Genugtuung auf Türkisch Ankara benennt Weg zur US-Botschaft in «Malcolm X Strasse» um

phi

18.10.2018

Recep Tayyip Erdoğan mit Ehefrau Emine im November 2012 in Kairo.
Recep Tayyip Erdoğan mit Ehefrau Emine im November 2012 in Kairo.
Keystone

Den Hahnenkampf mit Donald Trump hat Recep Erdoğan vielleicht verloren, aber hinter dem Rücken des Ringrichters tritt er quasi bei der Siegerehrung nochmal nach – und das nicht zum ersten Mal.

Recep Tayyip Erdoğan liebt die grosse Geste. Der türkische Präsident läuft auf Massenveranstaltungen zu Hochform auf, redet dann gern markig und verkauft sich als unbeugsamer Wahrer von Islam und Osmanentum. Und selbst wenn er den Kürzeren zieht, gibt er nicht klein bei, wie die Unbenennung einer Strasse in Ankara in «Malcolm X Caddesi» beweist. Doch der Reihe nach.

Grosse Geste? Ich???
Grosse Geste? Ich???
Keystone

Donald Trump ist als Sparringspartner für den starken Mann vom Bospours eine Nummer zu gross, wie die letzten Wochen gezeigt haben: Im Streit um den US-Pfarrer Andrew Brunson muss die Türkei klein beigeben – die Anklage ist in sich zusammengefallen. Zuvor hatte Erdoğan vergeblich versucht, US-Sanktionen zu kontern, die Vermögen zweier US-Minister in der Türkei einzufrieren (die es wohl nie gab) oder zu drohen, Ankara würde sich neue militärische Partner suchen.

Drohen? Kann Erdoğan:

«Wir gehen bei der Justiz keine Konzessionen ein und werden auch niemals welche machen», tönt der türkische Präsident noch Anfang August. Religiösen Populismus bedient er «BBC» zufolge mit dem Satz: «Sie haben den Dollar, wir haben Allah.» Gott ist augenscheinlich aber nicht mit Erdoğan: Die Lira stürzt ab, das Verhältnis zu den USA leidet und Brunson kommt frei, aber der Erdoğan-Erzfeind Fetullah Gülen nicht in die gewünschte US-Auslieferungshaft.

Malcolm X' «Name wird leben in Ankara»

Weil sich der 64-Jährige an Washington die Zähne ausbeisst, stichelt er von Ankara aus in Richtung Trump und Co. Neuestes Beispiel: Die Stadt Ankara will die Strasse im Stadtteil Çukurambar umbenennen, in die die US-Botschaft in zwei Jahren zügelt – das berichtet «Haberler». Der Weg, der noch den klingenden Namen «Strasse 1478» trägt, soll seinen neuen Namen vom Aktivisten Malcom X bekommen.

Malcolm X gibt 1964 in New York eine Pressekonferenz und 2018 in Ankara der «Malcolm X Caddesi» ihren Namen.
Malcolm X gibt 1964 in New York eine Pressekonferenz und 2018 in Ankara der «Malcolm X Caddesi» ihren Namen.
Keystone

Der kritische und nicht unumstrittene X setzte sich für die Rechte der Schwarzen in den USA ein, aber Erdoğan feiert ihn dafür, dass er Muslim war. «Sein Name wird leben in Ankara», sagt der Präsident gewohnt pathetisch. Der «Guardian» weiss, dass der AKP-Chef im September sogar nach New York geflogen ist, um medienwirksam die Tochter des Bürgerrechtlers zu treffen.

Emirate mit Osmanen-Namen verärgert

Mit Strassennamen-Neckereien hat die Türkei bereits Erfahrung. Im Dezember gibt es deswegen Krach mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, weiss «Daily Sabah». Auslöser ist ein Re-Tweet des Aussenministers Scheich Abdullah bin Zayid Al Nahyan, in dem er dem osmanischen Statthalter in Medina Kriegsverbrechen während des Ersten Weltkriegs unterstellt.

Erdoğan 2011 in Kairo.
Erdoğan 2011 in Kairo.
Keystone

Im Originaltweet eines in Deutschland lebenden Irakers heisst es: «Wussten Sie, dass der Türke Fahreddin Pasha 1916 Verbrechen an den Menschen in Medina beging, ihnen ihre Habseligkeiten nahm und sie im Zug nach Damaskus und Istabul schickte? (...) Das ist die Geschichte darüber, was Erdoğan Vorfahren den arabischen Muslimen angetan hat.»

Ömer Fahrettin Türkkan, den die Briten Fahreddin Pasha oder auch «Wüstenlöwe von Medina» nannten, war osmanischer Kommandeur der im Islam heiligen Stadt. Er wehrte erfolgreich mehrere Angriffe der von den Briten unterstützten Araber ab. Er wird auch deshalb als Held verehrt, weil er sich weigerte, Medina aufzugeben, deshalb von den eigenen Leute überwältigt wurde, den Friedensschluss 1918 kategorisch ablehnte und 1923 Mustafa Kemal Atatürk – den fast schon vergötterten «Vater aller Türken» – unterstützte.

Das Video erklärt wenig distanziert, aber anschaulich den Ersten Weltkrieg im Nahen Osten und die Rolle Fahreddin Pashas.

Sprich: Der Aussenminister der Emirate hat aus Sicht der Türken eine nationale Ikone verunglimpft. «Wo waren denn deine Vorfahren, als Fahreddin Pasha Medina verteidigt hat?», kontert der vom Aussenminister angesprochene Erdoğan laut «Bloomberg» – und lässt kurzerhand Ankara die Strassen bei der Botschaft der Emirate umtaufen: eine in «Fahreddin Paşa Sokağı» (Sokak = Strasse), die andere in «Strasse des Verteidigers von Medina» (Medina Müdafii Caddesi).

Oder so: Der Name als Bestechung

Diese Beispiele verdeutlichen, dass ein Präsident mit Namensgebung diplomatische Gräben aufreissen kann. Was Erdoğan vielleicht nicht weiss: Man kann damit auch Brücken bauen. So schlug Mitte September beispielsweise Polen vor, die USA könnten einen Stützpunkt an der russischen Grenze bauen. Und wie hat Warschau versucht, Washington für diesen heiklen Plan zu gewinnen?

Natürlich mit viel Geld: Polen wäre bereit, für diese Sicherheitsgarantie jährlich bis zu zwei Milliarden Dollar pro Jahr zu zahlen, berichtet die «New York Times». Präsident Andrej Duda appellierte aber nicht nur an Geldbörse und Gier seines Amtskollegen, sondern auch an dessen Eitelkeit: Man könnte die Basis ja «Fort Trump» nennen. Das riecht nach Bestechung – und man kann schlicht nicht ausschliessen, dass diese auch funktioniert.

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