Inzidenz hoch wie nie Deutsche ächzen unter der «Tyrannei der Ungeimpften»

tsha

8.11.2021

Das Schmidts Tivoli stellt als erstes grösseres Theater in Hamburg vollständig auf das 2G-Modell um.
Das Schmidts Tivoli stellt als erstes grösseres Theater in Hamburg vollständig auf das 2G-Modell um.
KEYSTONE

Ein Negativrekord jagt den nächsten: Nachdem kürzlich so viele Neuinfektionen wie nie registriert worden sind, ist nun auch die Inzidenz in Deutschland auf ein Allzeithoch geklettert.

tsha

8.11.2021

Deutschland befindet sich fest im Griff der vierten Corona-Welle. Die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen erreichte am Montag den höchsten Wert seit Beginn der Pandemie. Das Robert Koch-Institut gab die Zahl der bestätigten Fälle pro 100'000 Einwohner und Woche am Morgen mit 201,1 an. Der bisherige Rekordwert wurde auf dem Höhepunkt der zweiten Corona-Welle Ende Dezember 2020 mit 197,6 erreicht.

Innerhalb der letzten Tage und Wochen war die Inzidenz deutlich in die Höhe geschossen. Wurden vor einer Woche noch gut 9'700 Neuinfektionen gemeldet, lag die Zahl heute bei mehr als 15'500. Ein absoluter Pandemie-Rekord wurde am vergangenen Freitag gemessen, als das Robert-Koch-Institut mehr als 37'000 neue Infektionen mit dem Coronavirus gemeldet hatte.



Da viele Deutsche geimpft sind, gehen Experten allerdings davon aus, dass die Spitäler und Intensivstationen weniger stark belastet werden als noch vor rund einem Jahr.

Verschiedene Lösungsansätze

Über die Frage, wie die vierte Corona-Welle gebrochen werden kann, ist eine politische Diskussion im Gang. So läuft Ende November die seit Beginn der Pandemie geltende «epidemische Lage nationaler Tragweite» aus. Auch die drei mutmasslichen künftigen Koalitionsparteien wollen daran nichts ändern, der Pandemie aber stattdessen mit einem Bündel an Massnahmen begegnen.



So soll unter anderem eine tägliche Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher in Pflegeheimen eingeführt werden, auch eine Beschleunigung der Auffrischimpfungen für vulnerable Gruppen wird als wichtiger Ansatz gesehen. Seit einigen Tagen stehen diese sogenannten Booster-Impfungen allen Deutschen offen. 

Generell will die künftige Koalition aus SPD, Grünen und FDP den Bundesländern die Entscheidung über Corona-Massnahmen überlassen. Dazu zählen das Einführen einer Maskenpflicht, ausserdem Hygienekonzepte oder Zugangsregeln nur für Geimpfte, Genesene und Getestete. 

Das Bundesland Sachsen, wo die Fallzahlen bundesweit am schnellsten gestiegen sind, hat am Montag bereits eine 2G-Regelung eingeführt. Das heisst, dass nur noch Geimpfte oder Genesene Zugang zu Innengastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen oder Fussballstadien bekommen. Ausgenommen sind etwa Lebensmittelgeschäfte oder Apotheken. In Sachsen liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei 441 und damit um die Hälfte höher als noch vor einer Woche.

«Es ist noch lange nicht der Höhepunkt erreicht»

In Bayern gilt seit Sonntag die Regel 3G-Plus, die neben Geimpften und Genesenen nur Menschen mit einem negativen PCR-Test Zutritt zu Restaurants oder Veranstaltungen in Innenräumen gewährt; ein Antigen-Schnelltest ist nicht mehr ausreichend.

Vor allem aber versucht Deutschland, die Impfquote im Land zu erhöhen. Wie viele Menschen wirklich vollständig immunisiert sind, ist nicht bekannt. Deutschland gilt aber als eines der Schlusslichter in Europa. Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sprach am Sonntagabend in der ARD-Talkshow «Anne Will» von einer «Tyrannei der Ungeimpften, die über die zwei Drittel Geimpften bestimmen und uns diese Massnahmen aufbürden».

Einen weiteren Lockdown schliessen führende deutsche Politiker weiterhin aus. «Nein, der Lockdown selber, der wäre in der Tat verfassungsrechtlich kritisch», sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bei «Anne Will». Für die nächsten Wochen sieht der CSU-Politiker allerdings schwarz: «Lassen Sie sich nicht täuschen, es geht erst richtig los. Es ist noch lange nicht der Höhepunkt erreicht.»