US-Zwischenwahlen Der Wind dreht gegen Trump und seine Getreuen

Von Oliver Kohlmaier

25.8.2022

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump könnte für die Midterms auf die falschen Kandidaten gesetzt haben.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump könnte für die Midterms auf die falschen Kandidaten gesetzt haben.
Ross D. Franklin/AP/dpa (Archivbild)

Die Republikaner wollen bei den US-Midterms ein Comeback feiern — ihre Chancen stehen nicht schlecht. Ausgerechnet von Trump unterstützte Kandidaten jedoch könnten den sicher geglaubten Sieg vermasseln. 

Von Oliver Kohlmaier

25.8.2022

Am 8. November finden in den USA die sogenannten Midterm-Wahlen statt. Dann wird unter anderem das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt, zudem ein Drittel des Senats.

Die kleine Kammer des Parlaments steht für Republikaner wie Demokraten im Fokus. Dort haben die Demokraten eine Mehrheit, die dünner kaum sein könnte. Nur durch die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris kann die Partei Gesetze im Senat verabschieden.

Die Republikaner waren bereits auf Kurs für ein grandioses Comeback bei den Midterms. Zu Beginn des Sommers deuteten Umfragen darauf hin, dass dies auch gelingen könnte. Nun jedoch scheint sich das Blatt zu wenden.

Kandidaten im Sinkflug

Die Hoffnungen der republikanischen Parteistrategen liegen insbesondere auf den vier umkämpften Bundesstaaten Arizona, Ohio, Pennsylvania und Georgia. Dort wurden alle vier Kandidaten von Trump unterstützt — zum Teil gegen den Willen des Parteiestablishments. Und in allen bahnt sich derzeit eine Trendwende an. Das liegt auch an der mangelnden Erfahrung der Trump-Protegés.

So etwa der Senatskandidat und ehemalige TV-Doktor Mehmet Oz. Der liess zuletzt keine Gelegenheit für ein Fettnäpfchen aus. Bei einer Veranstaltung behauptete er etwa, im Besitz von zwei Häusern zu sein. Das entspricht zwar der Wahrheit. Unerwähnt liess Oz jedoch insgesamt acht weitere Liegenschaften, darunter eine Villa in New Jersey mit 800 Quadratmetern Wohnfläche.

Oz befindet sich seit Wochen im Sinkflug bei den Umfragewerten, sein demokratischer Herausforderer John Fettermann führt verschiedenen Umfragen zufolge mit fünf bis elf Prozentpunkten.

In Ohio rechneten sich die Republikaner ebenso gute Chancen aus. Aber auch dort erweist sich die mangelnde Kampagnenerfahrung von Trumps Liebling als Problem. Senatskandidat und Bestseller-Autor J. D. Vance liegt bereits seit Wochen in Umfragen hinter dem demokratischen Amtsinhaber Tim Ryan.

Wieviele Kinder?

Im wichtigen Südstaat Georgia fiel unterdessen der republikanische Senatskandidat und ehemalige Football-Spieler Herschel Walker zurück. Inzwischen liegt er mit Amtsinhaber Raphael Warnock nur noch gleichauf.

Walker sorgte bereits im Juni mit einem Fauxpass der besonderen Art für Schlagzeilen, als er die Anzahl seiner Kinder nicht korrekt benennen konnte. Ursprünglich gab er an, einen Sohn mit seiner Ex-Frau zu haben. Jedoch wurde bekannt, dass er einen weiteren, ausserehelichen Sohn hat. Mitte Juni musste sein Team dann offiziell erklären, Walker habe insgesamt drei Söhne und eine Tochter.

Der von Trump favorisierte Blake Masters fiel in Arizona nach einem anfänglichen Höhenflug in den Umfragen ebenso stark zurück. Nun stehen die Chancen nicht schlecht für die Demokraten, auch diesen Sitz zu verteidigen. 

Er will für Pennsylvania in den US-Senat: Der republikanische Kandidat Mehmet Oz. 
Er will für Pennsylvania in den US-Senat: Der republikanische Kandidat Mehmet Oz. 
AP/Matt Rourke

Für die Trendwende gibt es wohl mehrere Ursachen. Eine davon ist laut Beobachter*innen im Urteil des Supreme Courts zu sehen, der das 50 Jahre alte verfassungsmässige Recht auf Abtreibung kippte. Dies mobilisierte die als träge geltende demokratische Wählerschaft.

In die Hände spielte den Republikanern zudem Bidens Unbeliebtheit im Volk, die nicht zuletzt auf der starken Inflation und insbesondere den hohen Benzinpreisen beruhte («It's the economy, stupid!»).

Auf Gedeih und Verderb ausgeliefert

Die jedoch fallen seit Wochen, zudem gelang dem US-Präsidenten mit seinem Inflation Reduction Act ein politischer Erfolg, auch wenn der mit Zugeständnissen an parteiinterne Querulanten teuer erkauft war. 

Doch auch Ex-Präsident Donald Trump spielt eine wichtige Rolle bei der Trendumkehr. Die Partei hat sich dem Ex-Präsidenten ohnehin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. 

Das wichtigste Auswahlkriterium bei der Unterstützung der Kandidat*innen war nicht etwa politisches Talent, sondern die Gegnerschaft zu parteiinternen Kritiker*innen.

Über 700 Seiten vertrauliche Dokumente in Mar-a-Lago

Über 700 Seiten vertrauliche Dokumente in Mar-a-Lago

Die Unterlagen wurden laut Angaben des Nationalarchivs im Januar im Haus des Ex-US-Präsidenten gefunden.

24.08.2022

Ex-Präsident unter Druck

Für Trump selbst läuft es eher mittelmässig. Zwar spülte die Hausdurchsuchung in Mar-a-lago Millionen in die Wahlkampfkassen des Ex-Präsidenten, der bald seine erneute Kandidatur verkünden könnte.

Allerdings gerät Trump juristisch immer stärker unter Druck. Am Mittwoch (MEZ) wurde bekannt, dass Trump während seiner Amtszeit mehr als 700 vertrauliche Seiten mit in sein Anwesen Mar-a-Lago nahm. Manche davon unterliegen der höchsten Geheimhaltungsstufe.

Zudem werden im September die Anhörungen zum Sturm auf das Kapitol fortgesetzt. Die haben Trump schon jetzt mehr geschadet, als dies gemeinhin erwartet worden war. Gut möglich, dass sich die Demokraten den heissesten Stoff für ein grosses Finale aufgehoben haben.

Die Aussichten für die Demokraten, den Senat zu halten, haben sich also verbessert. Sie haben nun, wie Elaine Kamarck von der Denkfabrik Brookings schreibt, «von düster zu vorsichtig optimistisch» gewechselt.

Dass die bedingungslose Loyalität zu Trump auch ins Vererben führen könnte, dämmert derweil immer mehr republikanischen Politiker*innen. Der auch «Trump mit Hirn» genannte einstige Günstling Ron DeSantis etwa war einer der wenigen prominenten Republikaner, der Trump nach der Hausdurchsuchung in Mar-a-Lago nicht sofort zur Seite sprang. Auch sonst geht der Gouverneur Floridas zunehmend auf Distanz zu seinem politischen Ziehvater. 

DeSantis werden allerdings selbst Ambitionen auf eine Präsidentschaftskandidatur nachgesagt.