Logistischer Hosenlupf Darum lassen die Kampfpanzer für die Ukraine auf sich warten

Von Gabriela Beck

8.2.2023

Benötigt für den Einsatz an der Front Munition und Ersatzteile: Kampfpanzer des Typs Leopard 2.
Benötigt für den Einsatz an der Front Munition und Ersatzteile: Kampfpanzer des Typs Leopard 2.
Lech Muszynski/PAP/dpa

Gerade noch haben sich viele EU-Staaten mit Ankündigungen zu Lieferungen von Kampfpanzern an die Ukraine überboten. Nun sind sie merkwürdig still geworden. Woran liegt das?

Von Gabriela Beck

8.2.2023

Es ist gerade einmal zwei Wochen her, dass der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz als Europas Bremsklotz für dringend benötigte Kampfpanzer galt, um die Ukraine im Krieg gegen die russischen Invasoren zu unterstützen.

Mittlerweile hat Deutschland nach langer Debatte entschieden, der Ukraine 14 modernere Leopard 2A6 Kampfpanzer zu überlassen sowie Verbündeten Lieferungen dieses in Deutschland entwickelten Panzermodells zu erlauben. Doch die EU-Länder zaudern. Zwar hat man sich allgemein bereiterklärt, nicht aber verbindliche Stückzahlen oder Lieferdaten verkündet. 

Finnland benötigt die Panzer selbst, die Dänen müssen erst zählen

Die Regierungen in Norwegen und den Niederlanden verkünden wenig konkret, man wolle den Ankauf von Leopard-Panzern finanzieren. Finnland mit seiner 1300 Kilometer langen Grenze mit Russland betont, es werde nicht viele Panzer aus eigenen Beständen liefern können, weil man diese selbst dringend benötige. Das dänische Militär scheint hingegen gar nicht zu wissen, über wie viele Panzer es verfügt, schreibt die «Süddeutsche Zeitung».

Insgesamt sei die Lage sehr «intransparent», beklagt Jana Puglierin vom European Council for Foreign Relations (ECFR) in derselben Zeitung. Die Institution plädiert seit Monaten für einen europäischen «Leopard-Plan» und abgestimmte Lieferungen an die Ukraine.

So fährt sich ein Leopard-Panzer

So fährt sich ein Leopard-Panzer

Der Leopard 2 ist durch den Krieg in der Ukraine in aller Munde: blue News hat im Januar 2023 das Ausbildungszentrum der Schweizer Armee in Thun besucht und sich den Panzer erklären lassen, in den Kiew grosse Hoffnung setzt.

02.02.2023

Die Problematik: Panzerlieferungen allein bringen der Ukraine nichts, wenn nicht auch die Logistik von Ersatzteilen und Munition sichergestellt ist. Dazu bedarf es rechtzeitiger Absprachen, was die Europäer allem Anschein nach versäumt haben.

Dazu kommt: Der Materialvorrat der europäischen Streitkräfte scheint zum Teil dezimiert zu sein. Doch ältere Modelle wie der Leopard 2A4 sind vielerorts eingemottet und müssen erst wieder instand gesetzt werden. Das dauert. Und nicht zuletzt muss eine gewisse Stückzahl an Kampfpanzern in den jeweiligen EU-Staaten verbleiben, damit sie ihre Aufgaben im Rahmen der Nato erfüllen können.

Portugal will Leopard 2-Panzer bis Ende März liefern

So hat der portugiesische Regierungschef António Costa zwar die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 an die Ukraine fest zugesagt, die genaue Zahl aber weiter offengelassen. Als möglichen Zeitpunkt der Entsendung nannte Costa im staatlichen TV-Sender RTP immerhin einen Zeitraum «bis Ende März».

Jetzt gehe es in den Kontakten zu Deutschland um «eine logistische Operation zur Lieferung von Teilen, um die Instandsetzung einiger der Kampf-Fahrzeuge abzuschliessen, die nicht einsatzbereit waren», sagte Costa laut der staatlichen portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa. Die portugiesische Verteidigungsfähigkeit müsse trotz der Lieferungen von Panzern in die Ukraine gewährleistet bleiben, auch um Aufgaben im Rahmen der Nato erfüllen zu können. Deshalb müssten derzeit nicht einsatzfähige Panzer repariert werden, um einsatzbereite Leopard, die an die Ukraine geliefert werden sollen, zu ersetzen.

Polen hat die Lieferung von 14 Leopard-Panzern des älteren Modells 2A4 versprochen und bereits mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten für den Umgang damit begonnen. Zwar liesse sich noch nicht exakt sagen, wie viel Zeit dafür nötig sei, es werde aber jedenfalls «nicht um Tage und nicht um Monate gehen», sondern sei «eine Frage von Wochen», sagte der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak am Wochenende während seines Besuchs in Kiew. Die genaueren Liefermodalitäten für die Panzer selbst werde man mit den Nato-Verbündeten auf einem Treffen Mitte Februar erörtern.

Hundert Leopard 1A5 bis zum Sommer 2024

Nun soll die Ukraine von einer Gruppe europäischer Länder mehr als 100 Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 1A5 erhalten, gab der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seinem ersten Besuch in Kiew gestern bekannt.

Ziel sei es, im Laufe des ersten oder zweiten Quartals 2024 auf über 100 zu kommen. Das bedeute, dass mindestens drei ukrainische Bataillone einschliesslich des zu beschaffenden Materials für Ersatzteile und Munition ausgerüstet werden könnten. Zudem habe man mit der Ausbildung von 600 Feldwebeln begonnen.

In einer gemeinsamen Erklärung mit den Verteidigungsministerien der Niederlande und Dänemarks hiess es, dass die beiden Länder sich auch an der Leopard-1-Lieferung beteiligen. «Dänemark, Deutschland und die Niederlande stellen überholte Leopard 1A5 aus industriellen Beständen zur Verfügung», hiess es. Die Initiative sei offen für andere Länder. Belgien habe Interesse an einer Teilnahme signalisiert.

Er habe allerdings immer noch die Hoffnung, dass auch ein bis zwei Bataillone mit moderneren, den Panzern sowjetischer Bauart überlegenen Leopard 2A4 und 2A6-Modellen zustandekommen, verriet Pistorius in einem Interview mit dem deutschen Fernsehnetzwerk «ZDF».

Mit Material der Nachrichtenagenturen DPA und AFP.