Einschnitt ins Leben Blutiges Ritual mit tödlichen Folgen

Runa Reinecke

21.12.2018

Genitalverstümmelung: Wer das  Martyrium überlebt, leidet ein Leben lang. 
Genitalverstümmelung: Wer das  Martyrium überlebt, leidet ein Leben lang. 
Bild: Keystone

Am Dienstag verstarb ein zehnjähriges Mädchen im westafrikanischen Sierra Leone nach einer Genitalverstümmelung. Jüngere Beispiele zeigen, dass eine Beschneidung auch für Männer lebensgefährlich sein kann.

Der Ablauf der Handlung zeugt von unvorstellbarer Grausamkeit: Die Klitoris wird teilweise oder komplett entfernt, in manchen Fällen auch die inneren und äusseren Schamlippen. Was die Weltgesundheitsorganisation WHO unter dem Begriff Genitalverstümmelung, auch FMG, zusammenfasst, geschieht in der Regel ohne Betäubung und mit unsterilen Gegenständen.


Zu den gängigen «Operationswerkzeugen» gehören Messer, Rasierklingen oder Scherben. Es verbleibt eine klaffende Wunde, die dilettantisch, bis auf ein kleines Loch, zugenäht wird. Wer die Tortur überlebt, leidet ein Leben lang unter deren Folgen. Ein Teil der Opfer überstehen die brutale Misshandlung nicht: Sie sterben an einer bakteriellen Infektion oder verbluten nach der martialischen Handlung.

Verboten und doch verbreitet

So erging es auch einer Zehnjährigen im westafrikanischen Sierra Leone. Sie war eines von 67 Mädchen, die den schlimmen Eingriff am vergangenen Dienstag während eines Beschneidungsrituals über sich ergehen lassen musste und kurze Zeit später starb. Wie beim Online-Portal der britischen Zeitung «The Guardian» zu lesen ist, hatte sie noch wenige Stunden vor der Tat eine Prüfung in der Schule absolviert.


Die mehr oder minder radikalen Verletzungen der weiblichen Genitalien sind bis heute in fast 30 Ländern gängige Praxis. «Alleine in Sierra Leone gehen wir davon aus, dass 86 Prozent aller Frauen von Genitalverstümmelung betroffen sind», sagt Beat Gerber, Mediensprecher der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, auf Anfrage. Im nordöstlich von Sierra Leone gelegenen Burkina Faso seien es, wie Gerber betont, etwa 76 Prozent: «Obwohl per Gesetz verboten, sind die Eingriffe dort immer noch weit verbreitet und finden unter entsetzlichen sanitären Bedingungen statt.»

15 000 Betroffene in der Schweiz


Reisen muss man nicht, um Frauen zu begegnen, denen ein solches Leid angetan wurde. Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht man davon aus, dass in der Schweiz rund 15 000 Betroffene beziehungsweise von einer Genitalverstümmelung bedrohten Mädchen und Frauen leben. Dazu gehört auch Leyla Hussein, eine von fünf Protagonistinnen des Schweizer Dokumentarfilms «#Female Pleasure» der Winterthurer Regisseurin Barbara Miller. Sie engagiert sich aktiv gegen die Verstümmelung von Mädchen und jungen Frauen.

Daniel Dauwalder, Mediensprecher des BAG, betont, dass die Zahlen aus dem Jahr 2014 stammen und eher einen groben Richtwert widerspiegeln: Hierzulande sei die Genitalverstümmelung ein Tabuthema und zugleich strafbar.

Gefährliche Zirkumzision

Nicht nur Frauen müssen die lebensgefährlichen Folgen von Beschneidungen (Zirkumzision) fürchten: Innerhalb eines Monats sind in Südafrika mindestens 18 Männer verstorben. Die jungen Erwachsenen im Alter zwischen 17 und 20 Jahren gehörten zur Volksgruppe der Xhosa und nahmen an einem traditionellen Initiationsritus teil. Wie die Nachrichtenagentur DPA berichtet, erlitten die Männer unter anderem Blutvergiftungen und Verbrennungen.

Zurück zur Startseite