Israel Feuer-Drachen lösen Brände in Israel aus

Stefanie Järkel und Saud Abu Ramadan, dpa

13.6.2018

Zehntausende protestieren seit Wochen im Gazastreifen gegen Israel. Dazu schicken Palästinenser immer wieder brennende Drachen über den Sperrzaun - die auf israelischer Seite schwere Brände verursachen.

Der Boden unter Daniel Rachamim ist schwarz - verbrannt, zerstört. «Seit zwei Monaten leiden wir unter den Drachen», sagt der 64-Jährige auf einem Feldstück zwischen dem israelischen Kibbuz Nachal Os und der Grenze zum Gazastreifen. Monate würden die Kibbuzbewohner auf den Feldern arbeiten, und dann sei alles in Sekunden verloren. «Es ist hart zu beschreiben, wie schmerzvoll das ist.»

Rachamim spricht über die brennenden Flugdrachen, die Palästinenser aus dem Gazastreifen seit Wochen nach Israel schicken - und die dort teilweise verheerende Brände auslösen. Seit Ende März protestieren Zehntausende im Gazastreifen gegen Israel. Bei massiven Zusammenstössen mit der israelischen Armee im Grenzgebiet wurden mindestens 120 Palästinenser getötet, Tausende verletzt. Die Drachen sind ein Mittel der Vergeltung, zu dem die Palästinenser greifen.

Nachal Os ist der israelische Ort, der dem Gazastreifen am nächsten ist. Nur wenige hundert Meter trennen ihn vom Sicherheitszaun. Am Horizont ragen die Hochhäuser der Stadt Gaza auf.

Israels Feuerwehr hat schon rund 450 Feuer bekämpft, die durch Drachen mit brennenden Stofffetzen ausgelöst wurden. «Wir bezeichnen es als eine Art Terror-Attacke», sagt Joram Levi, Sprecher der Feuer- und Rettungsbehörde. «Die wollen unser Land anzünden.» Gilad Erdan, Minister für öffentliche Sicherheit, hat bereits gefordert, die verantwortlichen Palästinenser gezielt zu töten.

Bislang keine Verletzten

Das Verteidigungsministerium spricht von rund neun Quadratkilometern zerstörter Fläche - Wiesen, Wälder, Felder. Nach Medienberichten beträgt der Schaden mittlerweile umgerechnet rund 1,2 Millionen Euro. Menschen wurden bisher nicht verletzt, auch keine Gebäude beschädigt.

Knapp 50 000 Menschen leben im Süden Israels entlang der 60 Kilometer langen Grenze mit dem Gazastreifen. Israel hat vor mehr als zehn Jahren eine Blockade über das Küstengebiet verhängt, die mittlerweile von Ägypten mitgetragen wird.

Israel begründet diese Blockade mit Sicherheitsinteressen. Die EU, die USA und Israel stufen die in dem Gebiet herrschende Hamas als Terrororganisation ein. Erst Ende Mai schossen militante Palästinenser innerhalb von 24 Stunden rund 100 Mörsergranaten und Raketen nach Israel.

Hamas-Sprecher Abdulatif Al-Kanuwa nennt die Feuer-Drachen «eines der friedlichen Mittel, das von den friedlichen Demonstranten entwickelt wurde, um der zionistischen (israelischen) Besatzung friedlich zu widerstehen».

Es sind junge Palästinenser, die die brennenden Drachen nach Israel schicken. «Drachen sind einfach und kosten nicht viel Geld», sagt ein 25-Jähriger in Gaza, der seinen Namen nicht nennen will. An die selbst gebauten Drachen würden sie etwa in Kerosin getränkte, brennende Stofffetzen hängen. Sie ließen die Drachen hoch aufsteigen und schnitten dann die Leine durch. Der warme Westwind treibt die Drachen kilometerweit in israelisches Gebiet.

Drohnen zur Abwehr

«Diese Taktik wird genutzt, um die Juden (Israelis) damit zu beschäftigen, die Flammen zu löschen, und dann dringen wir dort ein und kehren in unser Land zurück», sagt er. Sie würden nicht aufhören, bis die Blockade beendet sei und sie wieder in die Heimatorte ihrer Vorfahren zurückkehren könnten. Er bezieht sich damit auf die Vertreibung und Flucht Hunderttausender im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948.

Seit langem kritisieren Menschenrechtsorganisationen, die Lebensumstände der rund zwei Millionen Einwohner im Gazastreifen seien unerträglich. Sie leiden unter massiven Stromausfällen, verdrecktem Grundwasser und hoher Arbeitslosigkeit.

Die israelische Armee versucht, die brennenden Fluggeräte mit Drohnen vom Himmel zu holen. Dabei stoßen die Drohnen schlicht mit den Drachen zusammen und bringen sie so zu Boden. «Wir haben eine Erfolgsrate von mehr als 90 Prozent», sagt der zuständige Kommandant Nadav Livni. Mehr als 500 Drachen und mit Helium gefüllte Ballons hätten sie so gestoppt.

Knapp 170 000 Euro beträgt der Schaden durch die Feuer allein für den Kibbuz Nachal Os, wie Daniel Rachamim vorrechnet. Doch trotz der Drachenattacken und der Raketen, die regelmäßig auf den Ort abgefeuert werden, wollen er und seine Mitstreiter nicht aufgeben. «Ich hoffe, dass die Palästinenser eines Tages kapieren werden, dass sie uns nicht von hier verjagen können.»

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