USA 5½ Fragen und Antworten zur Herzschlag-Stichwahl in Georgia

Von Philipp Dahm

5.1.2021

Das TV-Duell zwischen Donald Trump (links) und Joe Biden am 22. Oktober 2020 in Nashville, Tennessee: Nach dem Weissen Haus geht es nun um die Mehrheit im Senat.
Das TV-Duell zwischen Donald Trump (links) und Joe Biden am 22. Oktober 2020 in Nashville, Tennessee: Nach dem Weissen Haus geht es nun um die Mehrheit im Senat.
KEYSTONE

Stichwahlen im gespaltenen Bundesstaat Georgia: Wenn die Demokraten die beiden Sitze holen, erobern sie die Mehrheit im Senat. Ausgerechnet Zugpferd Donald Trump könnte zum Fanal der Republikaner werden.

Am 5. Januar finden im US-Bundesstaat Georgia Stichwahlen um zwei Senatssitze statt, die enormes Gewicht haben. Hier die wichtigsten Fragen zu dem Urnengang – inklusive Antworten.

Warum ist diese Wahl so bedeutend?

Wenn der Präsident in spe effektiv regieren will, braucht er eine Mehrheit im Senat, der viele Massnahmen von Joe Biden absegnen muss. Derzeit halten die Republikaner in dem Gremium vereinfacht gesagt 50 Sitze, die Demokraten 48. Sollten die Demokraten die beiden Sitze in Georgia holen, ergibt sich ein Patt von 50-50.

In diesem Fall gibt die Stimme der Vizepräsidentin den Ausschlag, die ab dem 20. Januar Kamala Harris heisst. Sprich: Georgia entscheidet, was Biden in den kommenden zwei Jahren durchsetzen kann, bis wieder Senatsposten zur Wahl stehen.

Warum überhaupt zwei Stichwahlen?

Weil keiner der Kandidaten im ersten Durchgang im November 2020 mehr als 50 Prozent erreichen konnte. Dass beide Senatorenposten Georgias gleichzeitig zur Wahl stehen, ist Zufall. Der erste Senator stellt sich nach dem Turnus von sechs Jahren der Wiederwahl: Es ist der Republikaner David Perdue.

Der andere Posten steht gleichzeitig zur Wahl, weil sich der republikanische Amtsinhaber zur Ruhe gesetzt hat. Der republikanische Gouverneur von Georgia, Brian Kemp, hat daraufhin – in Abstimmung mit Washington – Kelly Loeffler bestimmt, um die Nachfolge anzutreten.

Kelly Loeffler (links), David Perdue, und Donald Trumps Tochter Ivanka am 21. Dezember 2020 beim Wahlkampf in Milton, Georgia.
Kelly Loeffler (links), David Perdue, und Donald Trumps Tochter Ivanka am 21. Dezember 2020 beim Wahlkampf in Milton, Georgia.
KEYSTONE

Und was ist daran jetzt «Herzschlag»?

Hier kommen einige Faktoren zusammen. Ausgerechnet in Georgia stehen zwei Senatsposten zur Wahl, die die Republikaner ihre knappe Führung im Senat kosten könnten. Ausgerechnet in Georgia, das zuletzt 1992 von Bill Clinton gewonnen werden konnte, bevor Joe Biden nun im November wieder das Kunststück gelungen ist. Und das mit weniger als 13'000 Stimmen Vorsprung.

Laut «CBS» sind weniger als drei Prozent der Wähler unentschieden und die meisten wählen gemäss Partei-Präferenz: Die Stichwahlen könnten also ähnlich knapp ausfallen wie die Präsidentschaftswahl. Die Teilnahme an der November-Wahl ist übrigens keine Voraussetzung, um bei der Stichwahl abstimmen zu können.

Drei Millionen Abstimmende – 38,8 Prozent der Wahlberechtigten – haben seit dem 14. Dezember die Möglichkeit wahrgenommen, frühzeitig oder per Brief abzustimmen. Da deren Auszählung erst am Wahltag beginnt, könnte der Verlauf dem der November-Wahl gleichen: Mit ersten Vorteilen für die Republikaner nach Schliessung der Wahllokale, die mit den Stunden oder gar Tagen und der zunehmenden Auszählung der Briefwahl-Stimmen egalisiert werden.

