Trump, Steroid und SatireDer amerikanische Patient
Von Philipp Dahm
5.10.2020
Donald Trumps Medikation wirft zwar Fragen auf, doch das Mitleid der TV-Satiriker hält sich in Grenzen. Grenzenlos sind dagegen die Spekulationen, die sich seit Bekanntwerden der Erkrankung des Präsidenten überschlagen.
Natürlich wusste Donald Trump, dass er mit seinem samstäglichen Ausflug die Coronavorschriften missachtet hat. Doch rund einen Monat vor der Präsidentschaftswahl wollte der 74-Jährige ganz offensichtlich ein Zeichen setzen: Es geht mir gut – und ich bin bereit für den 3. November.
Während sich die persönlichen Ärzte des Präsidenten bemüht haben, die Erkrankung herunterzuspielen, sprechen die Berichte von Experten des Walter Reed National Military Medical Center in Bethesda, Maryland, wo Trump zuletzt behandelt wurde, eine andere Sprache.
Wie krank ist Trump?
Auch wenn der amerikanische Patient äusserlich nicht besonders krank wirkte, scheint Covid-19 Trumps Lunge angegriffen zu haben. Das legen die niedrigen Sauerstoffwerte im Blut des Präsidenten nahe, wegen denen Trump zeitweise eine Sauerstoffzufuhr bekam.
Was dafür spricht, dass Trumps Erkrankung nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte, ist zudem seine Medikation. Seine Ärzte sollen dem Präsidenten unter anderem Dexamethasone verschrieben haben: Es handele sich dabei um ein Steroid, dass bei milden Krankheitsverläufen eher kontraproduktiv als heilsam sei, berichtet die «New York Times».
Ein Medikament, das bei leichtem Krankheitsverlauf riskant sein kann, würde wohl kein Doktor dem Präsidenten ohne Grund verschreiben. Doch die altehrwürdige US-Zeitung bringt noch eine zweite mögliche Diagnose ins Spiel: Trump könnte seine Behandlung selbst angeordnet haben. Und es gibt sogar einen Fachausdruck für solche Patienten: Sie haben das VIP-Syndrom.
2.) SNL: Brillanter Sketch zur TV-Debatte
«Saturday Night Live» (SNL) auf dem US-Sender «NBC» ist seit 1975 eine Institution in der amerikanischen TV-Landschaft. Dass der Präsident am Freitag, den 2. Oktober, seine Erkrankung bekannt gegeben musste, hat die Macher der Show auf dem falschen Fuss erwischt.
Doch das hat die Show, die gerade eine mehrwöchige Coronapause beendet hat, am Folgetag locker aufgefangen. Ihren «cold open»-Sketch am Anfang der Show, der sich um die TV-Debatte mit Biden dreht, beginnt SNL so: «Auch wenn es sich anfühlt, als sei der Dienstag schon 100 Jahre, fanden wir wichtig, dass Sie es nochmal sehen.»
Und los geht's – mit Beck Bennett als «Fox»-Moderator Chris Wallace, Alec Baldwin als notorischem Dazwischenquatscher Donald Trump, Maya Rudolph als designierter Vizepräsidentin der Demokraten, Kamala Harris, und Gaststar Jim Carrey, der als Joe «Das ist der Deal» Biden unter Beweis stellt, was für ein guter Schauspieler in ihm steckt.
3.) Ansteckend? Mir doch egal!
Für TV-Satiriker John Oliver war die Nachricht von Trumps Infektion sowohl «schockierend als auch ausgesprochen unausweichlich» , nachdem sich der Präsident in der TV-Debatte am Dienstag noch über Maskenträger Joe Biden lustig gemacht hat. Dann fragt der «Last Week Tonight»-Moderator, seit wann Trump wusste, dass er positiv ist.
Das Problem: Seit Donnerstagmorgen soll das Weisse Haus gewusst haben, dass Präsidentenberaterin Hope Hicks Symptome zeigt. Doch Donald Trump soll darauf bestanden haben, trotzdem noch am Donnerstagabend eine Veranstaltung in New Jersey zu besuchen, auf der Wahlkampfspenden gesammelt worden sind – und bei diesem Event habe es sogar ein «fucking Buffet» gegeben, ätzt Oliver.
Angesteckt haben sich Mitarbeiter des Präsidenten möglicherweise Sonntag vor einer Woche, als Amy Garrett als designierte Nachfolgerin von Ruth Bader Ginsburg am Obersten Gericht vorgestellt wurde: Zwei Teilnehmer des Events im Weissen Haus wurden anschliessend positiv getestet.
Olivers Kommentar: «Es macht einen ziemlich wütend, wenn man sieht, wie die sich umarmen, während andere ihre Familie monatelang nicht sehen oder im Spital alleine sterben. Sie gefährden sich nicht nur selbst, sondern riskieren, andere anzustecken. Die Sache an einem hochansteckenden Virus ist die, dass du womöglich jemanden töten kannst, den du gar nicht kennst. Und die tun sowas trotzdem.»
4.) Verschwörung links, rechts und ganz weit draussen
Es ist wohl zweifelsfrei Donald Trumps Amtsführung gestundet, dass mit Bekanntwerden der Infektion die Stunde der Verschwörungstheorien geschlagen hat. Während Konservative laut darüber nachgedacht haben, ob die Erkrankung etwas mit dem Aufeinandertreffen mit seinem demokratischen Widersacher am Dienstag zu tun haben könnte, gab es auf der Gegenseite Spekulationen, der Präsident könnte das Ganze nur vortäuschen, berichtet «Associated Press».
Und dann gibt es noch Anhänger der bizarren Theorien von QAnon: Diese freuen sich explizit über die Meldung, dass Donald Trump erkrankt ist –, obwohl sie gleichzeitig glauben, die Pandemie sei bloss eine Erfindung, um dem Präsidenten zu schaden. Und obwohl sie nicht an Covid-19 glauben und das Tragen von Masken ablehnen, propagieren sie die Einnahme des umstrittenen Medikaments Hydroxychloroquine.
Wie geht das alles zusammen? Auf dem QAnon-Kanal wird die Geschichte verbreitet, dass Trump sich durch das Vortäuschen einer Erkrankung zurückziehen konnte, um anschliessend seine Widersacher vernichtend zu schlagen. Diese Zeit der Entrückung hat im kruden QAnon-Kanon sogar einen eigenen Namen: «der Sturm». Dass es sich dabei um mehr ein laues Lüftchen handelt, scheint ausgeschlossen – dennoch trendete bei Google USA am Freitag der Begriff «QAnon».