Es wird geschunkelt, getanzt und gebützt. In Köln im Karnevalsgetümmel scheint Corona weit weg. In Feierzonen und Kneipen gilt zwar 2G, doch Bilder aus den Hotspots rufen Kritik hervor.
Wer am 11.11. in die Herzkammern des Frohsinns will, muss erstmal allerhand Schilder und Karten studieren. Teile der Kölner Altstadt und des beliebten Zülpicher Viertels sind abgeriegelt, zum Karnevalsauftakt dürfen nur Geimpfte oder Genesene (2G) rein. In der deutschen Grossstadt gibt es daher «Passierstellen zur Feierzone». In diesem Begriff spiegelt sich der schwierige Spagat wider, der an diesem Tag gelingen soll: Halligalli mit dreimal «Kölle Alaaf» – aber bitte unter Kontrolle.
Am Zülpicher Viertel ist eine «Fast Lane» aufgebaut für alle, die ein digitales Impfzertifikat auf dem Handy haben. Es wird am Eingang abgescannt, dann kommt ein Stempel mit einem grossen «G» auf die Hand. Eigentlich soll auch der Personalausweis kontrolliert werden, doch das geschieht erkennbar nicht in allen Fällen.
Wer es in die Party-Zone geschafft hat, ist geradezu euphorisch. Larissa, als Hippie verkleidet, sagt: «Mit 2G fühlen wir uns schon sicherer.» Aber ist denn so gar kein Gedanke an Corona da? «Ist schon so im Hinterkopf», sagt sie. «Aber irgendwo muss ja die Welt auch weitergehen.» Diese Meinung scheint hier mehrheitsfähig.
Der Andrang ist immens, schon um kurz vor elf muss der Zugang geschlossen werden. Die Kneipen sind voll, auf der Zülpicher Strasse herrscht dichtes Gedränge.
«Lockdown Alaaf!»
In sozialen Medien kursiert bald ein Video des «Kölner Stadt-Anzeiger», das die Menschenmenge beim Countdown zeigt, und viel Empörung hervorruft. «Alaaf! Heute als ‹Sexy Krankenschwester› auf der Zülpicher Strasse, an Weihnachten als ‹Sexy Intubierte› in der Uniklinik», kommentiert TV-Moderator Jan Böhmermann bei Twitter. «Lockdown Alaaf!», schreibt Comedian Oliver Pocher.
Etwa zur gleichen Zeit appelliert die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) auf der Bühne am Heumarkt an die Feiernden, sich an alle Regeln zu halten und soweit wie möglich an der frischen Luft zu bleiben. «So schwer kann das doch nicht sein», meint sie. «Wir wollen doch alle nicht erleben, dass wir kritisiert werden.»
Auf dem Platz in der Altstadt herrscht Partystimmung, die Veranstaltung ist seit Wochen ausverkauft. Ordner an den Eingängen haben die geduldig wartenden Jecken akribisch kontrolliert und sich gleich zweimal alles Notwendige zeigen lassen: Impf- oder Genesenennachweis, Personalausweis und Eintrittskarte. Nun stehen die Feiernden grösstenteils eng nebeneinander, trinken, singen und tanzen.
«Ich finde es gut, dass hier 2G ist»
«So meine Lieben, jetzt wird geschunkelt», fordert Sänger Peter Brings das Publikum auf. Kölner Karneval auf Abstand - das wäre ein Widerspruch in sich.
Nur vereinzelt tragen Jecke Schutzmasken. Einige ganz Gewitzte haben einen Mund-Nasen-Schutz in ihr Kostüm «eingebaut», zum Beispiel Elvira und ihre beiden Begleiter: Sie sind als Clowns verkleidet und tragen Masken mit einem aufgemalten lachenden Mund. «Ich finde es gut, dass hier 2G ist», sagt Elvira. «Wir haben uns heute Morgen sogar alle noch getestet.»
Auch Daniela Zimmer und ihre Freundinnen haben trotz steigender Infektionszahlen nicht lange überlegt, ob sie aus Solingen zum Sessionsauftakt nach Köln fahren sollen. «Hier ist 2G, wir sind draussen im Freien - ich denke, da sind wir sicher», sagt sie. Ähnlich sieht es Klaus aus Bergisch Gladbach. «Da kann doch nix passieren», meint der 52-Jährige. «Das Leben ist zu kurz, um sich Sorgen zu machen.»
Von Petra Albers und Jonas-Erik Schmidt, dpa