Unklar war bislang, weshalb der inzwischen junge Erwachsene von zu Hause verschwunden war. Nun ist klar: Till hatte genug vom Mobbing, der Angst und dem Versteckspiel. «Ich wurde gemobbt, weil ich zu dick war», erzählt er der «Bild». Er sprach nie mit seinen Eltern über die Qualen in der Schule.
Im September 2017 floh der Teenager aus Bayern, um einen Freund im Emsland, Niedersachsen, zu besuchen. Doch anstatt nach Hause zurückzukehren, wandte er sich an das Jugendamt, das seine Probleme nicht ernst nahm. «Ich sagte ihnen, ich würde erst nach Hause zurückkehren, wenn das Mobbing in meiner Schule aufhört.» Das Amt kaufte ihm lediglich ein Rückfahrticket.
Schwarzarbeit und immer in Angst
Doch Till meinte es ernst und entschied sich, nicht zurückzukehren. In Düsseldorf, wo er umsteigen musste, begann eine fast sieben Jahre dauernde Odyssee. Zuerst lebte Till eine Woche am Bahnhof, dann auf der Strasse. Er traf zwei Obdachlose, mit denen er sich anfreundete und gemeinsam hielten sie sich mit Lagerarbeiten über Wasser. «Wir wohnten in einer verlassenen Halle und teilten das Wenige, was wir hatten», erzählt er.
Ein Jahr später verloren sie ihre Jobs und zogen nach Berlin auf der Suche nach Arbeit. In Berlin fanden sie Schwarzarbeit als Hilfsarbeiter und lebten in einem Zimmer am Stadtrand. Tills Eltern hatten keine Ahnung, wo er war, trotz der Suche der Polizei. Seine Mutter beschreibt die schwierige Zeit: «Die Leute haben über uns geredet und sind über uns hergezogen. Es war keine einfache Zeit.»
Till wollte unentdeckt bleiben und lebte ohne Handy und Versicherung, immer in Angst entdeckt zu werden, besonders als sein Fall bei «Aktenzeichen XY» gezeigt wurde. «Das war Kopfgeld!», sagt er.
Eltern sind nicht wütend
Im Juni 2022 wurde einer seiner Freunde verprügelt, weil er Tills Aufenthaltsort nicht preisgab. Dies brachte Till zum Nachdenken und am 21. April 2024 entschied er sich endgültig zur Rückkehr. Mit einem geliehenen Handy schickte er seinem Vater eine Nachricht und am 5. Mai stand er schliesslich vor der Tür seines Elternhauses.
Trotz der langen Ungewissheit sind Tills Eltern nicht wütend auf ihn. Seine Mutter sagt: «Ich habe den Gedanken nie zugelassen, dass er tot ist. Mein grösster Wunsch war es, meinen jüngsten Sohn wieder in die Arme schliessen zu können.»