Late Night USA Donald Trumps «offen faschistische Rhetorik»

Von Philipp Dahm

14.11.2023

Will «Ungeziefer» ausmerzen: Donald Trump spricht am Tag der amerikanischen Veteranen.
Will «Ungeziefer» ausmerzen: Donald Trump spricht am Tag der amerikanischen Veteranen.
Bild: YouTube/Late Night with Seth Meyers

Donald Trump plant für die Zeit nach dem Wahlsieg, den er 2024 erwartet: Der 77-Jährige und sein Team legen Pläne offen, die nicht nur wegen der Rhetorik an dunkle Zeiten erinnern. Seth Meyers kann es kaum fassen.

Von Philipp Dahm

14.11.2023

Keine Zeit? blue News fasst für sich zusammen

  • Trotz besserer Umfragewerte verlieren die Republikaner die letzten Wahlen.
  • In Ohio soll das Recht auf Abtreibung in die Verfassung, doch dieses Ergebnis versuchen die Republikaner juristisch zu verwässern.
  • Medienberichten zufolge plant Trumps Team nach seinem Wahlsieg 2024 Razzien, Massen-Ausweisungen, Gefangenen-Camps und den Einsatz des Militärs gegen Demonstranten.
  • Ausserdem sollen Bidens gesamte Familie angeklagt und auch andere Kritiker Trumps belangt werden.
  • Vorgehen gegen «Ungeziefer»: Trumps Reden wecken Erinnerungen an die Zeit, als in Europa der Faschismus Angst und Schrecken verbreitete.

Es dauert noch ein Jahr bis zur Wahl des US-Präsidenten – doch wohin die Reise geht, ist unklar, beginnt Seth Meyers seinen «Closer Look»: «Auf der einen Seite waren die letzten Umfragen für Joe Biden konsequent schlecht, doch auf der anderen Seite gewinnen die Demokraten weiter Wahlen.»

Damit meint der Moderator die jüngsten Abstimmungen in Kentucky, Virginia und Ohio. Im letztgenannten Bundesstaat, in dem ein Republikaner regiert, liessen sich die Wahlberechtigten gar das Recht auf Abtreibung in der Verfassung schriftlich garantieren.

«Zuletzt lief es für die Republikaner so schlecht, dass sie nicht einmal mehr wie normale Menschen lächeln können», sagt Meyers und zeigt eine Aufnahme von Ron DeSantis, der gequält aussieht, als er versucht, mit der Zunge zwischen den Zähnen seine Mundwinkel nach oben zu ziehen.

Ron DeSantis (links) guckt merkwürdig und Seth Meyers macht gute Miene zum komischen Spiel.
Ron DeSantis (links) guckt merkwürdig und Seth Meyers macht gute Miene zum komischen Spiel.
Bild: YouTube/Late Night with Seth Meyers

Meyers erklärt: «Der Sieg in Ohio in Sachen Abtreibungsrecht scheint die Republikaner besonders geärgert zu haben, aber weil es nicht mehr ‹marktgerecht› ist, Niederlagen zu akzeptieren, suchen die Ohio-Republikaner nach Wegen, den Willen der Wählenden zu umgehen, indem sie das Ergebnis ignorieren und sich das Recht herausnehmen, das Abtreibungsrecht zu interpretieren.»

«Regeln, die ihr nicht mögt, sind kein Unfug»

Tatsächlich wollen vier Abgeordnete den Gerichten verbieten, das Ergebnis der Wahl interpretieren zu können. «Um Unfug durch Pro-Abtreibung-Gerichte» zu verhindern, soll allein die Legislative – also die Politik – entscheiden, inwiefern bestehende Gesetze nun geändert werden.

«Was meint ihr mit Unfug durch Pro-Abtreibung-Gerichte?», fragt Meyers grinsend. «Regeln, die ihr nicht mögt, sind kein Unfug. Unfug ist, wenn Teenager Klopapier in deinen Baum werfen, und wenn du hochkletterst, um es runterzuholen, kommen sie heraus und stehlen deine Leiter, sodass du Tannenzapfen ans Schlafzimmerfenster werfen musst, um deine Frau zu wecken. Aber sie denkt bloss, es ist ein Einbrecher und ruft die Polizei, und dann kommen die Cops, leuchten in den Baum und rufen: ‹Hey, warst du nicht der Update-Typ von SNL?› Das ist Unfug!»

Hier definiert Seth Meyers «Unfug».
Hier definiert Seth Meyers «Unfug».
Bild: YouTube/Late Night with Seth Meyers

Gemeint ist natürlich Meyers' Karriere bei «Saturday Night Live», wo er das Segment «Weekend Update» präsentiert hat. «Ich weiss, dass du es warst, Devin», beendet der Late-Night-Host seine kleine Anekdote über Unfug.

Gesichter, die Bände sprechen

Doch nun wird Meyers ernst: «Die Republikaner wollen den Gerichten also ihre Macht nehmen, was offensichtlich gegen die Verfassung verstösst.» Das könne aber nicht überraschen angesichts dessen, was sich Donald Trump leiste, der die Partei sehr wahrscheinlich in den kommenden Wahlkampf führen wird.

