Experte widerspricht Seco Bundesrat könnte «Gepard»-Munition für Ukraine freigeben

uri

31.10.2022

Deutschland möchte Schweizer Munition für den Gepard an die Ukraine liefern. (Archiv)
Deutschland möchte Schweizer Munition für den Gepard an die Ukraine liefern. (Archiv)
Bild: Keystone

Bern verhindert die Weitergabe von in der Schweiz hergestellter Munition an die Ukraine mit dem Verweis auf die Neutralität. Ein Wirtschaftsrechtler erkennt aber keine Probleme.

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Deutschland möchte der Ukraine weitere Munition für den deutschen Flugabwehrpanzer Gepard liefern. Das ist allerdings weiterhin nicht möglich, denn die 12'000 35-Millimeter-Geschosse wurden in der Schweiz produziert. Und: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bleibt dabei, dass entsprechende Anfragen «mit Verweis auf die Schweizer Neutralität und die zwingenden Ablehnungskriterien der Kriegsmaterialgesetzgebung» negativ zu beantworten seien.

Eine andere Ansicht vertritt Thomas Cottier, Experte für internationale Handelsfragen. Laut dem emeritierten Berner Rechtsprofessor kann die Schweiz nämlich sehr wohl grünes Licht für die Lieferung der Munition in die Ukraine geben. Das Kriegsmaterialgesetz erlaube «dem Bundesrat die Aufhebung und Suspendierung des Wiederausfuhrverbotes im Einzelfall ausdrücklich», sagte Cottier dem «Tages-Anzeiger».

Laut Artikel 19 sei das bei Ein- oder Ausfuhrbewilligungen möglich, «wenn ausserordentliche Umstände es erfordern». Da diese durch den Überfall Russlands auf die Ukraine gegeben seien, habe Bern laut Cottier die Möglichkeit, die entsprechende Munition freizugeben. Zu berücksichtigen sei dabei allerdings, «dass sie defensiven Zwecken dient und ihr Einsatz den Werten der Schweiz entspricht», wie er erklärte.

Bisherige Haltung Berns «nicht im Interesse der Schweiz»

Für Cottier ist die bisherige Haltung des Bundesrates vor diesem Hintergrund unverständlich. Sie sei «nicht im Interesse der Schweiz und ihres Rufs», wie er sagte.

Cottier zeigte sich im «Tages-Anzeiger» zudem überzeugt davon, dass es der Schweiz gemäss der UNO-Charta erlaubt sei, sich an der kollektiven Verteidigung gegen Russlands Angriffskrieg zu beteiligen. «Die Charta geht dem alten Neutralitätsrecht von 1907 aus Zeiten des europäischen Imperialismus vor», zitiert der «Tages-Anzeiger» den Experten.

Neben Deutschland wurde auch bereits die Ukraine in Bern vorstellig, um eine Genehmigung für die Lieferung der Munition zu erreichen. Demzufolge begründet Kiew die angestrebte Lieferung der Gepard-Munition mit dem Schutz von Getreideexporten an der Schwarzmeerküste.

Sie werde nicht selbst zum Schutz der Ukraine benötigt, sondern um eine Hungersnot in Teilen Afrikas und Asiens abzuwenden. Auch betont die Ukraine, dass die Getreideexporte unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustande kamen.