Putins Spielball Moldawien Ein Kleinstaat friert für die Freiheit

Von Oliver Kohlmaier

11.11.2022

Eine Hauptstrasse während einer Strombeschränkung in der Hauptstadt Chisinau. 
Eine Hauptstrasse während einer Strombeschränkung in der Hauptstadt Chisinau. 
EPA/DUMITRU DORU/Keystone

Schon jetzt leidet die Bevölkerung Moldawiens unter einer beispiellosen Energiekrise, die Regierung aber will sich von Putin nicht erpressen lassen: Wie das bitterarme Land einmal mehr zum Spielball Putins wurde.

Von Oliver Kohlmaier

11.11.2022

Was hierzulande als Worst-case-Szenario gilt, ist in Moldawien längst Alltag: Die Menschen arbeiten in schwach oder gar nicht beheizten Räumen, Strassen werden nicht beleuchtet, hinzu kommt die ständige Angst vor Blackouts.

Das ärmste Land Europas leidet bitter unter einer verheerenden Energiekrise und ist nun auf EU-Unterstützung angewiesen. Vor dem Krieg war Moldawien vollständig von russischem Erdgas abhängig, jetzt sind es noch immer rund 80 Prozent. Mehr als genug, um das Land unter Druck setzen zu können. Und genau dies tut Putin.

Moldawien teilt damit das Schicksal mehrerer osteuropäischer Staaten, die sich Putins Einflusssphäre entziehen und gen Westen streben — und wird doch besonders schwer getroffen. Weil es nicht in der EU ist, und auch, weil es in die EU will.

Den ersten Schritt dorthin hat der kleine Staat mit 2,6 Millionen Einwohnern schon hinter sich: Zusammen mit der Ukraine wurde Moldawien der Status als EU-Beitrittskandidat verliehen. Die proeuropäische Regierung dürfte eine Antwort Moskaus dabei erwartet haben. 

Putin dreht den Gashahn zu

Im Oktober drosselte der staatliche russische Konzern Gazprom die Erdgas-Lieferungen um 30 Prozent, noch im November sollen sie laut Vizepremierminister Andrei Spînu auf die Hälfte der ursprünglichen Menge reduziert werden.

Nicht nur wurden die Lieferungen gedrosselt, auch erhöhte Gazprom die Preise für das Erdgas — wohlwissend, dass Molawien ausser Stande ist, für Ersatz zu sorgen.

Offiziell begründet wird dies mit ausbleibenden Zahlungen. Wie in anderen Fällen erweist dies jedoch als bestenfalls vorgeschoben. Tatsächlich gibt es zwar Vertragsstreitigkeiten. Diese bestehen aber bereits seit Jahren, Gazprom jedoch lieferte ohne Unterbrechung.

Strombeschränkungen an der Tagesordnung

Dass sich das einzige grosse Stromkraftwerk des Landes in der abtrünnigen und von Russland gestützten Region Transnistrien befindet, erweist sich als besonders verheerend für das Land. Es versorgte einst ganz Moldawien, deckte mehr als zwei Drittel des Strombedarfs der Hauptstadt Chișinău. Dort sind Strombeschränkungen nunmehr an der Tagesordnung.

Just als Gazprom seine Erdgaslieferungen drosselte, kündigten die prorussischen Behörden Transnistriens an, dass man die Stromlieferungen auf nur noch 23 Prozent drosseln würde. An Zufall glaubt in Moldawien indessen niemand. Schon gar nicht Präsidentin Maia Sandu, die den EU-Kurs des Landes massgeblich vorantrieb und stets vor einer «Energieverletzlichkeit» warnte.

Die proeuropäische Präsidentin Maia Sandu.
Die proeuropäische Präsidentin Maia Sandu.
EPA/DUMITRU DORU/Keystone

Um der Knappheit zu begegnen, importierte Moldawien zunächst Strom aus der Ukraine, das die Lieferungen aufgrund der russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur allerdings nach kurzer Zeit wieder einstellen musste. 

Derzeit springt Rumänien in die Bresche und liefert rund 80 Prozent des gesamten Strombedarfs Moldawiens. Aus Bukarest heisst es allerdings, dass man dieses Liefervolumen nicht werde aufrechterhalten können. 

Propaganda für Putin?

Moldawien droht also ein harter Winter, die Regierung steht indessen jetzt schon unter Druck. Seit Wochen protestieren Menschen gegen die hohe Inflation und die Energiekrise. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wurden die Proteste durch den steinreichen prorussischern Unternehmer Ilan Shor unterstützt — so sollen etwa Demonstrant*innen bezahlt worden sein.

Menschen demonstrieren in Chișinău gegen die Regierung. 
Menschen demonstrieren in Chișinău gegen die Regierung. 
EPA/DUMITRU DORU/Keystone

Der prowestliche Kurs der Regierung war Moskau schon immer ein Dorn im Auge, an Drohungen aus Moskau haben sich die Moldawier längst gewöhnt. Seit  der Aufwertung des Landes zum EU-Beitragskandidaten aber hat Putin die Daumenschrauben weiter angezogen — auch im Inland.

Wie gross der Einfluss Moskaus in Moldawien ist, zeigte zuletzt ein Bericht der «Washington Post». Die Zeitung durfte bislang unter Verschluss gehaltene Dokumente des ukrainischen Geheimdienstes einsehen.

Sie legen offen, was in Moldawien längst jeder wusste: Der russische Geheimdienst FSB mischt noch immer im politischen und wirtschaftlichen Leben des Landes mit.