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Schweizer Ex-Botschafter in Moskau «Beide Parteien verlangen etwas, das die Gegenseite nicht liefern kann»
Von Gil Bieler
10.4.2022
Auch wenn es anspruchsvoll sei: Der Krieg in der Ukraine müsse mit einer Friedensordnung enden, in die auch Russland eingebunden sei – sonst werde sich das rächen, sagt Yves Rossier, ehemaliger Schweizer Botschafter in Moskau.
Herr Rossier, wann waren Sie zum letzten Mal in Moskau?
Im Dezember letzten Jahres.
Wissen Sie, wie die Stimmung in der Stadt ist?
Durch meine Kontakte vor Ort weiss ich, dass die Stimmung leider sehr düster und trüb ist.
Was berichten Ihre Bekannten Ihnen denn?
Darüber möchte ich lieber nicht mehr sagen.
Bundespräsident Ignazio Cassis fand nach den Gräueltaten in Butscha, in der Politik solle man nicht von «Kriegsverbrechen» sprechen. Wie sehen Sie das?
Zur Person
Yves Rossier war von 2016 bis Ende 2020 Schweizer Botschafter in Moskau. Zuvor war der Jurassier als Staatssekretär des Eidgenössischen Aussendepartements (EDA) tätig und hat unter anderem mit der EU über das Rahmenabkommen verhandelt. Heute ist Rossier als Berater tätig.
Was ein Kriegsverbrechen ist, ist in den Genfer Konventionen und ihren Protokollen klar festgehalten. Dazu zählen die Hinrichtung von Zivilisten oder Kriegsgefangenen, Folter, Vergewaltigung und anderes mehr. Die entscheidenden Fragen sind dann: Wurden diese Gräueltaten von einer Kriegspartei begangen? Und: Waren es Akte von Soldaten, die ausser Kontrolle gerieten, oder wurden sie von ihren Vorgesetzten geduldet, stillschweigend bewilligt oder sogar angeordnet? Dies zu klären, ist die Aufgabe der Ermittler. Wenn aber ein Soldat in einem bewaffneten Konflikt jemanden – ob Zivilist oder Kriegsgefangenen – mit einem Schuss ins Genick tötet, dann ist das definitionsgemäss ein Kriegsverbrechen.
Andere europäische Staaten haben russische Diplomaten ausgewiesen, und argumentieren mit Sicherheitsbedenken. Können Sie diese Überlegungen nachvollziehen?
Nicht jede Person, die einen diplomatischen Status geniesst, muss unbedingt als Diplomat tätig sein. Konkret sprechen wir über Spione. Es ist ein offenes Geheimnis, dass in Botschaften weltweit – auch in der Schweiz – Leute tätig sind, die für die Nachrichtendienste ihrer Länder arbeiten. Dies wird mehr oder weniger geduldet, solange sie keine Gesetze des Gastlandes brechen, um Information zu erhalten. Wer aber die Leute sind, die jetzt ausgewiesen werden, das wissen nur die betroffenen Länder und Russland selber. Es ist möglich, dass es hier tatsächlich um Spionagetätigkeit geht, oder einfach um eine Reduktion des diplomatischen Personals – oder um eine Kombination aus beidem.
Sie waren von 2016 bis 2020 Schweizer Botschafter in Moskau. Wie haben Sie Wladimir Putin in dieser Zeit erlebt?
Ich habe vielleicht drei- oder viermal mit ihm gesprochen, da erhält man natürlich keinen Einblick in die Seele eines Menschen. Aber ich habe ihn als sehr interessierten, aufmerksamen und angenehmen Gesprächspartner erlebt.
Hat der Kreml ein ernsthaftes Interesse an den Friedensverhandlungen mit der Ukraine – oder geht es nur darum, Zeit zu gewinnen, bis die eigenen Kriegsziele erreicht sind?
Die Kriegsziele der Russen sind bekannt, aber sie können niemals alle erreichen. Das wäre für die ukrainische Seite unmöglich zu akzeptieren. Die Frage ist daher: Inwiefern ist Russland zu einem Kompromiss bereit? Ein grosses Problem ist nämlich, dass beide Parteien etwas verlangen, das die Gegenseite gar nicht liefern kann.
Was meinen Sie damit?
Russland verlangt, dass die Sanktionen aufgehoben werden, wenn es ein Abkommen gibt. Doch das kann die Ukraine weder versprechen noch von den westlichen Staaten einfordern. Die Ukraine ihrerseits scheint zwar zu Neutralität bereit zu sein, fordert aber felsenfeste Sicherheitsgarantien. Denn Neutralität allein schützt nicht vor einem Angriff, das hat Belgien in den beiden Weltkriegen zweimal erleben müssen. Und militärische Sicherheitsgarantien kann nun einmal nur die Nato bieten. Ist sie dazu bereit? Und würde Russland dies akzeptieren ? Das ist das Schwierige an den Verhandlungen: Die Diskussion geht weit über die Ukraine hinaus.
«Neutralität allein schützt nicht vor einem Angriff, das musste Belgien in den beiden Weltkriegen erleben»
Sie rechnen also nicht mit einer baldigen Verhandlungslösung?
Der Krieg dauert an, und eine schnelle Einigung erscheint mir unwahrscheinlich. Aber das liegt in den Händen der ukrainischen und russischen Delegationen, die in der Türkei miteinander verhandeln.
Bei diesen Verhandlungen sitzt auch Sergej Lawrow mit am Tisch: Wie haben Sie ihn als Verhandlungspartner erlebt?
Herr Lawrow ist ein gebildeter und überaus erfahrener Diplomat, aber wir müssen uns keine Illusionen machen: Er ist der russische Aussenminister und macht zwar seinen Job, aber der Ausgang des Krieges ist nicht von seiner Person abhängig.
Kann der Westen, kann die Schweiz nach dem Krieg zu normalen Beziehungen mit der russischen Regierung zurückfinden?
Das erscheint mir sehr schwierig, und es wird immer schwieriger, weil jeden Tag neue Gräueltaten hinzukommen, mehr Menschen sterben und der Ton immer aggressiver wird. Aber klar ist auch: Nach diesem Krieg muss es einen Frieden geben, und es muss ein Frieden sein, der sämtliche Akteure mit einbindet. Das zeigt ein Blick in die Geschichte: Der Friedensvertrag von Versailles nach dem Ende des Ersten Weltkrieges trug bereits den Keim des Zweiten Weltkrieges in sich. Es gab natürlich andere Faktoren, aber ein Faktor war, dass Deutschland 1918 nicht Teil der Nachkriegsordnung war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man es anders gemacht und Deutschland wurde nach ein paar Jahren in die Friedensordnung integriert – der Westen in die Nato und die EU, der Osten in den Warschauer Pakt und das Comecon. Wie wir Russland nach diesem Krieg in eine nachhaltige Friedensordnung integrieren können, das wird eine wahnsinnig anspruchsvolle Aufgabe sein. Trotzdem erscheint mir dies als absolut notwendig, wenn man einen neuen Krieg vermeiden will.