Trotz des grossen innenpolitischen Drucks hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach dem EU-Asyltreffen von 16 EU-Staaten noch keine Lösungsansätze im europäischen Asylstreit skizziert. Es gebe aber "viel guten Willen", sagte sie am Sonntagabend.
"Aber auch einige Unterschiede", fügte Merkel an. Man sei sich aber einig, "dass wir die illegale Migration reduzieren wollen". Es gehe darum, "unsere Grenzen zu schützen und wir sind alle für alle Themen verantwortlich. Es kann nicht sein, dass sich die einen um Primärmigration kümmern, die anderen um die Sekundärmigration".
Wo immer möglich, sollte europäische Lösungen gefunden werden, sagte die Kanzlerin. "Wo nicht, sollen die, die willig sind, zusammengeführt werden und gemeinsam einen Rahmen des Handelns ausarbeiten".
Daran werde nun in den nächsten Tagen bis zum EU-Gipfel am 28. und 29. Juni und auch danach gearbeitet, sagte Merkel. Sie hatte bereits vor dem Treffen betont, sie wolle die Frage des ungewollten Weiterzugs von Flüchtlingen, die einmal in der EU seien, mit zwischenstaatlichen Abkommen angehen.
Merkel unter Druck
Das Treffen war für Merkel (CDU) von besonderer Bedeutung, da sie unter immensem Druck ihrer Schwesterpartei und ihres Koalitionspartners CSU steht. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte Ergebnisse bis Anfang Juli verlangt.
Andernfalls will er gegen ihren Willen im nationalen Alleingang bereits in anderen Ländern registrierte Flüchtlinge an der Grenze abweisen. Das könnte zur Zerreissprobe für die Fraktionsgemeinschaft von CDU/CSU und die grosse Koalition werden.
Auf Merkels angespannte Situation angesprochen, meinte der luxemburgische Premier Xavier Bettel: "Es geht hier nicht um das Überleben einer Kanzlerin." Sein österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz meinte dazu: "Es geht heute nicht um den innerdeutschen Streit." Es gehe vielmehr darum, "eine europäische Lösung möglich zu machen".
Italiens neues Programm
Auch der italienische Regierungschef Giuseppe Conte zeigte sich nach dem Treffen zufrieden: "Wir haben in der derzeitigen Debatte die richtige Richtung eingeschlagen."
Er hatte eine umfassende Lösung und einen radikalen Wandel in der europäischen Asylpolitik gefordert. Das bisherige Dublin-System solle aufgegeben werden, heisst es in einem Zehn-Punkte-Plan, den Conte mit nach Brüssel brachte.
Nach den Dublin-Regeln müssen sich die Menschen dort einen Asylantrag stellen, wo sie zuerst europäischen Boden betreten. Tatsächlich ziehen jedoch viele weiter Richtung Deutschland.
Conte will nun die Migration nach Europa weiter drastisch reduzieren, unter anderem über Abkommen mit den Herkunftsländern und Schutzzentren in Transitländern. Wirtschaftsflüchtlinge ohne Anspruch auf Asyl sollten gerecht auf die EU-Staaten verteilt werden.
Unter diesen Bedingungen würde Sekundärmigration innerhalb der EU "nebensächlich", heisst es in dem italienischen Papier. Und in dem Fall - aber erst nach Erfüllung der Voraussetzungen - wäre Italien bereit zu Einzelabsprachen.
Abschottung konsensfähig
Die noch striktere Abschottung der Aussengrenzen scheint nun mittlerweile in der EU konsensfähig. Vor dem Brüsseler Treffen verdichtete sich auch die Unterstützung für mögliche Sammellager für Migranten, entweder auf EU-Gebiet oder auch ausserhalb der EU, zum Beispiel in Nordafrika. Allerdings ist kein Drittstaat bekannt, der zur Aufnahme solcher Lager bereit wäre.
Frankreich und Spanien forderten am Wochenende gemeinsam Zentren für ankommende Migranten "auf europäischem Boden". Sowohl der französische Präsident Emmanuel Macron als auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez erinnerten in Brüssel aber auch an europäische Werte und die Menschenwürde, die bei jeder europäischen Lösung gewahrt bleiben müssten.
Sanchez sprach nach dem Treffen von guten Schritten nach vorne. Angesprochen auf den neuen Zehn-Punkte-Plan Italiens, meinte der spanische Regierungschef, man habe ihn erhalten, darüber in einigen Punkten geredet und sei nun dabei, ihn zu analysieren.
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