Angriff auf Belgorod: Entsetzen in Russland, Freude in der Ukraine
Auf die russische Stadt Belgorod unweit der Grenze zur Ukraine hat es nach Angaben aus Moskau einen Angriff gegeben. Während Russland «ukrainische Nationalisten» beschuldigt, verweist die Ukraine auf Oppositionelle innerhalb Russlands. In Kiew rea
23.05.2023
Der Partisanen-Vorstoss nach Belgorod ist vorbei. Russland behauptet, die Kämpfer eliminiert und Material erbeutet zu haben. Doch die Trophäen, die Moskau präsentiert, sind fake: Die ganze Aktion ist peinlich für den Kreml.
Von Philipp Dahm
24.05.2023, 14:56
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Nach zwei Tagen ist der Vorstoss russischer Partisanen in den Oblast Belgorod vorbei.
Moskau behauptet, 70 Kämpfer getötet und Material erbeutet zu haben.
Für den britischen Sicherheitsexperten Michael Clarke ist der Vorstoss «eine Blamage» für den Kreml.
Die präsentierten Bilder und Videos dazu sind gestellt – und an diesen Punkten erkennst du es.
Es ist die grosse Stunde von Alexander Lapin. Früher war der Generaloberst für die Verteidigung von Lyman zuständig. Als die ukrainische Stadt im Oktober 2022 fällt und Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow Lapin öffentlich dafür verantwortlich macht, wird ihm das Kommando entzogen.
Der 59-Jährige wird an die Heimatfront versetzt und ist seit Januar stellvertretender Chef des russischen Heeres. Es ist Lapin, der den russischen Gegenangriff koordiniert, als Kämpfer der Legion Freiheit Russlands und andere russische Partisanen die Grenze überqueren und Ziele im Oblast Belgorod angreifen.
Ukrainian border with the Bilhorod region. Activity in several directions reported today. All area's are kept contested as no visual confirmation has been given of complete control from either side yet. pic.twitter.com/Oxs6CoU2qz
Nach zwei Tagen sind die Eindringlinge nun dorthin zurückgekehrt, wo sie hergekommen sind – und Lapin zeigt sich an vorderster Front. Er lässt sich vor einem amerikanischen gepanzerten Fahrzeug fotografieren. Er stellt sich in einem Video auf die Strasse und winkt einen russischen BMP-Schützenpanzer heran. «Vorwärts», sagt er auf Russisch.
The Russian Ministry of Defense has released Footage that is reported to show Colonel-General Aleksandr Lapin leading the Advance by Russian Military and Security Forces with Light-Armor Support from at least 4 BMP-1/2s on the Grayvoron Border Checkpoint earlier today. pic.twitter.com/IGkkX5h3iG
Das russische Verteidigungsministerium zeigt derweil Bilder und Videos, die scheinbar weitere handicapierte westliche Fahrzeuge zeigen. Die Botschaft ist klar: Moskau hat im Oblast Belgorod alles im Griff. Die Gegner seien «eliminiert» worden, heisst es. Dennoch dürfen die Bewohner*innen, deren Bezirke evakuiert worden sind, noch nicht zurück in ihre Häuser.
«Totale Amateure»
Und es kommen Zweifel auf. Nicht nur daran, ob ein Generaloberst – mit der sowjetischen Flagge an der Schulter – tatsächlich den militärischen Verkehr auf den Strassen leitet, sondern auch an den Trophäen, die der Kreml präsentiert. Ein Twitter-User mit Erfahrung und Argusaugen erklärt, warum eines jener Bilder gestellt ist: Der dort gezeigte Humvee-Jeep hat keinen Dreck im Profil der Räder.
2) No gravel stuck in the tire tread. In fact, no dirt on the tires at all. This was loaded into that trench off a flatbed and carefully choreographed in place. Not even a low-budget war movie production would be this sloppy with realism. Let’s go to the next⬇️ pic.twitter.com/Ub3n0LaddR
Er wurde offenbar per Lastwagen an Ort und Stelle gebracht. Das andere Fahrzeug soll in einen Graben gefahren sein, hat dabei aber gar keine Erde aufgeworfen. Die Räder hängen zum Teil unmöglich in der Luft, während Spuren im Sand zeigen, dass das Fahrzeug seitlich verschoben wurde. «Totale Amateure», so das entsprechende Fazit.
The Bilhorod raids are an info war on its own 🤷♂️
The Russian Volunteer Corps denies information about its losses in the Bilhorod region.
"We do not know which columns of equipment Mr. Konashenkov destroyed in his raids, but we have no losses," the insurgent forces reported. pic.twitter.com/loYuKRyVO5
Auch das Russische Freiwilligen-Korps, das neben der Legion «Freiheit Russlands» an dem Vorstoss beteiligt war, ist wenig beeindruckt: «Bitte sag General Lapin, der «für die Aufräumarbeiten zuständig» ist, dass wir in der Nähe sind», schreiben die Kämpfer höhnisch auf Telegram.
«Es ist eine Blamage für die Russen»
Auch andere Trophäen, die Moskau präsentiert, werfen mehr Fragen auf, als sie klären. Da wären Fahrzeuge, die Einschusslöcher haben oder ausgebrannt sind, bei denen aber noch nachträglich jemand «Für Bachmut» raufgesprüht hat: Wer läuft nach schwerem Beschuss an den Ort des Geschehens zurück, nur um ein Auto zu beschmieren?
70 Gegner will die russische Armee getötet haben – wie verlässlich diese Information ist, muss jeder selbst beurteilen. Dass es der Kreml mit der Wahrheit womöglich nicht ganz so genau nimmt, kann Michael Clarke vielleicht sogar nachvollziehen. Denn der Sicherheitsexperte sagt Sky News: «Es ist eine Blamage für die Russen.»
Aufnahmen zeigen nun, wie russische Streitkräfte den betroffenen Grenzposten verstärken. Doch ob die russischen Kämpfer in den Reihen der ukrainischen Streitkräfte dort noch einmal zuschlagen, ist fraglich. Die Grenze zu Russland ist lang – Unruhe stiften und Kapazitäten binden können die Partisanen auch anderswo.
Vielleicht hören wir bald schon wieder von ihnen.
A picture emerged from another group of soldiers which penetrated the Russian border, this time in the Kursk Oblast. The village is called Gogolevka.
And here we see how this works. They are there and tomorrow they might be somewhere else and this repeats as long as Russian… pic.twitter.com/xCa12WRmcb