Wahlen Endspurt in Israel – viele Ähnlichkeiten mit US-Wahlkampf 2020

AP/toko

19.2.2021 - 00:00

Benjamin Netanjahu (l), Ministerpräsident von Israel, steht in der Leumit Health Care Services-Impfstelle neben Theodor Salzen (M), der als vier-millionste Person in Israel gegen das Coronavirus geimpft wurde. 
Benjamin Netanjahu (l), Ministerpräsident von Israel, steht in der Leumit Health Care Services-Impfstelle neben Theodor Salzen (M), der als vier-millionste Person in Israel gegen das Coronavirus geimpft wurde. 
Alex Kolomoisky/Pool Yediot Aharonot/AP/dpa/Keystone

Nur noch gut vier Wochen bis zur Wahl in Israel, und man könnte sich fast zurückversetzt fühlen – so viele Parallelen gibt es zum US-Wahlkampf 2020. Das hat nicht nur mit Corona zu tun.

Die Parallelen sind nicht zu übersehen. US-Präsident Donald Trump warb im vergangenen Jahr mit dem Slogan: «Macht Amerika wieder grossartig». Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beschwört die Bevölkerung vor der Parlamentswahl am 23. März: «Kehrt wieder zum Leben zurück».

Trump hatte es unter anderem mit Vorwürfen ständiger Lügen und fragwürdiger Steuerpraktiken zu tun, die er zurückwies. Netanjahu wird Korruption angelastet. Er plädierte kürzlich auf «nicht schuldig». Beide haben sich als Opfer einer «Hexenjagd» porträtiert, «fast wortwörtlich gleich», wie es etwa der frühere israelische  Generalkonsul in New York, Alon Pinkas, beschreibt.

Und wie seinerzeit in den USA ist auch das Rennen in Israel ein Referendum über die spalterische Persönlichkeit eines der Hauptmatadoren und seinen Umgang mit der Corona-Krise. Für viele Amerikaner war 2020 schlicht eine Wahl für oder gegen Trump, weniger eine zwischen Trump und Biden. In Israel ist das Feld zweigeteilt zwischen Befürwortern und Gegnern Netanjahus. 

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump mit Benjamin Netanjahu bei dessen Besuch im Weissen Haus im März 2019.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump mit Benjamin Netanjahu bei dessen Besuch im Weissen Haus im März 2019.
KEYSTONE/AP Photo/Manuel Balce Ceneta

Dies sind nur einige von mehreren Beispielen für hervorstechende Ähnlichkeiten zwischen den Wahlkämpfen in Israel und den USA – ganz abgesehen davon, dass Corona in beiden Fällen einen Grossteil von Wahlveranstaltungen in den virtuellen Raum verlagert hat, auch wenn Trump wiederholt seine geliebten Grosskundgebungen abhielt. 

Netanjahu hat gute Chancen

Aber es gibt einen erheblichen Unterschied. Während Trump im November eine solide Niederlage erlitt, ist Netanjahu weiter Israels populärster Politiker und hat eine sehr gute Chance, seine bereits zwölfjährige Amtszeit fortsetzen zu können. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass seine Likud-Partei aus der Wahl als stärkste Kraft im 120-köpfigen Parlament hervorgehen wird. Aber angesichts der vielen Parteien, die stets bei Wahlen in Israel antreten und der proportionalen Zuteilung von Sitzen dürfte auf Netanjahu im Fall eines Sieges wieder eine langwierige schwierige Regierungsbildung zukommen.

Kompliziert wird das dieses Mal noch zusätzlich durch Netanjahus gerichtliche Probleme: Eine wachsende Zahl von Parteien will nicht unter einem Regierungschef dienen, der ernster Verbrechen beschuldigt wird. Im Dezember war eine notdürftig zusammengezimmerte Koalition mit seinem Erzrivalen Benny Gantz nach nur sieben Monaten zusammengebrochen, das Land wählt nun zum vierten Mal innerhalb von zwei Jahren. 

