Wertvolle West-Waffen Das Hightech-Gerät ist teuer, zahlt sich für Kiew aber bereits aus

Von Philipp Dahm

11.7.2022

Die Waffen aus dem Westen haben den Kurs des Krieges bereits verändert, sagen ukrainische Offizielle. Sie gehen zum Gegenangriff über. Ein US-System bereitet Moskau besonders Kopfzerbrechen.

Von Philipp Dahm

11.7.2022

Der Süden der Ukraine ist für die Wirtschaft des Landes besonders wichtig: Hier liegen nicht nur die meisten Rohstoffe unter der Erde verborgen, sondern auch besonders fruchtbare Felder, auf denen Winterweizen angebaut wird. 

Kraftwerke, Gasfelder und fruchtbare Böden: Der Süden und der Osten sind die wirtschaftlichen Zentren der Ukraine.
Kraftwerke, Gasfelder und fruchtbare Böden: Der Süden und der Osten sind die wirtschaftlichen Zentren der Ukraine.
YouTube/Österreichs Bundesheer

Es ist also kein Wunder, dass die ukrainische Armee hier in die Gegenoffensive gehen will: Den Zugang zum Schwarzen Meer zurückzugewinnen, habe oberste Priorität, verkündet Verteidigungsminister Oleksij Resnikow. Dafür dürfe der Nachschub an Waffen aus dem Westen aber nicht zum Erliegen kommen: «Wir brauchen schnell mehr», sagt er der «Times». «Jeden Tag warten wir auf Geschütze.»

«Wir haben rund 700'000 in den Streitkräften und wenn man die Nationalgarde, die Polizei und die Grenzwacht dazuzählt, sind es fast eine Million», erläutert der 56-Jährige. «Es ist allerdings nicht das Milionen-Heer, dass den Gegenangriff durchführen wird», macht Jack Watling vom Royal United Services Institute bei der BBC deutlich.

«Normalerweise setzt man auf operative Überraschung, wenn man einen Gegenangriff plant», führt der Experte aus. «Wenn man das öffentlich ankündigt, tut man das, um die Russen zu zwingen, in der Breite mehr Truppen aufzustellen, um der Gefahr zu begegnen.» 

Nachschub für ukrainische Kampfpiloten

Neben Cherson im Süden konzentriert sich die russische Armee nun auf die Eroberung jener Teile des Oblasts Donezk, die noch von der Ukraine gehalten werden, wie einerseits die Nachrichten vom Wochenauftakt wie auch eine Analyse des österreichischen Heeres zeigen.

Die gute Nachricht ist: Kiew kann sich weiterhin auf die Schützenhilfe der Nato-Staaten verlassen. Die Slowakei überlässt der Ukraine ihren gesamten Bestand an Mig-29-Jägern. Elf Kampfjets und ein Trainer sollen den Besitzer wechseln, während Polen und Tschechien versprochen haben, die Überwachung des slowakischen Luftraums zu stemmen, bis F-16-Ersatz aus den USA da ist.

Auch Bulgarien hilft seinem Nachbarland: Demnach hat Sofia über Drittparteien 14 Su-25-Erdkampfflugzeuge an die Ukraine geliefert. Schon im Einsatz sind dagegen diverse Artillerie-Systeme aus den USA, die den Verteidigern offenbar neue Hoffnung geben. Zum einen ist da die M777, mit der die ukrainische Armee weiterhin Erfolge verzeichnet – etwa im Oblast Charkiw.

West-Waffe als «groooooosser Unterschied»

Wirklich verheerend für die Angreifer ist jedoch das amerikanische Mehrfach-Raketenwerfer-System Himars, das einen «groooooossen Unterschied» macht, wie Resnikow twittert. Der Vorteil der Technologie: Sie ist sehr präzise, schiesst mit 80 Kilometern weiter als die russischen Gegenstücke und ist hochmobil, was hilft, Gegenfeuer auszuweichen.

Die Himars richtet angeblich grosse Schäden auf russischer Seite an: Entweder nimmt sie Munitionsdepots ins Visier, um den Nachschub russischer Artillerie zu unterbinden, oder sie zielt auf Kommandoposten. So soll es Himars gewesen sein, das gerade eine Zentrale am vom Russen besetzten Flughafen Tschornobajiwka bei Cherson angegriffen hat.

Laut «Daily Mail» sind dabei ein General und ein Oberst ums Leben gekommen. Wladimir Putin soll ausserdem ausser sich gewesen sein, weil extra Flugabwehr-Batterien vom Typ S-400 aufgestellt worden sein, die als die effektivsten ihrer Art gelten. Weil es ihnen nicht gelungen sei, die ukrainischen Projektile abzufangen, soll Putin aus der Haut gefahren sein.

150'000 Dollar für eine Himars-Rakete

Doch die Wunderwaffe von Uncle Sam hat auch einen Nachteil: Jeder Schuss kostet richtig viel Geld. Wie ein US-Soldat berichtet, müssen für eine Rakete 150'00 Dollar hingeblättert werden. Eine vollständige Salve kommt mit einem Preisschild von einer Million Dollar daher. Dafür wirken die Waffen: Sie würden schon jetzt den Lauf des Krieges ändern, schreibt Oleksij Danilow, Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine.

Doch was ist mit dem Argument, dass die Waffen aus dem Westen den Krieg in der Ukraine nur unnötig verlängern würden?

Hierzu hat sich Dr. Christian Freuding geäussert, der als Brigadegeneral für die Lageeinschätzungen der Bundeswehr verantwortlich ist. «Meine erste Perspektive auf diese Frage ist eine ethische», antwortet Freuding. «Jeder, ob Soldat oder Politikerin, ob Arzt oder Ingenieur, kann sich durch Handeln schuldig machen. Aber eben auch durch Nichthandeln.»

Putins Angriffskrieg verstosse gegen das Völkerrecht und greife Zivilisten an. «Die Ukraine verdient es, dass wir an ihrer Seite stehen. Wir stehen in der Pflicht, die Ukraine zu unterstützen. Die Ukraine verdient unsere Unterstützung in ihrem Kampf um ihre territoriale Integrität und um ihre Souveränität. Und zwar so lange, wie dieser Krieg andauert – weil nur die Ukrainer über ihre weitere Zukunft bestimmen.»