Heftige Kritik Gebremster Schwung: Fünf Jahre Papst Franziskus

Von Nicole Winfield, AP

13.3.2018

Seit fünf Jahren prägt Franziskus die katholische Kirche. Mit seiner Menschlichkeit begeistert der Papst Tausende Menschen fernab des Vatikans. Innerhalb der Kirche gibt es aber auch zig Kritiker - und zwar bei Traditionalisten und Reformern.

Immer wenn Papst Franziskus ein Gefängnis besucht, kommt im Gespräch mit den Häftlingen ein Satz wie dieser: «Warum du und nicht ich?» Auch er hätte unter widrigen Umständen hinter Gittern landen können, meint der Pontifex damit. Sein demütiges Mitgefühl, die Selbstverständlichkeit, mit der er sich zu den Armen und Geächteten begibt und für sie eintritt, haben Franziskus Bewunderer in aller Welt beschert. Doch zum fünften Jahrestag seiner Amtsübernahme als Oberhaupt der katholischen Kirche am heutigen Dienstag gibt es auch zuhauf Kritik.

So manchem gehen die Reformbemühungen zu weit, andere sehen den 81-Jährigen noch viel zu stark in den kirchlichen Traditionen verhaftet. Konservative kritisieren etwa das Signal, das Franziskus mit seinem Schreiben «Amoris laetitia» («Die Freude der Liebe») vor zwei Jahren an wiederverheiratete Geschiedene gab. Er deutete in der nachsynodalen Veröffentlichung Spielraum für eine Zulassung zur Kommunion an. Bei Traditionalisten läuteten daraufhin die Alarmglocken: Sie sahen eine Aufweichung der Kirchenmoral. Einige gingen so weit, zu fragen, wie Gottes Stellvertreter auf Erden - angesichts des Anspruchs der Unauflöslichkeit der Ehe - im Namen der Barmherzigkeit Ehebruch tolerieren könne.

Ein paar Dutzend Akademiker und Geistliche warfen Franziskus schliesslich Abweichung von der offiziellen Kirchenlehre vor. Vier Kardinäle forderten den Papst formell zur Klärung auf. Für andere war das Schreiben dagegen ein lang ersehntes Zeichen dafür, dass sich die katholische Kirche doch bewegen kann. Gläubige, frustriert von starren Strukturen und Regeln, feierten auch die Äusserungen des Papstes über einen schwulen Priester als moralischen Wendepunkt. «Wer bin ich, um ihn zu verurteilen?», hatte Franziskus damals gefragt.

Der letzte Papst-Besuch in der Schweiz

Seit sich der gebürtige Argentinier Jorge Mario Bergoglio am 12. März 2013 als neuer Papst Franziskus der Welt vorstellte, ist das Image seiner Kirche menschlicher geworden. Momente wie jene, als Franziskus bei der Lebensgeschichte eines gefolterten albanischen Priesters Tränen in die Augen stiegen, trugen dazu bei. Oder als die Stimme des Papstes beim Treffen mit verfolgten Rohingya-Flüchtlingen fast versagte.

«Ich denke, er ist fantastisch, sehr menschlich, sehr schlicht», sagt die Katholikin Marina Borges Martinez, als sie in São Paulo in die Abendmesse eilt. «Mit seiner Art hat er wieder mehr Menschen in die Kirche geholt», meint die 77-Jährige. Auf der anderen Seite des Atlantiks hat der ugandische Erzbischof John Baptist Odama ähnliche Rückmeldungen erhalten. «Ich habe Leute getroffen, die sagen, wegen dieses Papstes zum katholischen Glauben zurückgefunden zu haben», sagt er. «Er vermittelt sehr stark die Botschaft, dass unser Gott jeden liebt und das Seelenheil aller im Blick hat.»

Auch das Flüchtlingselend hat den Papst höchstpersönlich berührt. Immer wieder hat er Regierungen und Gläubige aufgefordert, Flüchtlinge als Brüder und Schwestern im Herrn aufzunehmen. Nach einem Besuch auf der griechischen Insel Lesbos brachte er ein Dutzend syrische Flüchtlinge mit nach Hause in den Vatikan. Dort wurden den Familien drei Wohnungen zur Verfügung gestellt. Der Ruf, die Türen für Flüchtlinge zu öffnen, hat in Europa und den USA jedoch nur begrenzt Widerhall gefunden.

Auch den von vielen gefühlten «Franziskus-Effekt», dass Katholiken zurück zur Kirche finden, konnte das Meinungsforschungsinstitut Pew zumindest für die Vereinigten Staaten nicht belegen. Es fand keine Hinweise auf steigende Zahlen von Amerikanern, die sich als katholisch oder als Gottesdienstbesucher bezeichnen. Zwar halten sich die Zustimmungsraten für Franziskus unter US-Katholiken bei über 80 Prozent, doch Vertreter der politischen Rechten stufen ihn immer mehr als «zu liberal» oder gar als naiv ein.

Als zu zögerlich wird Franziskus hingegen von anderer Seite kritisiert, etwa, wenn es um die Stellung der Frau in der Kirche geht. Erst in der vergangenen Woche versammelten sich Katholikinnen am Sitz der Jesuiten in Rom, denen auch Franziskus angehört, und verlangten mehr Mitsprache und Entscheidungsmacht für Frauen in der Kirche. Zwar gab es bereits Bewegung, aber nur in begrenztem Rahmen: Franziskus setzte eine Kommission zur Prüfung einer Ordination von Diakoninnen ein, machte eine Frau zur Chefin des Vatikan-Museums und erweiterte die priesterlichen Möglichkeiten zur Absolution von Frauen nach Abtreibungen.

Wie eh und je steht aber keine Frau an der Spitze eines vatikanischen Büros. Nonnen im Vatikan werden nach Berichten der dort ansässigen Frauenzeitschrift wie Bedienstete von Bischöfen und Kardinälen behandelt.

Zu den Erwartungen, die der Papst bislang nicht erfüllte, gehört ebenfalls der Kampf gegen sexuellen Missbrauch durch Würdenträger. Franziskus hatte die Hürde zwar hoch gelegt, eine «Null-Toleranz»-Politik verkündet. Ein Durchbruch ist jedoch noch weit entfernt. Und zuletzt schockte der Papst Missbrauchsopfer mit beschwichtigenden Äusserungen in Chile: Dass Franziskus dort einen Bischof verteidigte, der Kindesmissbrauch durch einen Priester verschwiegen haben soll, brachte ihm scharfe Kritik ein.

Der künftige Umgang mit den Missbrauchsskandalen in seiner Kirche dürfte spürbar in das Urteil einfliessen, das die Gläubigen über sein Pontifikat letztlich fällen werden. Noch ist unklar, ob Franziskus als einender oder spaltender Papst in die Geschichte eingehen wird.

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