Autobombe «Kriegspropagandistin» Dugina stirbt bei Anschlag

sda/tgab

21.8.2022 - 16:25

Russland: Tochter des Ideologen Dugin bei Anschlag getötet

Russland: Tochter des Ideologen Dugin bei Anschlag getötet

Regierungsmedien berichteten, Vater und Tochter hätten gemeinsam ein Festival besucht. Im letzten Moment habe Dugin sich entschieden, in ein anderes Auto zu steigen. Nach Angaben russischer Ermittler war unter dem Auto ein Sprengsatz angebracht.

21.08.2022

Der Tod von Darja Dugina, Tochter des rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin, hat helles Entsetzen in Russland ausgelöst – vor allem bei den Kriegspropagandisten rund um Kremlchef Wladimir Putin. 

sda/tgab

21.8.2022 - 16:25

Das Fahrzeug mit der 29-Jährigen Darja Dugina am Steuer ging in der Nähe von Moskau nach der Explosion einer Autobombe in Flammen auf. Und obwohl die Ermittlungen wegen des mutmasslichen Mordanschlags laufen und nichts bewiesen ist, beeilte sich die russische Staatspropaganda «ukrainischen Terroristen» das Attentat anzulasten. Der Anschlag soll demnach Alexander Dugin selbst gegolten haben, der als «Gehirn» oder Einflüsterer Putins gilt.

Die USA, die Dugin auf ihrer Sanktionsliste haben, sehen den Ideologen als Ideenstifter des am 24. Februar von Putin befohlenen Einmarschs in die Ukraine. Der 60-Jährige hat, wie Journalisten in Kiew am Sonntag nach der Explosion berichteten, offen zur Tötung von Ukrainern aufgerufen. Und auch von seiner Tochter Darja ist dieser Satz überliefert: «Ukrainer sind Unmenschen!». Dugin, der viele Bücher geschrieben hat, gilt als antiwestlicher Hassprediger und Kämpfer für die Idee einer slawischen Supermacht.

Schon seit der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 steht Ideologe Alexander Dugin auf der Sanktionsliste der EU. In der Ukraine sind mehrere seiner Bücher verboten. (Archivbild)
Schon seit der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 steht Ideologe Alexander Dugin auf der Sanktionsliste der EU. In der Ukraine sind mehrere seiner Bücher verboten. (Archivbild)
Francesca Ebel/KEYSTONE

In den sozialen Netzwerken machten Videos von dem brennenden Autowrack die Runde – und von einem erschütterten Dugin, der am Samstag zum Tatort eilte und, wie auf Fotos zu sehen ist, die Hände über den Kopf zusammenschlug. «Die Identität der Toten ist geklärt – es ist die Journalistin und Politologin Darja Dugina», hiess es in der Mitteilung des staatlichen Ermittlungskomitees. Ermittelt werde wegen eines Auftragsmordes in verschiedene Richtungen.

Ermittler bei der Arbeit am Tatort.
Ermittler bei der Arbeit am Tatort.
RUSSIAN INVESTIGATIVE COMMITTEE HANDOUT/KEYSTONE

Duginas Kollegin Margarita Simonjan, die Chefredakteurin des staatlichen russischen Fernsehsenders RT, verurteilte den Anschlag auf die «junge, kluge, schöne und unglaublich talentierte Frau». «Darja hätte einer jener Menschen werden können, die für Russland eine neue Volksideologie bilden.» 

Putin beschuldigt CIA

Die Explosion einer Autobombe nahe Moskau bringt Russlands Krieg für die Hauptstädter, die das Blutvergiessen im Nachbarland weitgehend ausblenden, nun wieder ganz nah. Schon im April soll der wegen seiner Kriegshetze mit Sanktionen belegte Fernsehpropagandist Wladimir Solowjow knapp einem Anschlag entgangen sein. Kremlchef Putin persönlich äusserte sich dazu. «Uns sind die Kuratoren der westlichen Geheimdienste namentlich bekannt, eine CIA-Gruppe in erster Linie, die mit den Sicherheitsorganen der Ukraine zusammenarbeitet und augenscheinlich solche Ratschläge gibt», sagte der Präsident.

