Der Dachverband Kinderkrebs Schweiz (KKS) kritisiert die vom Bund geplante Reform der Krankenversicherungsverordnung: Sie würde den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten für krebskranke Kinder weiter verschlechtern. Am Dienstag hat der KKS eine Kampagne gestartet.
tl, sda
15.11.2022, 05:00
SDA
Besonders schwierig werde es für die Betroffenen, wenn dringend notwendige Medikamente und Zusatztherapien von der eigenen Krankenkasse nicht oder erst nach viel bürokratischem Aufwand bezahlt werden, hiess es in einer Mitteilung des Dachverbandes Kinderkrebs.
Die meisten der rund 350 Kinder und Jugendlichen, die jährlich in der Schweiz an Krebs erkrankten, würden im Rahmen von internationalen Therapieprotokollen behandelt. Trotzdem müssten standardisierte Behandlungselemente, dank denen im Durchschnitt 80 Prozent der Kinder geheilt werden könnten, gegenüber den Versicherern immer wieder begründet und durchgesetzt werden.
In der geplanten Reform der Krankenversicherungsverordnung (KVV) würden neu klinisch kontrollierte Studien vorausgesetzt, die eine Verbesserung von mindestens 35 Prozent im Vergleich zur Standardarzneimitteltherapie oder – beim Fehlen einer solchen – zu Placebo aufweisen, schreibt der Dachverband Kinderkrebs.
Forschung nicht interessiert an Kinderkrebs
Besonders bei seltenen Krankheiten wie Kinderkrebs gebe es bei Krankheiten, die auf die Standardtherapie nicht ansprechen, aber kaum Behandlungsprotokolle. Die im Vergleich zu erwachsenen Krebspatienten geringe Anzahl krebskranker Kinder mache es für die Hersteller wenig attraktiv, in diesem Bereich zu forschen.
Zudem erfüllten viele Medikamente, die derzeit auf der sogenannten Spezialitätenliste aufgeführt seien, das Kriterium der 35 Prozent nicht. Als Konsequenz würden diese Behandlungen in Zukunft noch schwerer vergütet werden und somit betroffene Patientinnen und Patienten in eine Notlage bringen, kritisiert der Dachverband Kinderkrebs.
Zeitaufwendige Abklärungsverfahren und unnötige Bürokratie beeinträchtigten die Heilungschancen der Patienten, die meistens an hochgradig bösartigen, schnell wachsenden Krebsarten litten, warnt der Onkologe Nicolas von der Weid vom Universitätsspital beider Basel und Präsident von Kinderkrebs Schweiz in der Mitteilung. Eine Therapie müsse so schnell wie möglich beginnen.
Kritik: Kein gleichberechtigter Zugang
Der Revisionsvorschlag des Bundes werde das Problem des gleichberechtigten Zugangs zu lebenswichtigen Medikamenten in der Kinderonkologie nicht lösen, sondern teils spürbar verschlechtern. Der Dachverband Kinderkrebs Schweiz lehne deshalb den Verordnungsentwurf ab und biete stattdessen eine aktive Unterstützung bei der Ausarbeitung tragfähiger Lösungen an, heisst es im Schreiben.
Der Bundesrat hatte im März die Vernehmlassung zur Verordnung über die Krankenversicherung eröffnet; die Neuerungen sollen Anfang 2023 in Kraft treten
Bereits Mitte Oktober warnten allerdings 21 Gesundheitsorganisationen in einem Brief davor, die geplante Revision der Krankenversicherungsverordnung führe zu Ungleichbehandlung und bringe Betroffene in eine Notlage.
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