Schwächelnde Welt-Wirtschaft Chinas Wachstum fällt auf historisches Tief

21.1.2019

Der Handelskrieg mit den USA bremst Chinas Wirtschaft und legt Schwächen offen. Mit Konjunkturmassnahmen stemmt sich Peking gegen den Abschwung. Wie schwer wird es deutsche Unternehmen treffen?

Chinas Wirtschaftswachstum ist auf den niedrigsten Stand seit fast drei Jahrzehnten gefallen.



Vor dem Hintergrund des Handelskrieges mit den USA und hausgemachter Probleme legte die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt im vergangenen Jahr nur noch um 6,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Dies teilte das Statistikamt am Montag in Peking mit. Auch deutsche Unternehmen müssen sich auf schwierigere Zeiten in China einstellen.

Der Rückgang verschärfte sich zum Jahresende. Das Wachstum fiel im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar auf nur noch 6,4 Prozent – ähnlich niedrig wie zuletzt 2009 nach Ausbruch der globalen Finanzkrise.

Schwächelnde Exporte wirken sich bereits aus

Die Aussichten für das angelaufene Jahr sind damit ungünstig. Die Weltbank und Experten rechnen damit, dass das Wachstum unter 6,5 Prozent fallen wird. Wie stark die Marke unterschritten wird, hängt davon ab, ob die Handelsspannungen mit den USA eskalieren oder eine Einigung gefunden werden kann.

Das Bild zeigt den Blick auf ein Autobahnkreuz in Shanhgai bei Nacht. Foto: Li He/Xinhua/Illustration
Das Bild zeigt den Blick auf ein Autobahnkreuz in Shanhgai bei Nacht. Foto: Li He/Xinhua/Illustration
Source: Li He

«Der Handelskrieg macht sich derzeit vor allem in einer wachsenden Unsicherheit bemerkbar», sagte Max Zenglein, Leiter des Programms Wirtschaft beim China-Institut Merics. Schwächelnde Exporte und Zurückhaltung bei Investitionen wirkten sich bereits auf das Wachstum aus: «Richtig ernst dürfte es aber erst werden, wenn es bis März keine Lösung gibt und es zu weiteren Zollerhöhungen kommt.»

Die USA haben China eine Frist bis 1. März gesetzt und drohen bei mangelndem Entgegenkommen mit neuen Strafzöllen auf Importe aus China im Wert von 200 Milliarden US-Dollar. US-Präsident Donald Trump will das Handelsdefizit der USA mit China verringern, fordert mehr Marktöffnung und einen wirksamen Kampf gegen den Diebstahl geistigen Eigentums und erzwungenen Technologietransfer.

Chinas Wachstum ist so langsam wie seit 1990 nicht mehr. Es lag 2018 noch knapp über dem amtlichen Ziel von 6,5 Prozent, fiel aber von 6,8 Prozent im Vorjahr. So ist die Regierung «besorgt», wie informierte Kreise berichteten, die von höchster Stelle unterrichtet wurden. «Es sind Stimulusmassnahmen geplant.» Im neuen Jahr sollen möglicherweise nur noch 6,0 bis 6,5 Prozent als Wachstumsziel vorgegeben werden.

Konsumenten zeigen sich zurückhaltend

Nicht nur der Handelskrieg bremst die Wirtschaft. Experten verweisen auch auf den Kampf gegen das ausufernde Kreditwachstum und andere Faktoren. «Die Stimmungslage im Land hat sich grundsätzlich verändert», sagt Merics-Ökonom Zenglein. Das mache sich sowohl in einer grösseren Zurückhaltung aufseiten der Konsumenten als auch aufseiten privater Unternehmen bemerkbar, die weniger investierten.

Deutsche Unternehmen dürften sich in China künftig mehr zurückhalten. «Es ist zwar mit keinem dramatischen Einbruch in der Nachfrage nach deutschen Waren zu rechnen, allerdings werden die deutschen Unternehmen sich an die neuen Realitäten anpassen müssen», meint Zenglein. Deutsche Autobauer, die stark von China abhängig sind, müssen sich bereits auf den ersten Einbruch des grössten Fahrzeugmarktes der Welt seit zwei Jahrzehnten einstellen.

Ein Rückgang des Wachstums in China gehört nach einem Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF), das diese Woche im Schweizer Davos zusammenkommt, zu den grössten wirtschaftlichen Risiken in diesem Jahr. Vergangene Woche hatte Chinas Statistikamt die Wachstumszahl für 2017 nachträglich von 6,9 auf 6,8 Prozent korrigiert.

Im internationalen Vergleich sind 6,6 Prozent Wachstum zwar weiter viel. Auch hat sich die Grösse der chinesischen Wirtschaft seit 2008 fast verdreifacht. Experten verweisen aber darauf, dass China als Schwellenland grossen Nachholbedarf habe, den Schwung erhalten und Arbeitsplätze schaffen müsse. Viele Widersprüche in seiner Entwicklung liessen sich nur mit schnellem Wachstum bewältigen. Langsames Wachstum in China drücke auch die Weltkonjunktur.

China greift zu alten Methoden

Durch den Handelskrieg ging im Dezember schon der Aussenhandel stark zurück. Chinas Exporte fielen in US-Dollar berechnet im Vergleich zum Vorjahresmonat überraschend um 4,4 Prozent. Die Importe verringerten sich noch stärker um 7,6 Prozent. Nach den Zahlen des Statistikamtes stieg die Industrieproduktion im vergangenen Jahr nur noch um 6,2 Prozent – nach 6,6 Prozent im Vorjahr.

Kurz vor der Vorlage der neuen Zahlen sagte Ministerpräsident Li Keqiang, China werde das Wachstum im neuen Jahr durch Innovation und bessere makroökonomische Steuerung «innerhalb einer vernünftigen Spannweite» halten – trotz grösserer Schwierigkeiten in diesem Jahr.

China greift aber eher zu alten Methoden. Angekündigt wurden weitere Neuinvestitionen in die Infrastruktur sowie Steuererleichterungen für Haushalte und Unternehmen. Die kommunistische Führung ist besonders besorgt über den Arbeitsmarkt, auf dem die Löhne schon langsamer steigen. Unternehmen zögern schon bei Neueinstellungen. Auch wurden viele Arbeiter früher als sonst in den Jahresurlaub um das chinesische Neujahrsfest Anfang Februar geschickt.

Handelskrieg legt Schwachstellen offen

Der Handelskrieg ist aus Sicht der unabhängigen Expertin Ye Tan nur einer der Gründe für den Rückgang. «Der Hauptgrund ist die wirtschaftliche Transformation.» Die Regierung steuere dagegen, indem die Geldpolitik gelockert und Steuern gekürzt worden seien. Der Wirtschaftsprofessor Huang Weiping von der Pekinger Volksuniversität nannte den Kampf gegen Überkapazitäten und die Anpassung der Industriestruktur, die «nicht reibungslos» liefen.

Experten argumentieren, dass der Handelskrieg die Schwachstellen der chinesischen Wirtschaft offenlegt, die stark von hoher Verschuldung und dem Bauboom abhängig ist. Auf dem spekulativen Immobilienmarkt steht nach Berichten jede fünfte Wohnung leer. Es wird auch auf den Widerspruch zwischen der wachsenden staatlichen Kontrolle und der Notwendigkeit verwiesen, ein dezentrales und verbrauchergetriebenes Wirtschaftssystem zu schaffen, um nachhaltiges Wachstum zu erreichen.

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