USA Trump drängt Wahlleiter von Georgia: «Finden» Sie Stimmen für mich

dpa

4.1.2021 - 07:45

Eine Stunde lang beackert Donald Trump in einem Telefonat den Verantwortlichen in Georgia, das Wahlergebnis zu seinen Gunsten zu korrigieren. Ehemalige US-Verteidigungsminister warnen Trump derweil vor einem Missbrauch des Militärs.

Der amtierende US-Präsident Donald Trump wehrt sich weiter gegen seine Wahlniederlage: In einem ungewöhnlichen Telefonat hat der 74-Jährige auf eine nachträgliche Änderung des Ergebnisses im Bundesstaat Georgia gedrungen. In dem etwa einstündigen Gespräch hat Trump den für die Durchführung der Wahl verantwortlichen Staatssekretär Brad Raffensperger unverblümt aufgefordert, genügend Stimmen für ihn «zu finden» und das Ergebnis «nachzuberechnen», wie die «Washington Post» am Sonntag berichtete.

Die Zeitung veröffentlichte Teile eines Mitschnitts des Gesprächs vom Samstag. Später berichteten auch weitere US-Medien, darunter die Nachrichtenagentur AP, unter Berufung auf ihnen vorliegende Mitschnitte über den Inhalt des Gesprächs. Der Republikaner Trump schrieb auf Twitter über das Telefonat mit Raffensperger und beschimpfte seinen Parteikollegen als «ahnungslos».

Drohung am Telefon 

Trump drohte Raffensperger in dem Telefonat, dass er ein «grosses Risiko» eingehe und sich womöglich einer Straftat schuldig mache, wenn er nicht gegen Wahlbetrug vorgehe. Der amtierende Präsident hatte Georgia bei der Wahl vom 3. November sehr knapp verloren. Der Demokrat Joe Biden lag dort mit etwa 12'000 Stimmen vorne. Die Ergebnisse wurden dort zweimal nachgezählt. Das Endergebnis änderte sich dadurch nur geringfügig, es gab keine Hinweise auf Wahlbetrug.

Der amtierende US-Präsident Donald Trump. (Archiv)
Der amtierende US-Präsident Donald Trump. (Archiv)
Bild: Patrick Semansky/AP/dpa

In dem Telefonat klagte Trump über das «falsche» Ergebnis in Georgia und beteuerte, er habe die Wahl gewonnen. «Ich will nur 11'780 Stimmen finden ... weil wir den Bundesstaat gewonnen haben», sagte er dem Mitschnitt zufolge. «Wir haben die Wahl gewonnen, und es ist nicht fair, uns den Sieg so zu nehmen», sagte Trump. «Es kann nicht sein, dass ich Georgia verloren habe.» Es seien «Hunderttausende» fragwürdige Stimmen abgegeben worden, behauptete Trump. «Tote haben abgestimmt», sagte er weiter.



«Nichts falsch» an Wahlergebnissen

Raffensperger solle die Ergebnisse nochmals prüfen. Es sei «nichts falsch daran», zu erklären, dass alles neu berechnet worden sei. «Aber prüfen Sie es mit Leuten, die Antworten finden wollen», sagte Trump. Raffensperger entgegnete dem Mitschnitt zufolge: «Wir müssen zu unseren Zahlen stehen. Wir glauben, unsere Zahlen stimmen.» Der Staatssekretär verwies auch darauf, dass die Ergebnisse vor Gericht Bestand gehabt hätten. Auf Twitter schrieb er später mit Bezug auf Trumps Behauptungen: «Mit Respekt, Herr Präsident: Was Sie sagen, ist nicht wahr.»

Die gewählte Vizepräsidentin Kamala Harris bezeichnete Trumps Vorgehen in dem Telefonat vom Samstag als «dreisten Machtmissbrauch», der «die Stimme der Verzweiflung» erkennen lasse. Trump und seine Republikaner hätten in dem Bundesstaat sechs Klagen gegen das Ergebnis eingereicht und seien damit erfolglos geblieben, sagte die Demokratin bei einem Wahlkampfauftritt in Georgia.

Im Artikel der «Washington Post» hiess es, das «umherschweifende und teilweise unzusammenhängende Gespräch» zeige wie «besessen und verzweifelt» der Präsident angesichts seiner Wahlniederlage sei. Trump glaube noch immer, dass er das Ergebnis in genügend Staaten ändern könne, um sich eine zweite Amtszeit zu sichern, hiess es weiter. An dem Telefonat nahmen demnach auch Trumps Stabschef Mark Meadows und Anwälte des Republikaners teil.

Erfolglose Klagen

«Die Menschen in Georgia sind wütend», behauptete Trump. In dem Bundesstaat finden am Dienstag Stichwahlen um zwei Senatssitze statt, deren Ergebnis die Mehrheit der Republikaner in der Parlamentskammer in Washington kippen könnte. Trump wollte am Montag auch nochmals persönlich in Georgia Wahlkampf machen.

Trump hat die Wahl vor fast zwei Monaten verloren, weigert sich aber weiterhin, Bidens Sieg anzuerkennen. Dieser soll am 20. Januar als neuer Präsident vereidigt werden. Biden sicherte sich 306 Stimmen der Wahlleute, deutlich mehr als die für einen Sieg nötigen 270 Stimmen. In Georgia wurden die Stimmen von 16 Wahlleuten vergeben.

Trump hat auch die Ergebnisse in anderen Bundesstaaten, darunter Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten, infrage gestellt. Er und seine Verbündeten haben mit ihren Klagen gegen die Ergebnisse jedoch keinen Erfolg gehabt – selbst von Trump ernannte Richter wiesen Klagen zum Teil mit sehr deutlichen Begründungen zurück.

Im formalen Wahl-Prozedere der USA steht am Mittwoch (ab 19:00 Uhr MEZ) noch die Zertifizierung der Ergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten im Kongress an. Erst dann wird amtlich sein, wer die Wahl gewonnen hat. Republikaner aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat haben angekündigt, bei der Prozedur Einspruch gegen Resultate einzelner Staaten einzulegen. Die Störaktion kann die Bestätigung von Bidens Wahlsieg um einige Stunden verzögern, hat aber keine Aussicht darauf, tatsächlich etwas am Wahlausgang zu ändern.

Zehn Ex-Verteidigungsminister warnen

Zehn frühere US-Verteidigungsminister haben gemeinsam davor gewarnt, das Militär im Streit über die Wahlergebnisse zu missbrauchen. Die Streitkräfte einzuschalten würde die USA in «gefährliches, gesetzeswidriges und verfassungswidriges Gebiet bringen», warnten die Republikaner und Demokraten in einem Gastbeitrag in der «Washington Post». Der Zeitung zufolge handelt es sich um alle zehn noch lebenden früheren Chefs des Pentagons. Zu den Unterzeichnern gehört auch Mark Esper, der zuletzt noch US-Präsident Donald Trump gedient hatte.

Da Trump sich weigert, seine Wahlniederlage einzugestehen, befürchteten Kritiker zeitweise, er könnte notfalls sogar das Militär instrumentalisieren, um sich an der Macht zu halten.

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