In Sachen Corona hat es Netanjahu mit einem gespaltenen Urteil zu tun. Im Gegensatz zu Trump nahm er das Virus ernst und hat Israels Impfkampagne in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes gestellt. Er schaltete sich persönlich in Verhandlungen zur Impfstoff-Beschaffung ein, und mittlerweile hat fast die Hälfte der etwa neun Millionen Einwohner bereits eine erste Dosis erhalten, fast ein Drittel schon die zweite.

Gefahr auch von Rechts

Aber in anderen Punkten hat Netanjahu bei der Handhabung der Krise scharfe Kritik geerntet. So gibt es Proteste wegen der wirtschaftlichen Folgen mehrerer Lockdowns und Zorn darüber, dass eine wichtige Gruppe von Netanjahus Kernanhängern, die Ultraorthodoxen, Corona-Beschränkungen ignoriert haben, ohne dass der Ministerpräsident durchgriff.

Anders als meistens in der Vergangenheit sind Netanjahus schärfste Rivalen keine pensionierten Generäle, sondern ehemalige Journalisten. Drei Parteiführer waren früher Fernsehkommentatoren oder Moderatoren, so auch Netanjahus wichtigster Mitte-Links-Opponent Jair Lapid. Ein weiterer Herausforderer auf der Rechten, Gideon Saar, ist mit einer berühmten Nachrichtenmoderatorin verheiratet. Sie alle sind Experten auf dem Gebiet virtueller Wahlkampfführung und haben das weidlich ausgespielt.



Netanjahu, ausgebildet in den USA am renommierten Institut für Technologie in Massachusetts und vertraut mit amerikanischer Politik, hat im Januar den aus Philadelphia stammenden Aaron Klein als Wahlkampfmanager engagiert. Der 40-Jährige ist ein früherer Radioshow-Gastgeber und ehemaliger Leiter des Jersualemer Büros der rechtspopulisitschen Nachrichten- und Meinungswebseite Breitbart News. Deren einstiger Chef Steve Bannon erwuchs zu einem wichtigen Strategieplaner für Trump.



Saar, einstmals ein Verbündeter von Netanjahu, hat im Januar mehrere Gründer des Lincoln Projects angeheuert. Das ist eine Organisation gegenwärtiger oder ehemaliger US-Republikaner, die sich gegen Trump gestellt und ihm die moralische Autorität abgesprochen haben. Aber ein Gründer wird jetzt sexueller Übergriffe beschuldigt, und die Gruppe ist mit Vorwürfen über die Art und Weise konfrontiert, wie sie damit umgegangen ist. Saars Wahlkampfteam prüft nach eigene Angaben nun, ob es bei der Zusammenarbeit bleibt.

«Die Lage hier in Israel ist verrückt»

Die im Fall von Trump aufgeworfenen Fragen der Moral ähneln Saars Botschaft als Chef der Partei Neue Hoffnung, die er nach seinem Bruch mit Netanjahus Likud gegründet hat. Er teilt die nationalistische Ideologie des Ministerpräsidenten, ist ein starker Verfechter der jüdischen Siedlungen im Westjordanland und befürwortet eine etwaige Annexion des Palästinensergebiets. In anderen Punkten versucht er aber, sich deutlich von Netanjahu abzuheben, dem er vorwirft, Likud zu einem «Personenkult» gemacht zu haben. Eine ähnliche Rhetorik war auch im US-Wahlkampf gegen Trump laut geworden. Saar hat auch zvilisierten Umgang miteinander und Anstand zu Kernthemen seiner Kampagne gemacht – eine Parallele zu Bidens Ansatz 2020. 

Netanjahus Herausforderer Lapid hat sich derweil mit dem prominenten demokratischen Meinungsforscher Mark Mellman zusammengetan. Er ist nach Medienberichten im Januar eigens in die USA geflogen, um sich mit ihm zu treffen. «Die Lage hier in Israel ist verrückt», sagte Lapid kürzlich bei einer virtuellen Wahlkampfveranstaltung gleich mehrere Male. «Wir können einen Ministerpräsidenten mit Integrität haben.»

Zurück zur Startseite

AP/toko