Moskau bedroht auch Nachbarn im Norden Finnland entscheidet noch im Frühling über Nato-Beitritt

phi

5.4.2022

Zuwachs für die Nato: In Finnland zeigen Umfragen immer grössere Zustimmung zu einem Beitritt. Im April soll die Frage ohne ein Referendum entschieden werden. Russland hat für so einen Fall bereits gedroht.

phi

5.4.2022

Der Krieg in der Ukraine hat die öffentliche Meinung in Finnland stark beeinflusst – und das Land weiter in die Arme des Westens getrieben: Eine Umfrage der Zeitung «Helsingin Sanomat», die am 30. März veröffentlicht worden ist, verortet die nationale Zustimmung bei satten 61 Prozent.

Nur 16 Prozent sprechen sich dagegen aus, während fast ein Viertel der Befragten keine Antwort geben kann. Das Ja-Lager ist im Vergleich zur vorigen Umfrage um 7 Prozent angewachsen, während die Opposition zu einem Nato-Beitritt um 5 Prozent abgenommen hat. Die Zustimmung ist mit 72 Prozent deutlich grösser als bei Frauen, bei denen nur die Hälfte mit so einem Schritt einverstanden sind.

Diese Zahlen haben unmittelbare Auswirkungen auf die Politik: Präsident Sauli Niinistö sagt dem schwedischsprachigen Radiosender «Yle», die Umfrage zeige, dass Finnland bereit sei. «Die Nato muss wissen, dass es öffentliche Unterstützung gibt. Wir haben diese schon, glaube ich. Zuvor hat es geheissen, ein Beitritt solle womöglich mit einem Referendum abgesichert werden. Diese Option fällt nun offenbar unter den Tisch.

Referendum nicht mehr nötig: Finnlands Präsident, hier am 25. Februar in Helsinki nach einem Nato-Treffen, sieht eine breite Zustimmung für eine Nato-Aufnahme.
Referendum nicht mehr nötig: Finnlands Präsident, hier am 25. Februar in Helsinki nach einem Nato-Treffen, sieht eine breite Zustimmung für eine Nato-Aufnahme.
AP

Dass eine Volksabstimmung nun nicht mehr nötig sei, schreibt auch «Euractiv». Zudem präsentiert die Website eine weitere Umfrage der Zeitung «Keskisuomalainen», nach der drei Viertel der Finnen eine Erhöhung der Militärausgaben wünschen. Nur 9 Prozent sprechen sich dagegen aus. Der Krieg in der Ukraine hat Russlands nordwestlichen Nachbarn augenscheinlich nachdenklich werden lassen.

«Nicht der Nachbar, für den wir ihn hielten»

Am 2. April legt dann die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin nach. Bei einem Treffen ihrer Sozialdemokraten am Samstag erklärt die 36-Jährige, eine Entscheidung über einen Nato-Beitritt solle noch im Frühling fallen. Marin erklärt zwar nicht, wo sie in der Frage steht, doch wer zwischen den Zeilen liest, weiss, was in ihrem Kopf vorgeht.

Denn das Verhältnis zum Nachbarland habe sich in den vergangenen fünf Wochen «unumkehrbar» verändert, so Marin. Russland sei nicht der Staat, «für den wir [ihn] hielten». Finnische Medien erklären damit auch die vielen Besuche der nationalen Diplomaten im europäischen Ausland – der Mitgliedschaft im Weg stehen könnten allerdings Länder wie die Türkei, Griechenland und Ungarn.

Russland treibt Finnland in die Arme der Nato: Ministerpräsidentin Sanna Marin mit dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Oktober 2021 in Helsinki.
Russland treibt Finnland in die Arme der Nato: Ministerpräsidentin Sanna Marin mit dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Oktober 2021 in Helsinki.
EPA

Der frühere sozialdemokratische Aussenminister Erkki Tuomioja würde dem Nato-Club gern gemeinsam mit Schweden beitreten, wo die Zustimmung zu so einem Zuge aber nicht so hoch ist wie in Finnland. «Schweden ist das einzige Land in der Welt, das ein echtes Interesse daran hat, Finnlands Sicherheit zu fördern», begründet Tuomioja seine Meinung. Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson hat vergangene Woche bekundete, ein Nato-Aufnahmegesuch zu erwägen.

Moskau hat zuvor versichert, ein Nato-Beitritt Finnlands oder Schwedens würde militärische Konsequenzen nach sich ziehen. Ende März hat der finnische Geheimdienst davor gewarnt, Russland könnte über Hacker die Diskussion um eine Aufnahme torpedieren. Ungeachtet dessen will das Parlament in Helsinki im April über die Lage diskutieren, um dann zur Tat zu schreiten.

Spätestens dann wird die Welt sehen, wie Moskau wirklich auf die Entwicklung reagieren wird.