Krisensitzung im Ministerium Auch in Deutschland gibt es Ärger bei der F-35-Beschaffung

afp/sda/toko

4.12.2022

Auf diesem von der U.S. Air Force zur Verfügung gestellten Bild fliegt ein F-35-Jet über Polen.
Auf diesem von der U.S. Air Force zur Verfügung gestellten Bild fliegt ein F-35-Jet über Polen.
Senior Airman Joseph Barron/U.S. Air Force via AP/dpa

Auch Deutschland will die F-35-Kampfjets beschaffen. Doch wie hierzulande gibt es schon im Vorfeld mächtig Ärger. Am Montag soll es nun offenbar eine Krisensitzung im Verteidigungsministerium geben.

afp/sda/toko

4.12.2022

Auf eines der teuersten Beschaffungsprojekte der deutschen Bundeswehr könnten erhebliche Mehrkosten zukommen: Das Bundesverteidigungsministerium sieht grosse Risiken bei der geplanten Beschaffung von F-35-Kampfflugzeugen in den USA. Dies geht aus einem vertraulichen Schreiben an den Haushaltsausschuss des Bundestags hervor, das der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag vorlag. Das Ministerium beziffert die Gesamtkosten des Geschäfts darin auf knapp zehn Milliarden Euro (rund 9,86 Millliarden Franken) — und warnt vor «zeitlichen Verzögerungen und Mehrkosten» wegen äusserst aufwändiger Vorbereitungsarbeiten.

Als Risikofaktoren nennt das Schreiben unter anderem den erforderlichen Umbau von Flugplätzen für die F-35, hohe Sicherheitsanforderungen des US-Verkäufers und mögliche technische Probleme bei der Zulassung der Kampfjets für den Flugbetrieb in Deutschland. Das interne Schreiben ist eingestuft als «Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch». Es liegt AFP vor. Zuerst hatte die «Bild» daraus zitiert.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums kündigte gegenüber AFP eine «enge Abstimmung» sowie «die Klärung offener Fragen» mit dem Parlament an. Eine «intensive Risikoanalyse» sei Bestandteil aller Beschaffungsprozesse und solle mögliche Probleme «frühzeitig» identifizieren.

Nach AFP-Informationen soll es am Montagnachmittag ein Krisentreffen im Verteidigungsministerium mit den Haushälterinnen und Haushältern der Regierungsfraktionen geben. Dabei sollen die Probleme bei der F-35-Beschaffung zur Sprache kommen, verlautete aus Parlamentskreisen. Am 14. Dezember soll der Ausschuss dann eine Tranche der Kosten freigeben.

Dafür hat das Bundesfinanzministerium eine vertrauliche Beschaffungsvorlage für den Ausschuss erstellt, die auf erhebliche Risiken bei dem Projekt verweist. Bei diesen Risikowarnungen bezieht sich das Finanzministerium auf Einschätzungen aus dem Bundesverteidigungsministerium.

So sei fraglich, ob der für die F-35 erforderliche Umbau des Bundeswehr-Flugplatzes Büchel wie geplant bis 2026 abgeschlossen werden könne. Dieser Zeitplan sei «höchst ambitioniert», heisst es in dem Schreiben: «Mit zeitlichen Verzögerungen und zusätzlichem Finanzbedarf bis zur Fertigstellung der Infrastruktur muss daher gerechnet werden.»

Zudem seien die Sicherheitsanforderungen der USA «aufwändig». Auch dies könne zu zeitlichen Verzögerungen und Mehrkosten führen.

Des weiteren sieht das Ministerium die Gefahr, dass die Zulassung für den Flugbetrieb der F-35 in Deutschland «nicht zeitgerecht möglich» sei, da erforderliche Unterlagen «nicht vorliegen oder auch aufgrund rechtlicher Vorgaben in Zukunft nicht zur Verfügung gestellt werden können». Der Flugbetrieb könnte dann «nur unter Einschränkungen aufgenommen werden», heisst es in der Vorlage.

Darüber hinaus weist das Verteidigungsministerium auf weitere Faktoren hin, die zu Preissteigerungen führen könnten: Inflation, Schwankungen beim Wechselkurs zwischen Euro und Dollar sowie steigende Produktionskosten. Die Gesamtkosten für den geplanten Kauf von 35 F-35-Jets beziffert es auf 9,99 Milliarden Euro. Das Geld soll aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr kommen.

In der Ampel-Koalition wächst die Sorge wegen der drohenden Verzögerungen. «Der Zeitplan für die Nachfolge des Tornados darf nicht in Gefahr geraten», sagte der FDP-Haushaltsexperte Karsten Klein der Nachrichtenagentur AFP. Er forderte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) auf, die Angelegenheit zur «Chefinnen-Sache» zu machen. «Ich erwarte von der Ministerin, dass sie mit Nachdruck alle Voraussetzungen für den zeitgerechten Einsatz der F-35 schafft.»

Der Tarnkappen-Jet des US-Herstellers Lockheed Martin gilt als modernstes Kampfflugzeug der Welt. Mit den F-35-Maschinen will die Bundeswehr ihre alternde Tornado-Flotte ersetzen. Lambrecht hatte den Kauf wenige Wochen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine angekündigt. Die Maschinen sollen auch die so genannte nukleare Teilhabe sicherstellen - die Bundeswehr soll mit ihnen im Ernstfall US-Atombomben transportieren können.

Schweiz beschafft ebenfalls F-35

Noch im Jahr 2019 hatte das Verteidigungsministerium die Anschaffung von F-35 auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hin mit Verweis auf schlecht kalkulierbare technische Risiken abgelehnt. «Die Probleme waren also seit längerem bekannt», hiess es dazu nun aus Parlamentskreisen.

Die Schweiz beschafft ihrerseits 36 Kampfflugzeuge des Typs F-35 für 6,035 Milliarden Franken. Die US-Flugzeuge sollen ab 2027 bis 2030 ausgeliefert werden und die heutige Flotte der F/A-18 Hornet und F-5 Tiger ersetzen. Das Parlament genehmigte den Verpflichtungskredit am 15. September. Das Schweizer Stimmvolk hat der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge im September 2020 knapp zugestimmt.