Rücktritt Berset Berset geht nach zwölf Jahren, 29 Abstimmungen und einer Pandemie

su, sda

21.6.2023 - 14:45

"Der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt": Bundespräsident Alain Berset gibt vor den Medien in Bern bekannt, dass er sich im Dezember nicht mehr in den Bundesrat wählen lassen will.
"Der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt": Bundespräsident Alain Berset gibt vor den Medien in Bern bekannt, dass er sich im Dezember nicht mehr in den Bundesrat wählen lassen will.
Keystone

Nach drei Legislaturen im Departement des Innern, 29 Volksabstimmungen und einer Pandemie geht Bundesrat Alain Berset. Im Dezember will er sich nicht mehr zur Wahl stellen für eine vierte Legislatur.

Keystone-SDA, su, sda

Es sei der richtige Moment für diesen Schritt, sagte der an Jahren jüngste, aber mittlerweile amtsälteste Bundesrat am Mittwoch vor den Medien in Bern. Er sei 51 Jahre alt und seit über elf Jahren Mitglied der Landesregierung. Noch nie zuvor habe er einen Job derart lange Zeit ausgeübt. Es sei Zeit für eine Veränderung.

«Ensuite – on verra»

Über das, was er nach seiner Zeit im Bundesrat unternehmen wird, hat sich Berset laut eigener Aussage noch keine Gedanken gemacht. Er gebe bis Ende Jahr alles für seinen Job, sagte er. «Ensuite – on verra.»

Zum dritten Mal habe das Volk am Sonntag Verlängerungen im Covid-19-Gesetz bewilligt, und die Pandemie sei bewältigt, sagte Berset zum Anlass für seinen Rücktritt. Die Zeit mit Covid-19 hob er als besonders hervor. «Das war eine intensive, ausserordentliche und auch schwierige Zeit – als Bundesrat, aber auch als Privatperson.»

Während der Covid-Krise sei er an seine Grenzen gekommen, berichtete Berset. Die Arbeitslast sei «riesig» gewesen und von einer «Brutalität», die er so zuvor nicht gekannt habe. Es habe Drohungen gegeben gegen seine Person.

Kritik und Affären ohne Einfluss

Anfang Jahr war Berset ins Umfeld von Indiskretionen geraten, ausgerechnet im Zusammenhang mit Covid-19. Die Zeitung «Schweiz am Wochenende» berichtete über Mails mit Interna zu Massnahmen während der Pandemie, die Bersets ehemaliger Kommunikationschef dem Ringier-CEO Marc Walder zugespielt habe, vor den Entscheiden im Bundesrat.

Die Justiz ermittelt, und auch die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments haben das Thema aufgegriffen. Er sei bereit, sich den Fragen der parlamentarischen Aufsicht zu stellen, versicherte Berset.

Kritik und Affären hätten keinen Einfluss auf seinen Abgangsentscheid gehabt, sagte Berset nun. Es habe in den vergangen Jahren diesbezüglich «viele Sachen» gegeben. Aber dies habe ihn zu keinem Zeitpunkt beeindruckt.

«Es soll ein Mensch sein»

«Es soll ein Mensch sein», sagte Berset lakonisch und ohne sich weiter zu äussern zur Frage einer Journalistin, wie er sich seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin vorstelle. Ratschläge hingegen formulierte er: «Es braucht Offenheit, Vielfalt und Toleranz.»

Und: Man müsse sehr viel schultern können und wissen, wohin man damit gehe. Sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin im Bundesrat sollte die Institutionen über alles stellen. «Wir machen das nicht für einen Titel oder für Privilegien, sondern um alles zu geben für das Land und für die Gesellschaft.»

29 Volksabstimmungen hat Berset bestritten, verteilt auf alle seine zwölf Amtsjahre. Unter seiner Ägide wurde mehrfach über die AHV entschieden: Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf Jahre 65 und die Zusatzfinanzierung der AHV scheiterten zwar 2017, wurden aber vergangenes Jahr an der Urne angenommen.

Liste von Abstimmungserfolgen

Die Liste weiterer Erfolge beginnt mit dem Verfassungsartikel zur Jugendmusikförderung und führt über das Nein zur Einheits-Krankenkasse und zur Initiative für höhere AHV-Renten, die Gesetze über Präimplantationsdiagnostik und Fortpflanzungsmedizin, einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub und das Filmgesetz bis zum dritten Ja zum Covid-19-Gesetz am Sonntag.

Unterlegen ist Berset mit der Landesregierung bei der Einführung von Managed-Care in der Krankenversicherung und beim Verfassungsartikel zur Familienpolitik. Er hätte Bund und Kantone verpflichtet, die Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit sowie von Familienarbeit und Ausbildung zu fördern.

Gegen den Willen des Bundesrates nahmen Volk und Stände die Pflegeinitiative an, die eine Aufwertung des Pflegeberufes fordert. Auch die populäre Initiative für den Schutz von Minderjährigen vor Tabakwerbung hatte der Bundesrat nicht unterstützt.