Die demokratischen Kandidaten Jon Ossoff (links) und Raphael Warnock am 28. Dezember in Stonecrest, Georgia, auf Stimmenfang.
Die demokratischen Kandidaten Jon Ossoff (links) und Raphael Warnock am 28. Dezember in Stonecrest, Georgia, auf Stimmenfang.
KEYSTONE

Warum ist Trump Zugpferd wie Bremse?

Unter der Prämisse, dass sich so gut wie alle Wähler bereits entschieden haben, kann es für die Parteien nur eine Devise geben: Sie müssen so viele ihrer Anhänger für die Wahl mobilisieren, wie es nur geht. Dass sich die republikanischen Kandidaten Perdue und Loeffler im Wahlkampf voll auf Trump-Linie gezeigt haben, könnte für sie nun zum Problem werden.

Keiner der beiden hat Joe Biden zum Sieg gratuliert und beide haben die Trump-Thesen von einer geschobenen Wahl aufgegriffen und mitgetragen. Nun müssen sie ihrer Klientel erklären, warum es jetzt so wichtig sein soll, an die Urnen zu gehen, obwohl das System angeblich so korrupt ist – ein Dilemma.



Insofern erweist Trump seiner Partei auch einen Bärendienst, wenn er frank und frei einräumt, er habe den Wahlleiter Georgias beackert, damit der das Wahlergebnis vom November abändert. Das Ergebnis: Brad Raffensperger, selbst ein Republikaner, beschuldigt den Präsidenten, zu lügen. Es darf bezweifelt werden, dass derlei Gebaren die Wähler der Grand Old Party motiviert, am 5. Januar ins Wahllokal zu laufen.

Wer gegen wen?

Im ersten Duell fordert Jon Ossoff den republikanischen Amtsinhaber David Perdue heraus. Die Demokraten haben Ossoff 2017 erstmals in ein Wahlrennen geschickt, in dem der damals 30-jährige Dokumentarfilmer aber nichts bewegt hat.

«Sie sind nicht bloss ein Gauner, Senator, sondern ... »: Jon Ossoff kritisiert David Perdue im Oktober vor dem ersten Wahlgang im TV-Duell heftig.

Der 71-jährige Geschäftsmann Perdue war CEO verschiedener Firmen und ist Multimillionär. Er stand zuletzt wegen der Verharmlosung der Pandemie und massiven Aktien-Verkäufen vor deren öffentlichem Bekanntwerden in der Kritik. Perdue hatte im ersten Wahlgang rund 88'000 Stimmen Vorsprung vor seinem Herausforderer.

Gekniffen: Im zweiten TV-Duell im Dezember blieb Perdues Tisch leer.

Auch seine Parteikollegin Kelly Loeffler würde im Fall einer Niederlage weich fallen: Die 50-jährige Geschäftsfrau ist geschätzte 800 Millionen Dollar schwer. Sie wurde im Dezember 2019 vom Gouverneur Georgias als Ersatz für Johnny Isakson nominiert, der aus gesundheitlichen Gründen sein Senatorenamt abgegeben hat. Der Politikneuling wollte an den Senatswahlen 2014 in Georgia teilnehmen, verzichtete dann aber wegen ausstehender Aktiengeschäfte auf eine Nominierung. 

Erstes TV-Duell: Warnock sind Recht und Ordnung egal, will Loeffler suggerieren.

Ihr Konkurrent Raphael Warnock ist als Pastor in die Fussstapfen seiner Eltern getreten, die ebenfalls Gottes Wort verbreitet haben. Der 51-Jährige führt heute die wichtigste schwarze Gemeinde in Georgia und wird von Republikanern wie Loeffler als «radikalster Demokrat auf dem Stimmzettel» und «Sozialist» gebrandmarkt.

Zweites TV-Duell: Wie Perdue wird auch Loeffler vorgeworfen, die Pandemie nicht nur verharmlost, sondern auch noch Profit daraus geschlagen zu haben.

Bonusfrage: Was sagen die Umfragen?

Bei der einen Umfrage führen die Demokraten hauchdünn, bei der anderen die Republikaner: In einem gespaltenen Bundesstaat in einer gespaltenen Nation ist einfach alles ziemlich knapp.

Die Präsidentschaftswahl hat ohnehin bewiesen, dass jenen Erhebungen nicht zu trauen ist. Wer die Stimm-Margen vom November im Hinterkopf hat, hält sich mit Prognosen im Januar lieber vornehm zurück.

Zurück zur Startseite