die frei gewählten Bundestagsabgeordneten binde. Aber es wird ja hier nicht direkt über ein Regierungshandeln oder die Zusammensetzung einer Regierung entschieden, sondern nur, ob eine Partei sich daran beteiligen will. So meint die Landeschefin von Baden-Württemberg, Leni Breymaier, mit Blick auf FDP-Chef Christian Lindner: «So was entscheidet in der FDP ein Mann alleine». Bei der CDU werden nicht alle Mitglieder entscheiden, sondern ein Parteitag am 26. Februar.

Kann es zur Ablehnung und einer möglichen Neuwahl kommen?

Nach den Chaos-Tagen bei der SPD schlägt das Pendel eher Richtung GroKo aus. «Ich bin zuversichtlich: Am Ende wird es ein Ja geben», sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil. Ein Kenner der Parteiseele tippt auf ein Ergebnis von 60:40. Aber es ist keine Zustimmung mit dem Herzen, sondern nur aus kühler Ratio. Kanzlerin Merkel könnte dann in der ersten März-Hälfte wiedergewählt werden.

Und wenn es schief geht?

Die längste Regierungsbildung der Bundesrepublik wird in jedem Fall auch noch die 160-Tages-Schwelle reissen, also fast ein halbes Jahr. Sagt die Basis Nein, könnte Merkel als letzte Option versuchen, ohne feste Mehrheit zu regieren und sich für Auslandseinsätze oder den Haushalt unterschiedliche Partner für eine Mehrheit zu suchen - aber sie könnte jederzeit durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden.

Kann es bei einem SPD-Nein sofort eine Neuwahl geben?

Nein. Der Weg dahin ist schwierig, der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier müsste erst jemanden zur Kanzlerwahl im Bundestag vorschlagen. Es würde mangels Koalition keine absolute Mehrheit etwa für Merkel geben - im dritten Wahlgang würde die relative Mehrheit reichen. Steinmeier müsste dann entscheiden, ob er sie zur Kanzlerin einer Minderheitsregierung ernennt; oder ob er den Deutschen Bundestag auflöst. Dann müsste binnen 60 Tagen neu gewählt werden.

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