Flüchtlingsboot «Lifeline» «Europa guckt zu, wie die Leute dahin vegetieren»

AFP

25.6.2018

Fünf Tage nach der Rettung von mehr als 230 Bootsflüchtlingen nahe der libyschen Küste wartet die «Lifeline» weiter darauf, in einen EU-Hafen einlaufen zu können. Die Hilfsorganisation Mission Lifeline ist empört.

Der Mitbegründer der Dresdner Hilfsorganisation Mission Lifeline, Axel Steier, kritisierte am Montag die Tatenlosigkeit der EU. «Europa guckt zu, wie die Leute auf dem Boot dahin vegetieren», sagte Steier der Nachrichtenagentur AFP. Er hob hervor, dass die Flüchtlinge - unter ihnen 14 Frauen und vier Kinder unter drei Jahren - allesamt «Schlimmes erlebt» hätten und dringend Hilfe benötigten. Das von Mission Lifeline betriebene Rettungsschiff harrte am Montag weiter rund 55 Kilometer vor der Küste des EU-Mitgliedstaats Malta aus.

Malta und Italien hatten der «Lifeline» das Anlaufen eines Hafens verweigert, Salvini von der fremdenfeindlichen Lega-Partei bekräftigte dies am Montag. Die populistische Regierung in Rom hatte zudem mit der Beschlagnahmung des Schiffes gedroht.

Absagen von Malta und Italien

Die Flüchtlinge auf der «Lifeline» waren am Mittwoch nahe der libyschen Küste aufgenommen worden. Am Sonntag traf nach Angaben von Mission Lifeline eine Versorgungslieferung aus Malta mit Lebensmitteln und Trinkwasser ein. Die Schiffe «Sea-Eye» und «Sea-Watch» hätten zudem Medikamente und Decken gebracht, hiess es auf Facebook.

Mission Lifeline befürchtet für ihr Schiff ein vergleichbares Schicksal wie das der "Aquarius». Das Schiff war mit mehr als 600 Menschen an Bord zunächst von Italien und Malta abgewiesen worden. Erst nach einer längeren Irrfahrt konnten die Flüchtlinge auf der «Aquarius» vor gut einer Woche in Spanien an Land gehen. Dort wurden am Montag mehr als 600 Flüchtlinge aus Seenot gerettet.

«Lifeline» wartet darauf, in einem Hafen einlaufen zu dürfen. An Bord sind 230 gerettete Flüchtlinge.
«Lifeline» wartet darauf, in einem Hafen einlaufen zu dürfen. An Bord sind 230 gerettete Flüchtlinge.
Keystone

Weitere Schiffe betroffen

Derweil blieb das Schiff «Seefuchs» der Organisation Sea-Eye am Montag weiter im Hafen von Maltas Hauptstadt Valletta. Die Besatzung gehe Unterlagen durch, um Vorwürfe bezüglich des Status des Schiffes auszuräumen, sagte Sea-Eye-Gründer Michael Buschheuer der AFP. Die Niederlande, unter deren Flagge die «Seefuchs» ebenso wie die «Lifeline» fahren, hatten zuvor erklärt, die beiden Hilfsschiffe seien nicht in den niederländischen Registern verzeichnet.

Auch ein Containerschiff der dänischen Reederei Maersk Line, das am Samstag nahe der italienischen Küste dutzende Flüchtlinge aus Seenot gerettet hatte, wartet weiter auf die Erlaubnis, einen Hafen anlaufen zu dürfen. Das Schiff «Alexander Maersk» mit 108 Flüchtlingen an Bord liege vor der Küste Siziliens und warte auf Anweisungen der italienischen Behörden, sagte ein Sprecher der Reederei.

Salvini will Aufnahmezentren in Afrika

Salvini sprach sich bei einem Besuch in Tripolis für Flüchtlings-Aufnahmezentren jenseits der südlichen Grenze Libyens aus. Derartige Ankunfts- und Identifikationszentren sollten sowohl Italien als auch Libyen helfen, Migration «aufzuhalten», sagte er bei einer Pressekonferenz mit dem libyschen Vize-Ministerpräsidenten Ahmed Meitik in der libyschen Hauptstadt. Libyen ist das Hauptdurchgangsland für Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern, die über das Mittelmeer in die Europäische Union gelangen wollen.

Den Vorschlag wolle er auch beim EU-Gipfel in Brüssel in dieser Woche unterstützen, sagte der italienische Minister. Im Süden grenzt Libyen an den Tschad und den Sudan, südwestlich des Landes liegt der Niger. In Tschad, Sudan, Mali und Niger werde noch diese Woche eine «technische Mission mit italienischer Beteiligung» erwartet, sagte Salvini.

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos forderte die EU auf, gemeinsam an einer Lösung der Flüchtlingskrise zu arbeiten. Es handele sich um einen Zeitpunkt «grosser Verantwortung», sagte Avramopoulos wenige Tage vor dem Gipfel in Brüssel. Falls keine Einigung gefunden werde, sei das «europäische Projekt in Gefahr», sagte der EU-Kommissar bei einem Besuch im Iran.

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