Alexander Dugin (links) und seine Unterstützer bei einem Auftritt in Moskau 2007.
Alexander Dugin (links) und seine Unterstützer bei einem Auftritt in Moskau 2007.
Ivan Sekretarev/KEYSTONE

Klar ist, dass die Explosion nichts ändert an der Lage in Russland. Aber Beobachter meinten am Sonntag, dass die Schockwelle der Autobombe zumindest die bequeme Welt der Propagandisten, die sich bisher in Sicherheit wähnten, erschüttert. Dass eine in der Öffentlichkeit stehende Befürworterin des Kriegs gegen die Ukraine nun auf russischen Gebiet in der Nähe von Moskau demonstrativ getötet wird, gilt als beispiellos.

Terroranschlag auf Ideologie

Dugina sei eine «echte Patriotin» gewesen, trauerte der prominente Aussenpolitiker und russische Verhandler im Konflikt mit der Ukraine, Leonid Sluzki, im Nachrichtenkanal Telegram. «Dieser barbarische Mord an Darja – das ist im Grunde ein Terroranschlag auf die Ideologie und das Verbindende der Russischen Welt.» Die Schuldigen müssten mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden.

Russlands Inlandsgeheimdienst FSB berichtet fast täglich von Festnahmen mutmasslicher Terroristen, die im ukrainischen Auftrag Anschläge geplant haben sollen. Immer wieder veröffentlichten die Agenten dazu auch nicht überprüfbare Fotos und Videos von selbst gebauten Sprengsätzen und Geständnissen der Verdächtigen.

Ukrainische Partisanen in Russland

Aus der Ukraine gab es zwar auch Drohungen, dass Partisanen Russland auf Jahre Probleme machen könnten mit Anschlägen. Hunderttausende Ukrainer aus dem Kriegsgebiet leben – oft ohne Alternative – inzwischen in Russland. Der Verdacht, dass über die Fluchtwege auch «Saboteure», wie Moskau sie nennt, einreisen, ist allgegenwärtig. Erst in der vergangenen Woche nahm der FSB einer Mitteilung zufolge nach der massiven Explosion auf der Krim mehrere «Saboteure» fest. Doch bestätigt sind die Angriffe von ukrainischer Seite nicht.

In Kiew betonte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak, dass die Ukraine mit dem Anschlag nichts zu tun habe. Im Fernsehen meinte er, dass Russland dieser Vorfall auch gelegen kommen könne, um eine Mobilmachung für den Krieg zu rechtfertigen. Ausserdem kämpften in Russland inzwischen viele Gruppierungen untereinander um die ideologischen Positionen auf dem innenpolitischem Feld. Der Experte Ruslan Trad verbreitete bei Twitter die These, dass es sich bei dem Anschlag auch um einen Racheakt des FSB handeln könnte. «Besonders da Dugin, wie Gerüchte flüstern, Putin erzählt, dass der FSB die Schuld trägt an den schlechten Ergebnissen in der Ukraine.»

Überzeugt sind jedenfalls viele, dass Alexander Dugin selbst das Ziel des Anschlags war. Russische Medien berichteten, er habe mit seiner Tochter am Samstag das patriotische Festival «Tradition» besucht. Dugin war dort als Redner angekündigt. Seine Tochter, die ihn begleitete, stellte das Auto auf einem Parkplatz für besonders wichtige Gäste ab. Die Bombe könnte dort eingebaut worden sein. Eine Videoüberwachung gab es wohl nicht. Medien zufolge hatten Vater und Tochter dann gemeinsam wegfahren wollen. Aber Dugin blieb noch.

sda/tgab