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Europa reagiert auf Massaker Müssen russische Diplomaten die Schweiz verlassen? Bern schweigt
Von Gil Bieler
5.4.2022
Ob auch die Schweiz russische Diplomaten ausweist, will Bern nicht kommentieren. Viele EU-Staaten haben diesen Schritt bereits gemacht – vielleicht auch, um von anderen Themen abzulenken, sagt eine Expertin.
Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Dänemark und Schweden: Die Gräueltaten an der Bevölkerung im ukrainischen Butscha waren für viele EU-Staaten zu viel. Am Montag und Dienstag hat eine ganze Reihe von ihnen russisches Botschaftspersonal ausser Landes gewiesen.
Ein starkes Zeichen der Entschlossenheit? Nur bedingt, findet Stefanie Walter, Professorin am Institut für Politikwissenschaften der Universität Zürich. «Das ist ein drastischer Schritt, schliesslich versucht man, diplomatische Beziehungen so lange als möglich aufrechtzuerhalten», sagt die Expertin für Internationale Wirtschaftspolitik.
EU-Staaten weisen Russen aus
Spanien schickt «mindestens 25» Mitarbeiter*innen der russischen Botschaft ausser, weil sie «eine Bedrohung für die spanischen Sicherheitsinteressen» darstellten. Italien erklärt 30 russische Diplomaten zu «personae non gratae». Dänemark weist 15 russische Geheimdienstoffiziere ausser Landes, Schweden drei Diplomaten. Den Anfang hatten am Montag die EU-Schwergewichte gemacht: Deutschland erklärte 40 russische Diplomat*innen zu unerwünschten Personen, Frankreich laut der Nachrichtenagentur AFP in etwa genau so viele. (sda/gbi)
Nach den Gräueltaten an der Zivilbevölkerung, die in der Ukraine zutage getreten seien, sei die Ausweisung von Diplomat*innen «ein sehr sichtbares Zeichen». Aber: «Womöglich wollen die europäischen Staaten damit auch kaschieren, dass sie bei wirtschaftlichen Sanktionen noch nicht bis ans Maximum gehen wollen.» Sie meint ein Embargo gegen russisches Erdöl oder Erdgas, gegen das sich insbesondere Deutschland stemme.
Und die Schweiz? Auf Anfrage erklärt Andreas Heller vom Eidgenössischen Aussendepartement (EDA) lediglich: «Zu Fragen, welche die nationale Sicherheit betreffen, nimmt das EDA grundsätzlich keine Stellung.»
Strittige Neutralitätspolitik
Dass die Schweiz als neutraler Kleinstaat hadere, russisches Botschaftspersonal auszuweisen, kann Walter zu einem gewissen Grad verstehen: So herrsche zwar eine weitgehende Einigkeit, dass die Schweiz sich entsprechend ihrer neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen militärisch neutral verhalten solle. Aber bei allem, was darüber hinausgehe, gingen die Meinungen weit auseinander: bei der sogenannten Neutralitätspolitik.
«Der Bundesrat kann es hier aktuell nie allen recht machen, egal, wie er entscheidet», sagt Walter. «Solange er aber für sich keine klare neutralitätspolitische Linie formulieren kann, ist auch entschiedenes Handeln schwierig.»
Moskau reagiert mit Gegenmassnahmen
Dass das ebenfalls neutrale Schweden gleichwohl drei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt hat, erklärt sich für Walter durch die unmittelbare Nähe zu Russland: «Die Schweden haben eine ganz andere Bedrohungslage als wir in der Schweiz.»
Der Kreml verurteilte die massenweisen Ausweisungen als «kurzsichtigen Schritt», wie die Nachrichtenagentur Interfax berichtet. Gleichzeitig kündigte Moskau bereits Gegenmassnahmen an.