Trump steht derzeit unter anderem in New York vor Gericht, wo er wegen Betruges angeklagt ist. «Heute war sein Sohn Don Jr. im Gericht, um für die Verteidigung auszusagen. Er sass nur ein paar Reihen vor der New Yorker Staatsanwältin Laetitia James entfernt, die den Fall vor Gericht brachte. Ich könnte Ihnen nun sagen, wie die Sache für die Trumps läuft, oder Sie schauen einfach diesen Clip und urteilen anhand der Gesichtsausdrücke selbst.»

Meyers: «Er sieht aus, als würde er gerade eine Darmspiegelung bekommen ...

Bild: YouTube/Late Night with Seth Meyers

... und sie sieht aus, als hätte sie gerade Aktien von ‹Darmspiegelungen R Us› gekauft.» 

Bild: YouTube/Late Night with Seth Meyers

Don Jr. und James würden alle Emotionen im Gerichtssaal widerspiegeln, weiss der Moderator. Und ergänzt, wie es aussieht, wenn man diese beiden Gesichter mischt:

Bild: YouTube/Late Night with Seth Meyers

Und nun holt der 49-Jährige aus: Donald Trump ist neben dem Betrugsfall in vier Strafprozessen angeklagt, so Meyers. Doch das habe ihn nicht daran gehindert, seine Pläne für eine zweite Amtszeit vorzulegen. «Tatsächlich gibt es bereits ausführliche Berichte darüber, wie Trump plant, seine autoritäre Übernahme der Regierung abzuschliessen, um eine Autokratie seiner Kumpel und Ergebenen einzurichten.»

Gefangenen-Camps und Militär gegen Demonstranten

Die «New York Times» meldet, Trumps Team plane bereits Razzien gegen Einwanderer und Massen-Ausweisungen, erklärt Meyers. Die «Washington Post» ergänzt, Trumps Verbündete wollten das Justizministerium nutzen, um sich an den Kritikern des New Yorkers zu rächen – zu sehen auch im Clip ab Minute 6:12.

Joe Bidens Umfragewerte sind schlecht, doch noch gewinnen die Demokraten trotzdem Wahlen, weiss Meyers.
Joe Bidens Umfragewerte sind schlecht, doch noch gewinnen die Demokraten trotzdem Wahlen, weiss Meyers.
Bild: YouTube/Late Night with Seth Meyers

«Trump plant bereits umfassende Razzien, Massen-Ausweisungen, Gefangenen-Camps, den Einsatz des Militärs gegen zivile Demonstranten und die Nutzung des Justizministeriums, um Kritiker zu belangen», fasst der dreifache Vater zusammen.

«Und angesichts dieser Nachrichten möchte ich nur sagen», der Moderator wendet sich zur Kamera: «Ich habe dich immer gemocht, Donny! Ich verstecke mich hinter einer Fassade aus Inhalten, weil ich Angst habe, meine wahren Gefühle zu zeigen. Aber ich habe immer gedacht, dass du gutaussehend, stark und reich bist. Und du hast nie beim Golfen geschummelt, du bist ehrlich besser als [Golf-Legende] Tiger Woods.»

«Wir werden die Globalisten verjagen»

Doch zurück zur «echten Show», beendet Meyers die Race: «F*** diesen Volltrottel, den rassistischen Blödmann, der denkt, er kann reingrätschen und eine Diktatur errichten, obwohl er ungefähr neun Handschellen trägt. Erstens ist er umgeben von debilen, kriminellen Rowdys wie Rudy Giuliani oder Steve Bannon, die kaum einen kohärenten Satz zusammenkriegen, ohne gleichzeitig ein Verbrechen zu begehen.»

Rudy Giuliani (links) und Steve Bannon (Mitte) bringen Meyers (rechts) in Rage.
Rudy Giuliani (links) und Steve Bannon (Mitte) bringen Meyers (rechts) in Rage.
Bild: YouTube/Late Night with Seth Meyers
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Den Videobeweis dazu gibt es ab Minute 8:02, in dem es um die Prioritäten der Staatsanwaltschaft geht, falls Trump gewinnt. Sie soll die «Deep-State-Exekutive» entlassen, die gesamte Familie Biden anklagen, zehn Millionen Menschen abschieben, Leute in Guantánamo einsperren und jeden am 6. Januar Beteiligten begnadigen. Steve Bannon sagt dazu: «Das ist fantastisch, wir sollten das tun.»

Und nun zeigt Meyers – bei Minute 9:08 –, wie Trump selbst in dieses Bild passt. Der 77-Jährige hält eine Rede am Tag der Veteranen: «Wir werden die Globalisten verjagen», tönt er. «Wir werden die Kommunisten, Marxisten und Faschisten vertreiben. Wir werden die kranke politische Klasse stürzen, die unser Land hasst. Wir versprechen euch, dass wir die Kommunisten, Marxisten, Faschisten und die radikal-linken Verbrecher entwurzeln werden, die wie Ungeziefer in den Grenzen unseres Landes leben, die lügen und stehlen und bei Wahlen betrügen.»

Trump sagt auch: «Die Gefahr durch äussere Kräfte ist viel weniger böse, gefährlich und schwerwiegend als die Gefahr aus dem Inneren.» «Das ist offen faschistische Rhetorik», klagt Meyers, «aber zu viele Amerikaner sind abgestumpft. Weil es Trump ist, und er ist ein grosser, schwitzender Idiot, der kaum drei Worte aneinanderreihen kann. Trump plant, seine autoritäre Machtübernahme abzuschliessen, wenn er 2024 gewinnt».