Acht Jahre eingesperrt Als ihr Leid begann: Vor 20 Jahren wurde Natascha Kampusch entführt

dpa / AFP / tsch

1.3.2018

Vor 20 Jahren wurde die damals zehnjährige Natascha Kampusch vom arbeitslosen Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil in Wien entführt. Acht Jahre lang hielt er sie gefangen. Auch wenn die Freiheit nicht immer einfach war: Heute blickt die 30-Jährige optimistisch in die Zukunft. 

2006 konnte sich Natascha Kampusch aus dem Kellerverlies befreien, in der sie ihr Peiniger Wolfgang Priklopil acht Jahre lang gefangengehalten hatte.  Doch die Freiheit war für Kampusch nicht immer einfach: «Ich hatte ja nix, worauf ich aufbauen konnte, keine Sozialisierung mit anderen jungen Leuten, mit den Gleichaltrigen», sagte sie 2016, zehn Jahre nach ihrer Befreiung im Gespräch mit der Agentur AFP.

Priklopil hatte sie 1998 als Zehnjährige auf dem Schulweg gekidnappt und acht Jahre lang festgehalten - am Tag ihrer Flucht beging ihr Peiniger Selbstmord. Trotz ihres achtjährigen Martyriums schlug Kampusch seit ihrer Flucht auch immer wieder Hass und Missgunst entgegen. Sie wurde beschimpft, erhielt verstörende Mails, einmal griff eine alte Frau sie auf der Strasse an.

Anfangs hätten diese Angriffe sie wütend und fassungslos gemacht, aber inzwischen habe sie «festgestellt, dass man mit Gleichmut viel mehr erreichen kann für sich selbst», sagte die Wienerin. «Diese Menschen werden sich nicht ändern, egal, wie meine Haltung zu ihnen ist.»

Seit 2006 versucht Kampusch, in ein normales Leben zu finden. Sie beendete ihre Schule, reiste, lernte Sprachen, suchte nach Aufgaben, einem Beruf. Unter anderem finanzierte sie ein Kinderkrankenhaus in Sri Lanka und arbeitete mit Flüchtlingen. Am allerliebsten aber beschäftigt sie sich mit den Sternen. Sie habe die astrologischen Konstellation der Queen mit ihren eigenen verglichen, sagt sie und lacht: «Wir passen gut zusammen».

Kein Leiden mehr an den Folgen

Unter den Folgen der Gefangenschaft leidet sie nach eigenen Worten kaum mehr. «Es ist mehr so ein Gefühl, wie es vielleicht Opfer eines Bankraubs oder eines Lawinenunglücks haben. Ich kann es rationalisieren und so verhindern, dass es sich in meine Lebens-Gegenwart hineinfrisst», meinte sie anlässlich ihres 30. Geburtstages Mitte Februar im Gespräch mit der dpa. Wahr bleibe aber auch, dass sie viele Erfahrungen in der Pubertät nicht habe machen dürfen. «Eigentlich ist die Pubertät eine Zeit, in der man sich ausprobieren und ohne Konsequenzen orientieren kann. Das vermisse ich schon.»

Nach dem Start ihrer ersten Schmuck-Kollektion im vergangenen Herbst gebe es jedenfalls genügend Pläne für weitere Projekte. «Es ist mir wichtig, mich für andere Menschen zu engagieren.» Details will sie noch nicht verraten. Vielleicht werde sie auch ihre einst begonnene Goldschmiedelehre beenden.

Kampusch lebt in Wien - und ist über ihre eigene Bodenständigkeit überrascht. «Ich hätte gedacht, dass ich reiselustiger bin oder gar auswandern werde.» Wenn sie auf Reisen sei, fühle sie sich an den allermeisten Orten sofort sehr wohl. Besonders gut habe ihr Berlin gefallen. «Das war wie ein Heimkommen. Ich bin richtig verliebt in die Stadt.»

In Wien passiere ihr es öfter, dass sie Menschen um ein Selfie bäten. Ihr Gesicht ist auch wegen des Covers ihres 2016 erschienenen Buchs über die zehn Jahre nach der Gefangenschaft vielen vertraut. «Es sind vor allem Menschen aus Asien, Südamerika und Deutschland, die mich ansprechen.» Nicht in jedem Fall sei ihr das recht. Ohnehin möchte sie ihre Privatsphäre schützen und beispielsweise nicht sagen, ob sie mittlerweile einen Partner hat.

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite