Stichwahl um Präsidentenamt in Argentinien – Duell der Wirtschaftssysteme
STORY: In Argentinien hat am Sonntag die Stichwahl um das Präsidentenamt begonnen. Das Votum gilt als richtungsweisend für das südamerikanische Land, das in einer tiefen Dauerkrise steckt. Die beiden Kandidaten, der libertäre Ökonom Javier Milei und der linksgerichtete Wirtschaftsminister Sergio Massa, stehen für komplett gegensätzliche Wirtschaftssysteme. Der 53-jährige Milei ist mit dem Plan für eine Schocktherapie ins Rennen gegangen: Er will die argentinische Zentralbank schliessen, die Landeswährung Peso abschaffen und den Dollar einführen. Der 51-jährige Massa hingegen will die Staatsschulden in den Griff bekommen und die Reserven der Notenbank stärken. Massa erzielte bei der ersten Wahlrunde im Oktober mit 36,7 Prozent mehr Stimmen als Milei mit 30 Prozent, der aber in Umfragen nun leicht in Führung liegt. Allerdings sind viele Wählerinnen und Wähler unentschlossen oder wollen den Urnen ohnehin fernbleiben. Eine Inflation im dreistelligen Prozentbereich und eine wachsende Armut haben viele Menschen mürbe gemacht. Die Wahllokale schliessen um 18 Uhr Ortszeit, was 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit entspricht. Die ersten offiziellen Ergebnisse werden einige Stunden später erwartet.
20.11.2023
Argentinien steht vor einer Zeitenwende: In der Stichwahl um das höchste Staatsamt setzt sich der selbsterklärte Anarcho-Kapitalist Javier Milei durch. Er will die Kettensäge an den Staatsapparat und das Establishment anlegen.
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- Der Rechtspopulist Javier Milei wird der neue Präsident Argentiniens. In der Stichwahl setzte sich der Abgeordnete am Sonntag gegen den Regierungskandidaten und Wirtschaftsminister Sergio Massa durch.
- Der Unterlegene räumte seine Niederlage am Abend noch vor der Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse ein.
- Argentinien steht vor einer Zeitenwende: Milei hat in einem hitzigen Wahlkampf einen radikalen Umbau des Staatsapparats in dem von wachsender Armut und galoppierender Inflation geplagten Land angekündigt.
Der Rechtspopulist Javier Milei wird der neue Präsident Argentiniens. In der Stichwahl setzte sich der Abgeordnete am Sonntag gegen den Regierungskandidaten und Wirtschaftsminister Sergio Massa durch. Der Unterlegene räumte seine Niederlage am Abend noch vor der Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse ein. Argentinien steht vor einer Zeitenwende: Milei hat in einem hitzigen Wahlkampf einen radikalen Umbau des Staatsapparats in dem von wachsender Armut und galoppierender Inflation geplagten Land angekündigt.
In der ersten Runde der Präsidentenwahl Ende Oktober hatte Massa entgegen den Umfragen noch die meisten Stimmen erhalten, obwohl der Unmut in der Bevölkerung über die desolate Wirtschaftslage gewaltig ist. Weil der Minister aus den Reihen der seit Jahren regierenden Peronisten die absolute Mehrheit verfehlt hatte, wurde die Stichwahl am Sonntag nötig.
Im zweiten Wahlgang siegte Milei deutlich. Nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen kam der Rechtspopulist auf rund 56 Prozent der Stimmen, Messa auf etwa 44 Prozent, wie die Wahlbehörde mitteilte. Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, wäre der Vorsprung für den Sieger grösser, als es alle Umfragen prognostiziert hatten – und es wäre der grösste Abstand zwischen einem Wahlgewinner und Verlierer seit Argentiniens Rückkehr zur Demokratie 1983.
Javier Milei ist der neue Präsident Argentiniens.
Sergio Massa gesteht seine Niederlage gegen den Oppositionskandidaten Milei bei der Stichwahl um das Präsidentenamt ein.
Präsidentschaftskandidat Javier Milei gibt in einem Wahllokal in Buenos Aires seine Stimme ab.
Anhänger des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Milei feiern nach Schliessung der Wahllokale.
Anhänger von Wirtschaftsminister Massa hören sich nach Schliessung der Wahllokale die ersten Ergebnisse der Stichwahlen an.
Argentinien: «Anarchokapitalist» Milei ist neuer Präsident - Gallery
Javier Milei ist der neue Präsident Argentiniens.
Sergio Massa gesteht seine Niederlage gegen den Oppositionskandidaten Milei bei der Stichwahl um das Präsidentenamt ein.
Präsidentschaftskandidat Javier Milei gibt in einem Wahllokal in Buenos Aires seine Stimme ab.
Anhänger des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Milei feiern nach Schliessung der Wahllokale.
Anhänger von Wirtschaftsminister Massa hören sich nach Schliessung der Wahllokale die ersten Ergebnisse der Stichwahlen an.
Etablierte Parteien schockiert
Auf den Strassen von Buenos Aires zelebrierten Anhänger Mileis am Abend seinen Wahlsieg. Autofahrer hupten, zahlreiche Bewohner von Stadtvierteln strömten ins Freie, um zu feiern. In seiner Siegesrede rief Milei vor Unterstützern, dass der «Wiederaubau Argentiniens heute beginnt.» Der Zustand des Landes sei kritisch, es brauche drastische Veränderungen. «Es gibt keinen Raum für Gradualismus, keinen Raum für lauwarme Massnahmen», betonte Milei.
Massa räumte zuvor in seiner Rede ein, dass seine Landsleute «einen anderen Pfad gewählt» hätten. «Von morgen an obliegt es dem neuen Präsidenten, die politischen, sozialen und ökonomischen Funktionen zu gewährleisten», erklärte er.
Milei ist Mitbegründer und Chef des Bündnisses La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran). Der libertäre Rechtspopulist war aus den Vorwahlen im August als Sieger hervorgegangen und hatte damit die etablierten Parteien schockiert. Der Bewunderer des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und selbsterklärte Anarcho-Kapitalist will die argentinische Zentralbank abschaffen, die Staatsausgaben drastisch reduzieren und die Zahl der Ministerien halbieren.
Umfassender Umbau des Regierungsapparats
Der Regierungsapparat müsse umfassend umgebaut werden, um die stete wirtschaftliche Talfahrt des Landes aufzuhalten, erklärte Milei. Er bezeichnete Massa zudem als Beispiel für eine «politische Kaste», die sich auf Kosten des Volkes bereichert habe.
Massa, einer der prominentesten Vertreter der zutiefst unpopulären peronistischen Regierung, hatte im Wahlkampf vor den politischen Vorhaben seines libertären Kontrahenten gewarnt. Mileis Plan, wichtige Ministerien abzuschaffen und den Staat stark zu beschneiden, würde das Gesundheits- und Bildungswesen in Gefahr bringen, hatte Massa erklärt. Dazu gehören auch die Sozialprogramme, von denen viele Menschen abhängig sind. Massa stellte auch den psychischen Zustand seines Rivalen infrage. Vor dem ersten Wahlgang trat Milei zur Veranschaulichung seiner politischen Angriffslust mitunter mit einer heulenden Kettensäge in der Hand vor seine Anhänger.
Milei hatte Massa und dessen Verbündeten hingegen beschuldigt, eine «Kampagne der Angst» zu fahren. Er nahm einige seiner umstrittensten Vorschläge zurück, etwa die Lockerung der Waffengesetze. In seinem letzten Wahlkampfspot blickte Milei in die Kamera und versicherte den Wählern zudem, dass er keine Pläne zur Privatisierung des Bildungs- oder Gesundheitswesens habe.
Trump gratuliert
«Dies ist ein Triumph, der weniger Milei und dessen Eigenheiten und Besonderheiten geschuldet ist, sondern vielmehr der Forderung nach Wandel», sagte Lucas Romero, Chef der Politikberatungsfirma Synopsis, über den Erfolg des Rechtspopulisten. «Was an den Urnen zum Ausdruck kam, ist der Überdruss, die Müdigkeit, die Proteststimme der Mehrheit der Argentinier.»
Donald Trump gratulierte Javier Milei zu dessen Sieg. «Die ganze Welt hat zugeschaut! Ich bin sehr stolz auf Sie. Sie werden Ihr Land umkrempeln und Argentinien wirklich wieder grossartig machen!», schrieb Trump in der Nacht zum Montag in dem von ihm mitbegründeten sozialen Netzwerk Truth Social. Damit spielte Trump auf sein eigenes Wahlkampfmotto, «Macht Amerika wieder grossartig», an.