«Absolute Hölle» Die Welt brennt selbst dort, wo niemand es erwartet hat

Von Maximilian Haase

25.7.2022

In Wennington im Grossraum London sorgten Waldbrände für eine Zerstörung, die Betroffene mit Zuständen im Krieg verglichen.
In Wennington im Grossraum London sorgten Waldbrände für eine Zerstörung, die Betroffene mit Zuständen im Krieg verglichen.
Leon Neal/Getty Images

Rund um den Globus wüten Waldbrände. Die Flammen zerstören Existenzen, Naturschutzgebiete – und sind sogar vom Weltall aus zu sehen. Betroffen sind auch Gegenden Europas, in denen dies höchst unüblich ist.

Von Maximilian Haase

25.7.2022

Die Bilder gingen um die Welt: Ungläubig blicken die Passagier*innen eines stehen gebliebenen Zuges aus den Fenstern; draussen lodern auf Feldern und in Wäldern allerorts Flammen. Wie in einem Katastrophenfilm.

Aufgenommen wurden die Szenen in der spanischen Provinz Zamora – einer von zahlreichen Gegenden Europas und weltweit, in denen derzeit Feuer und Waldbrände Menschen und Natur bedrohen.

Seit Wochen wüten in Spanien, Portugal, Italien, Griechenland und Frankreich heftige Waldbrände. Erst am Wochenende mussten auf der spanischen Insel Teneriffa, wo sich die Lage nur langsam entspannt, Hunderte Menschen evakuiert werden.

In Italien, berichtet der Bauernverband, würden seit Anfang Juli täglich drei neue Flächenbrände ausbrechen – insgesamt hätte es im Vergleich zum Durchschnitt dieses Jahr schon 153 Prozent mehr grosse Feuer gegeben.

Auch auf der griechischen Insel Lesbos brachte man Einheimische und Tourist*innen in Sicherheit. Menschen bestiegen die Busse zur Evakuierung mit wenigen Habseligkeiten in Plastiktaschen; Geschäfte, Hotels und Strandbars wurden von den Flammen beschädigt. Das Feuer auf Lesbos ist so enorm, dass es sogar vom Weltall aus sichtbar ist. Ein entsprechendes Satellitenfoto teilte das europäische Erdbeobachtungssystem Copernicus bei Twitter.

Unter den sich schnell ausbreitenden Feuern leidet auch die Natur: In Griechenland kämpft die Feuerwehr weiter gegen einen Grossbrand in dem für seine Artenvielfalt bekannten Nationalpark Dadia. «Es ist ein harter Kampf, um dieses aussergewöhnliche Ökosystem zu schützen», zitierte die Nachrichtenagentur AFP den Zivilschutzminister Christos Stylianidis. 320 Feuerwehrleute mit 68 Löschzügen sowie sechs Löschflugzeuge und zwei Helikopter sowie das Militär waren im Einsatz.

Ein ausgebranntes Haus nach dem Waldbrand auf Lesbos.
Ein ausgebranntes Haus nach dem Waldbrand auf Lesbos.
Panagiotis Balaskas/AP/dpa

Auch in den USA, nahe dem Yosemite Nationalpark in Kalifornien, wütet ein massiver Waldbrand. Das Feuer habe sich geradezu «explosiv» ausgebreitet, erklärten die örtlichen Behörden. Gouverneur Gavin Newsom verhängte in dem betroffenen Gebiet den Notstand. 

Verheerender Waldbrand in Kalifornien nahe Yosemite-Nationalpark

Verheerender Waldbrand in Kalifornien nahe Yosemite-Nationalpark

Nahe dem Yosemite-Nationalpark im US-Bundesstaat Kalifornien wütet ein massiver Waldbrand. Tausende Hektar Vegetation wurden bislang zerstört. Gebäude und Fahrzeuge fielen den Flammen zum Opfer.

24.07.2022

«Absolute Hölle»

Derweil bedrohen die Feuer nicht mehr nur jene südliche Regionen, die bereits in den vergangenen Jahren Waldbrandphasen erlebten – wenngleich nie so früh im Jahr und selten so heftig. Auch in Gegenden, in denen man selbst im Hochsommer eher nicht mit Feuern rechnet, brannte es in den vergangenen Tagen. So etwa in England, wo die Feuerwehr für die Region um London in der letzten Woche die Grossschadenslage ausrufen musste.

«Ich habe Jahrzehnte lang gegen Waldbrände gekämpft», berichtet ein Feuerwehrmann im britischen «Guardian». «Nichts davon hat mich auf die Infernos im Vereinigten Königreich in dieser Woche vorbereitet.» Die Feuerwehr stehe an vorderster Front der Klimakrise, sei mit Personalkürzungen von über 11'000 Mitarbeitenden aber «einfach nicht dafür ausgerüstet».

Es sei die «absolute Hölle», schildert ein Feuerwehrmann der AFP die Lage in Wennington östlich von London, wo sich die Feuer besonders schnell ausgebreitet hätten. Mehr als 40 Häuser und Grundstücke sind laut BBC von den Flammen zerstört worden.

Anwohner Tim Stock, dessen Haus dem Feuer zum Opfer fiel, vergleicht die Geschehnisse mit dem «Blitz» genannten Krieg. Es sei «wie ein Kriegsgebiet», sagte der Engländer dem britischen Sender. Vergleiche zum Krieg zog auch die London Fire Brigade (LFB), die den vergangenen Dienstag als betriebsamsten Tag seit dem Zweiten Weltkrieg beschrieb.

Die Brände um London hinterliessen eine Schneise der Zerstörung.
Die Brände um London hinterliessen eine Schneise der Zerstörung.
Leon Neal/Getty Images

Bereits jetzt mehr Fläche vernichtet als 2021

Insgesamt vernichteten die Waldbrände in Europa in diesem Jahr bereits mehr Fläche als im gesamten Jahr 2021. Nach Angaben des Europäischen Waldbrandinformationssystems (Effis) verbrannten in der EU seit Jahresanfang mehr als 5'000 Quadratkilometer Waldfläche.

Die aktuelle Gefahrenlage und Waldbrandsituation in Europa lässt sich auf der Effis-Website verfolgen. Zu den Bränden tragen Hitze und Trockenheit bei, oft begünstigt durch starke Winde. Verantwortlich für die Feuer sind indes meist Lagerfeuer, Zigarettenstummel – bisweilen auch Brandstiftung.

Der frühere US-Vizepräsident und Klimaaktivist Al Gore warnte derweil mit Blick auf die Hitze und Dürre davor, welche Folgen die «Tatenlosigkeit» des US-Kongresses im Angesicht des Klimawandels hätte. «Mutter Natur hat bereits einen globalen Notstand ausgerufen», antwortete Gore gegenüber dem Fernsehsender ABC auf die Frage, ob Präsident Joe Biden den Klimanotstand ausrufen solle. Die Lage werde sich «schnell deutlich verschlimmern», sagte Gore dem Sender NBC in einem anderen Interview. 

Hinweis: Mit Material von dpa und AFP