Brasilien Brände am Amazonas: Indigene Bevölkerung begehrt auf

AP

30.8.2019

Aus einem Regenwald im Bundesstaat Para steigt Rauch auf. Angesichts der verheerenden Waldbrände im Amazonasgebiet wollen die Staatschef der Region eine gemeinsame Strategie entwerfen.
Aus einem Regenwald im Bundesstaat Para steigt Rauch auf. Angesichts der verheerenden Waldbrände im Amazonasgebiet wollen die Staatschef der Region eine gemeinsame Strategie entwerfen.
Bild: Leo Correa/AP/dpa

Die internationale Gemeinschaft streitet sich am grünen Tisch um den Schutz des Regenwaldes. Die Ureinwohner in Brasilien haben dafür wenig Verständnis. Ihr Lebensraum ist direkt bedroht. Sie drohen mit Widerstand gegen die Regierung.

Mydje Kayapo sitzt in seinem kleinen Boot, blickt über den Fluss Curua und ist beunruhigt. Der Geruch von Rauch liegt in der Luft. Das Reservat Bau im brasilianischen Amazonas, wo sein Stamm lebt, wird von den Bränden bedroht, die in der Region wüten. «Das Feuer kommt näher und näher an unser Reservat heran», sagt er. «Jetzt ist es noch etwa 20 Kilometer entfernt.»

Kayapo ist einer der Anführer seines Stammes, und er hilft bei der Organisation einer Dorfwacht, um seine Gemeinde vor den heranrückenden Flammen zu beschützen – aber auch vor illegalen Holzfällern, Schatzsuchern und anderen, die versuchen, die Gegend in irgendeiner Weise auszubeuten. Mit den ausufernden Bränden ist diese Aufgabe noch schwieriger geworden.

Brände um 77 Prozent gestiegen

Im laufenden Jahr wurden in Brasilien bislang 83 000 Brände gemeldet, das ist eine Zunahme um 77 Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Viele wurden in bereits abgeholzten Gegenden gelegt, weil die Menschen das Land dort frei machen wollen für Ackerbau und Viehzucht.

Rauch steigt aus dem Regenwald im Amazonas bei Altamira. Foto: Leo Correa/AP
Rauch steigt aus dem Regenwald im Amazonas bei Altamira. Foto: Leo Correa/AP
Leo Correa / AP

Mehr als 98 Prozent des Landes der indigenen Bevölkerung Brasiliens liegen am Amazonas. Deswegen sind Gruppen wie die von Kayapo besonders gefährdet. Nach Angaben der Behörden brennen in der Region 3553 Feuer in 148 Ureinwohner-Territorien. «Gleich ausserhalb unseres Gebietes wird stark abgeholzt. Das ist alles ziemlich zerstört», sagt Kayapo. «Wir Indigene müssen zusammenhalten.»

Während auf internationaler Ebene darüber diskutiert wird, wie man den Amazonas beschützt und entwickelt, kämpfen Kayapo und andere an vorderster Front gegen die Flammen – und den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.

Bolsonaro in der Kritik

Bolsonaro hat wegen seiner Umweltpolitik scharfe Kritik auf sich gezogen, der Vorwurf lautet, er würde den Schutz des Regenwaldes schwächen. Der Präsident wirft dagegen den Europäern vor, sich in die Angelegenheiten Brasiliens einzumischen und moniert, dass die Abgrenzung der Gebiete der Indigenen Geschäftsinteressen behindere.

Am Dienstag erneuerte er seine Vorwürfe bei einem Treffen von regionalen Regierungschefs aus der Amazonas-Region. Die Reservate würden von Aussenstehenden ausgenutzt, um das Wachstum der brasilianischen Wirtschaft zu stoppen.

«Viele Reservate liegen strategisch, das hat jemand arrangiert», sagte er, ohne näher zu erklären, wen er damit meinte. «Die Indianer haben keine politische Lobby, sie sprechen nicht unsere Sprache, aber sie haben es geschafft, 14 Prozent unseres nationalen Territoriums zu bekommen», sagte er.

Während sich die Rhetorik verschärft, steht für Vertreter der indigenen Bevölkerung viel auf dem Spiel. Saulo Katitaurlu, ein Anführer aus der Gemeinde Conquista D'Oeste im Staat Mato Grosso, sieht niedergeschlagen aus, als er am Ufer des Flusses Sarare entlanggeht.

«Die Nicht-Indigenen machen, was sie wollen, und geben den Indianern die Schuld», sagt Katitaurlu. Als seine Gruppe bei den Behörden ein Feuer gemeldet habe, habe ein Rancher gesagt, das habe der Stamm doch sicher selbst gelegt.

Sein Stamm Nambikwara Sarare bekomme in diesem Jahr die Folgen der Ausweitung von Ackerbau und Viehzucht stärker denn je zu spüren. Die Aufsichtsbehörden würden die Kriminellen jedoch gewähren lassen.

«Vor ein paar Jahren gab es ein paar Feuer, aber jetzt sind es mehr», sagt Katitaurlu. Derzeit gebe es das grösste Feuer aller Zeiten. «Heute ist der Himmel zwar klar, aber vor zwei Tagen war hier alles voll mit Rauch und es war heiss.»

Die Staats- und Regierungschefs der Gruppe der sieben grossen Industrienationen (G7) haben in den vergangenen Tagen versprochen, den Amazonas mit 20 Millionen Dollar (18 Millionen Euro) zu unterstützen. Grossbritannien und Kanada kündigten zudem gesonderte Hilfszahlungen an.

Derweil wird der Streit des französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit seinem brasilianischen Gegenüber zunehmend persönlicher. Der chilenische Präsident Sebastián Piñera betont, die lateinamerikanischen Länder hätten «die Souveränität über den Amazonas».

Am 6. September wollen sich die Staaten des Amazonasgebiets mit Ausnahme von Venezuela treffen, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, wie Bolsonaro am Mittwoch sagte. Dabei solle es «um Umweltschutz und auch um eine nachhaltige Nutzung unserer Region» gehen.

«Ich denke, der Präsident kennt die Verfassung nicht gut»

Bislang haben der brasilianische Präsident und internationale Politiker die Diskussion dominiert. Doch immer mehr Spitzenvertreter der indigenen Bevölkerung erheben mittlerweile ebenfalls die Stimme – oder nehmen den Schutz ihres Lebensraumes selbst in die Hand.

«Ich denke, der Präsident kennt die Verfassung nicht gut», sagt Kayapo aus dem Bau-Reservat. «Wir sind widerstandsfähig. Wenn es eine Invasion in unser Reservat geben sollte, wenn sie versuchen sollten, hierher zu kommen, dann werden wir uns gegen die Bolsonaro-Regierung stellen und sagen: «Nicht hier. Dieses Reservat hat einen Besitzer!»»

Vor wenigen Tagen wurde ein Video auf der Internetplattform YouTube gepostet, das eine indigene Frau mit bemaltem Gesicht und Kopfschmuck zeigt. Sie appelliert in die Kamera, «Widerstand zu leisten für den Regenwald und für unsere Art zu leben». Ihr Stamm vom Fluss Xingu sei mit allen in Kontakt. «Gemeinsam stehen wir für die Verteidigung des Regenwaldes», sagte sie. «Wir stehen an vorderster Front, und wir brauchen eure Unterstützung. Schliesst euch unserem Kampf an!»


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