«Boogaloo» Corona-Krise stärkt extremistische US-Bewegung «Boogaloo»

AP/toko

17.5.2020

Anhänger der Boogaloo-Bewegung in Concord, New Hampshire.
Anhänger der Boogaloo-Bewegung in Concord, New Hampshire.
Bild: Michael Dwyer/AP/dpa

Der Name geht auf einen Tanzfilm zurück. Das erklärte Ziel der Gruppe ist allerdings eine bewaffnete Revolution. Und die aktuelle Unzufriedenheit vieler Amerikaner verleiht ihr spürbaren Auftrieb. Die Gewaltaufrufe werden immer unverhohlener.

Sie posieren mit Sturmgewehren vor Regierungsgebäuden, tragen dabei militärische Schutzkleidung in Kombination mit Hawaii-Hemden. In vielen Hauptstädten von US-Staaten protestieren derzeit Menschen mit verschiedensten Motiven gegen Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Die Anhänger der «Boogaloo»-Bewegung sind aber oft besonders auffällig.

«Boogaloo» gilt als Codewort für einen zweiten amerikanischen Bürgerkrieg. Die dahinter stehende Gruppe war bis vor Kurzem fast nur im Internet in Erscheinung getreten. Doch ähnlich wie andere Extremisten sieht sie in der durch das Coronavirus ausgelösten Krise nun offenbar eine Chance, den eigenen Zielen etwas näher zu kommen. Die Demonstrationen gegen die staatlichen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind für sie eine willkommene Plattform.

Die Anti-Regierungs-Bewegung hat gefährlich viel Zulauf von Rechtsextremen. 
Die Anti-Regierungs-Bewegung hat gefährlich viel Zulauf von Rechtsextremen. 
Bild: Michael Dwyer/AP/dpa

Im April verteilten bewaffnete Demonstranten vor dem Kapitol von New Hampshire in der Stadt Concord Flugblätter mit der Aufschrift «Liberty or Boogaloo» («Freiheit oder Boogaloo»). In mehreren Fällen ermittelt die Polizei gegen Personen aus dem Milieu, die in den sozialen Medien zu Gewalt aufgerufen haben sollen. Bei einer Kundgebung in North Carolina kam es am Samstag zu einer Konfrontation zwischen einem bewaffneten Aktivisten und einem Paar mit Kinderwagen.

Pandemie gab Bewegung einen Schub

In Michigan hatten bereits vor mehreren Wochen Gegner der Corona-Beschränkungen vor dem Sitz der lokalen Regierung protestiert.
Zur Zielscheibe der Wut ist in diesem US-Staat vor allem die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer geworden. In einem Facebook-Forum namens «The Rhett E. Boogie Group» schrieb ein Nutzer, Whitmer sollte «guillotiniert» werden, ein anderer schlug vor, die Gouverneurin an einer Schlinge aufzuhängen, wie Screenshots der Initiative Tech Transparency Project belegen.

Die Pandemie habe der «Boogaloo»-Bewegung einen Schub gegeben, denn die wegen des Virus verhängten Ausgangsbeschränkungen seien «ein Stressfaktor für viele sehr unzufriedene Leute», sagt die Extremismusforscherin J.J. MacNab von der George Washington University. In den von den Anhängern verbreiteten Botschaften gehe es jedoch längst nicht nur um Widerstand gegen die als «Tyrannei» bezeichneten Corona-Beschränkungen, sondern auch darum, Polizisten oder FBI-Agenten zu töten, um «den Krieg in Gang zu bringen».



Die Rhetorik hat sich damit sehr weit von dem entfernt, wofür der Name ursprünglich stand. Der 1984 erschienene Fortsetzungsfilm «Breakin' 2: Electric Boogaloo» war seinerzeit von der Kritik überwiegend verrissen worden. Mit der Zeit wurde der Begriff zu einem Synonym für schlechte Fortsetzungsfilme. Später griffen dann Waffenbefürworter und andere Extremisten aus dem rechten Spektrum den Begriff auf, im vergangenen Jahr schliesslich auch rassistische «White Supremacist»-Gruppen.

Einige Anhänger der Bewegung betonen zwar, dass sie nicht ernsthaft zu Gewalt aufrufen würden. Die Sicherheitsbehörden der USA haben nach eigenen Angaben aber schon geplante Bomben- und Schusswaffen-Attentate von Personen vereitelt, die Verbindungen zu der Bewegung haben oder die zumindest deren Terminologie verwendet hatten.

«Ich habe Lust, die Jäger zu jagen»

Am 11. April nahm die Polizei in Texas einen Mann aus dem angrenzenden US-Staat Arkansas fest, dessen Facebook-Seite mit «Boogaloo»-Bezügen versehen gewesen sein soll. Dem 36-Jährigen wird vorgeworfen, er habe in einem Video gedroht, einen Polizisten zu überfallen und zu töten. «Ich habe Lust, die Jäger zu jagen», schrieb er nach Angaben der Ermittler in dem sozialen Netzwerk.

Das Tech Transparency Project, das Internet-Unternehmen unter die Lupe nimmt, veröffentlichte am 22. April einen Bericht, laut dem 125 Facebook-Gruppen aus dem «Boogaloo»-Umfeld in den vorausgegangenen 30 Tagen Zehntausende Mitglieder gewonnen hatten. Einige Unterstützer der Bewegung sähen in den Schutzmassnahmen der Behörden einen Verstoss gegen ihre Rechte, hiess es in dem Bericht. «Und sie wollen die allgemeine Frustration über solche Massnahmen nutzen, um sich zu versammeln und neue Anhänger für ihre Sache zu gewinnen», fügten die Autoren hinzu.

Im März wurde im US-Staat Missouri ein Mann mit Verbindungen zu Neo-Nazis getötet, als Mitarbeiter der Bundespolizei FBI ihn verhaften wollten. Nach Angaben der Behörden hatte er für den Tag, an dem Ausgangsbeschränkungen in Kraft treten sollten, einen Bombenanschlag auf ein Krankenhaus im Grossraum von Kansas City geplant. Gegenüber einem verdeckten FBI-Ermittler soll er gesagt haben, dass er mit seiner «Operation Boogaloo» eine Revolution lostreten wolle.

Laut Gerichtsunterlagen warnte das US-Heimatschutzministerium Anfang Mai in einer Mitteilung, dass eine «White Supremacist»-Gruppe ihre Anhänger dazu aufgerufen habe, auf Polizisten und FBI-Agenten zu schiessen. Die Warnung bezog sich den Angaben zufolge auf «Partner» von Bradley Bunn. Der 53-jährige Veteran sei am 1. Mai festgenommen worden, nachdem das FBI in dessen Haus in Colorado vier Rohrbomben gefunden habe. Bei der Festnahme war Bunn nach Angaben der Ermittler auf dem Weg zu einem bewaffneten Protest gegen Corona-Beschränkungen gewesen.

Die eigenwillige Kleidung einiger Anhänger der «Boogaloo»-Bewegung hat im Übrigen mit der phonetischen Nähe des Wortes zu «Big Luau» zu tun – «Luau» ist der Name für Feste in Hawaii. Nach Angaben der Organisation Anti-Defamation League hatte im April deswegen ein Anführer der Extremistengruppe Three Percenters dazu aufgerufen, bei einer Demonstration in Olympia im Staat Washington mit Hawaii-Hemden zu erscheinen.


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