Südostasien Dürre am Mekong – eine Lebensader trocknet aus

Von Shaun Turton und Carola Frentzen, dpa

27.9.2020

Fischerboote liegen auf der kambodschanischen Chroy-Changvar-Halbinsel, am Zusammenfluss von Mekong und dem Tonle Sap, an Land.
Fischerboote liegen auf der kambodschanischen Chroy-Changvar-Halbinsel, am Zusammenfluss von Mekong und dem Tonle Sap, an Land.
Bild: Shaun Turton/dpa

Der Mekong ist Mythos und Lebensader zugleich. Doch das Sehnsuchtsziel vieler Asien-Fans ist zunehmend von Dürren und Dämmen bedroht. Dabei sind Millionen Menschen von dem mächtigen Fluss abhängig.

Das Flussbett auf der Chroy-Changvar-Halbinsel führt kaum Wasser, im matschigen Boden häuft sich der Abfall. Der Fischer Ho San steht neben seinem Holzboot und blickt auf den Punkt, wo der Fluss Tonle Sap in den legendären Mekong mündet. «Man kann am Schlamm erkennen, bis wo das Wasser normalerweise reicht», sagt der 31-jährige Kambodschaner. «So niedrig haben wir den Wasserpegel noch nie gesehen. Wir werden Hunger leiden.»

Schon das zweite Jahr in Folge erleben die Menschen am Mekong eine verheerende Dürre. Dabei ist der Strom, der durch ein halbes Dutzend Länder Südostasiens fliesst, für die Ernährung und den Lebensunterhalt von geschätzten 60 Millionen Menschen von lebenswichtiger Bedeutung.

Rund 4'350 Kilometer schlängelt sich der Fluss durch China, Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam. Vom Himalaya durch Schluchten und Ebenen bis zum Mekong-Delta und von dort ins Südchinesische Meer. Er ist einer der gewaltigsten Ströme des Planeten.

Beeinflusst durch das Wetterphänomen El Niño sind die Niederschlagsmengen zuletzt jedoch massiv gesunken, speziell am unteren Mekong-Becken: Von Januar bis Juli fielen gerade einmal 397 Millimeter Niederschlag. Das sind 36 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2019 und dramatische 62 Prozent weniger als 2018.

Die «Fischfabrik» ist in Gefahr

In Kambodscha spüren die Menschen die anhaltende Trockenheit infolge des Klimawandels gerade besonders. Ausgerechnet der Tonle Sap – der grösste See Südostasiens, der als «Fischfabrik» des Mekong gilt – ist in Gefahr. Beliebt ist er auch bei Ausflüglern, die etwas weiter nördlich die Tempelanlagen von Angkor besuchen. Viele machen einen Tagestrip zu den auf Stelzen in den See gebauten «schwimmenden Dörfern».

Der Wasserpegel des Sees befindet sich derzeit auf einem historischen Tiefstand. Zu den zahlreichen Fischarten, die in den Gewässern der Region leben, gehören verschiedene Welse, Schlangenkopffische und Karpfen. Aber die Bestände schrumpfen. Und die Verzweiflung wächst. Seine Fänge seien bereits um die Hälfte zurückgegangen, erzählt der Fischer Salas Vel. Für die Zukunft habe er wenig Hoffnung, so der 62-Jährige.

Ausgelöst durch die Dürre hat sich in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal in Folge ein einzigartiges und für Mensch und Tier gleichermassen wichtiges Naturphänomen um Monate verzögert: In der zwischen Mai und Juni startenden Monsunsaison schwillt der Mekong heftig an. Sein Wasser drängt dann mit Wucht in den Tonle-Sap-Fluss – der daraufhin seine Fliessrichtung ändert.

Der Fischer Salas Vel bangt um seine Existenz.
Der Fischer Salas Vel bangt um seine Existenz.
Bild: Shaun Turton/dpa

In der Folge werden nicht nur die Becken des Tonle-Sap-Sees geflutet, sondern auch die umliegenden Ebenen und Wälder. Am Ende der Regenzeit im September müsste, wenn alles glatt läuft, ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzflächen Kambodschas von Wasser bedeckt sein. Wichtig ist dies auch für den lebensnotwendigen Reisanbau. 2020 und 2019 hat die Richtungsänderung aber erst im August begonnen, Monate später als sonst.

«Normalerweise läuft das Wasser in die Seen und Teiche, damit die Fische brüten können, aber jetzt kann das nicht mehr passieren», sagt Fischer Vel. Das tägliche Herausfahren auf den See wird somit immer frustrierender für die, die mit immer leereren Netzen zurückkommen. «Fischer, die etwas Geld haben, haben sich Tuk-Tuks gekauft, um als Fahrer ein Einkommen zu haben. Andere arbeiten im Bauwesen. Aber wir, die kein Geld haben, müssen irgendwie durchhalten.»

China kontrolliert den Strom

Nicht nur Klimawandel und Trockenheit machen den Kambodschanern und den anderen Anrainern des Mekong zu schaffen, sondern auch China. Die Volksrepublik hat fast ein Dutzend Staudämme auf seinem Territorium gebaut und zapft Strom aus dem mächtigen Fluss.

Den anderen Staaten wird der Hahn damit quasi zugedreht – Peking kontrolliert den Strom. Auch deshalb droht dessen empfindliche Ökologie nun zu kippen und einem Desaster entgegenzusteuern. Und weitere Dämme sind geplant. Die Folge: Immer weniger nährstoffreiche Sedimente gelangen in die untere Mekong-Region und den Tonle-Sap-See. Sie sind aber extrem wichtig für die Biodiversität und Fruchtbarkeit der Region.

Regionalanalyst Carl Thayer ist überzeugt, dass China trotz aller Kritik bezüglich seines Umgangs mit dem Mekong kaum vollständige Transparenz an den Tag legen wird, insbesondere wenn «die Daten zeigen, dass die Staaten stromabwärts benachteiligt sind». Das chinesische Damm-Management mache zwar für die Volksrepublik Sinn, ignoriere aber das Gesamtbild, warnt auch Courtney Weatherby, Südostasien-Analystin der Denkfabrik Stimson Center.

«Jetzt handeln»

Ein weiterer Faktor, der dem Mekong und seinen Anrainern zusetzt, ist exzessiver Sandabbau. Der lässt die Ufer erodieren, sie verlieren an Stabilität. Felder werden dann ebenso ins Wasser gerissen wie Wohnhäuser. Aber Sand – einer der Hauptbestandteile von Beton – wird ob des weltweiten Baubooms zu einem immer begehrteren Rohstoff.

Marc Goichot, WWF-Experte für Süsswassersysteme, ist überzeugt, dass all diese Probleme in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, den Mekong unwiderruflich zu verändern. «Wenn man einmal eine bestimmte Schwelle erreicht hat, ist es für eine Umkehr zu spät», warnt er. «Der Fluss wird sich dem anpassen, aber es wird ein anderer Fluss sein, und die gesamte Beziehung zu ihm muss neu erfunden werden.» Und das könnte mit enormen Kosten für die Schwächsten verbunden sein.

Die Situation sei beängstigend, sagt der Experte. Es gebe Lösungen, aber Regierungen und zwischenstaatliche Organisationen müssten umgehend reagieren. «Wir befinden uns in einer sehr tiefen Krise, und wir müssen jetzt handeln, nicht erst im nächsten Jahr.»

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