12'000 Menschen obdachlos Flüchtlingslager Moria fast vollständig abgebrannt

dpa/uri

9.9.2020 - 12:00

Seit Jahren kritisieren Hilfsorganisationen, Politiker und Inselbewohner die Lage im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Nun ist das Lager vom Feuer zerstört – und 12'000 Migranten sind obdachlos.

Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist durch einen Grossbrand in der Nacht zum Mittwoch nahezu vollständig zerstört worden. Verletzt wurde nach vorläufigen Angaben niemand. Die griechische Regierung geht von Brandstiftung aus. Moria gilt mit derzeit etwa 12'600 Bewohnern als das grösste Flüchtlingslager Europas – diese Menschen sind nun obdachlos. An den dortigen Zuständen gibt es seit Jahren massive Kritik.

Das griechische Staatsfernsehen, das mit einer Sondererlaubnis aus dem Lager berichten durfte, zeigte Bilder von verkohlten Containerwohnungen und verbrannten Zelten. Der Grossbrand nahm in der Nacht durch verschiedene kleinere Brandherde und starken Wind seinen Lauf. Die Behörden begannen noch in der Nacht, Menschen aus dem Lager zu bringen.

Rauch steigt aus Container-Häuser und Zelten im Flüchtlingslager Moria auf der nordöstlichen Ägäisinsel Lesbos (Luftaufnahme mit einer Drohne).
Rauch steigt aus Container-Häuser und Zelten im Flüchtlingslager Moria auf der nordöstlichen Ägäisinsel Lesbos (Luftaufnahme mit einer Drohne).
Bild: dpa

EU verspricht rasche Hilfe

Im Namen der Europäischen Union versprach Innenkommissarin Ylva Johansson versprach schnelle Hilfe. Sie sei in Kontakt mit den lokalen Behörden, schrieb die schwedische Politikerin auf Twitter. Dabei habe sie zugestimmt, den unverzüglichen Transfer und die Unterbringung der verbleibenden 400 unbegleiteten Kinder und Jugendlichen aufs Festland zu finanzieren. «Die Sicherheit und der Schutz aller Menschen in Moria hat Priorität.»



Der deutsche Innenpolitiker Mathias Middelberg (CDU), sprach sich gegen eine rein deutsche Hilfsaktion aus. «Die neueste Entwicklung auf Lesbos macht deutlich, wie dringend eine europäische Antwort auf die Flüchtlingsentwicklung ist», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Alleingänge wären nicht hilfreich, weil sie den Eindruck erweckten, Deutschland werde die Flüchtlinge allein aufnehmen.

Grafik: dpa

Flüchtlingsorganisation klagt an

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl machte die deutsche Regierung und EU für den Brand direkt verantwortlich. «Die Katastrophe von Moria ist eine Folge der skandalösen und menschenverachtenden deutschen und europäischen Politik», sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Mittwoch in Berlin. In dem Lager seien Tausende Menschen «psychisch zermürbt» worden. Anstatt für faire Asylverfahren zu sorgen hätten alle EU-Staaten bis zur jetzigen Katastrophe zugeschaut.

Dem Grossbrand vorangegangen waren Unruhen unter den Migranten, weil das Lager nach einem ersten Corona-Fall unter Quarantäne gestellt worden war. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Zahl der Infizierten bei 35 liege. Manche Migranten hätten daraufhin das Lager verlassen wollen, um sich nicht mit dem Virus anzustecken, berichtete die halbstaatliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA. Einige Infizierte und ihre Kontaktpersonen, die isoliert werden sollten, hätten sich hingegen geweigert, das Lager zu verlassen und in Isolation gebracht zu werden.

Löscharbeiten behindert

Nach Ausbruch des Feuers hätten Lagerbewohner die Feuerwehrleute mit Steinen beworfen und versucht, sie an den Löscharbeiten zu hindern, berichtete der Einsatzleiter im Fernsehen. Sondereinheiten der Bereitschaftspolizei waren im Einsatz – Athen hat nun weitere Einheiten vom Festland auf die Insel geschickt. Videos in sozialen Netzwerken zeigten herumirrende, verängstigte Menschen und auch solche, die «Bye bye, Moria!» sangen.

Spannungen habe es in Moria immer gegeben, wegen der Corona-Problematik sei die Situation nun regelrecht explodiert, sagte der Bürgermeister der Gemeinde Mytilinis, Stratos Kytelis, dem griechischen Staatssender ERT. Man wisse nicht, wo die Menschen nun untergebracht werden sollten, Tausende seien obdachlos. Auch für die Einheimischen sei die Situation eine enorme Belastung.

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