«General Armageddon» Putins neuer Feldherr ist ein besonders fieser Kerl

Von Andreas Fischer

11.10.2022

Sergej Surowikin gilt  bei Freund und Feind als äusserst harter Hund.
Sergej Surowikin gilt  bei Freund und Feind als äusserst harter Hund.
Keystone

Armeegeneral Sergej Surowikin führt neu die gesamten russischen Streitkräfte in der Ukraine. Der neue Oberbefehlshaber hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten einen äusserst fragwürdigen Ruf erarbeitet.

Von Andreas Fischer

11.10.2022

Mehr als sieben Monate nach Kriegsbeginn hat Russland erstmals offiziell einen Kommandeur für alle russischen Streitkräfte in der Ukraine benannt. General Sergej Surowikin, bisher Oberbefehlshaber der Luftwaffe, hat nun die ganze Befehlsgewalt: ein Mann, der in Militärkreisen äusserst berüchtigt ist. Kampfname: General Armageddon.

Die Personalien lässt sich durchaus als ein Zeichen sehen: Wladimir Putin schreckt vor immer weniger zurück. Surowikin erst recht nicht. «Der neue General an der Spitze ist ein besonders fieser Kerl», fasst Scott Lucas, Professor für internationale Politik an der Universität Dublin, bei «Times Radio» lapidar zusammen. Der Mann kenne im «Krieg keine Grenzen». Und auch sonst nicht, wie seine Vita belegt.

Brutalität und Korruption ziehen sich durch das Leben des 1966 in Novosibirsk geborenen Militärs. Surowikin, ein Veteran des sowjetischen Krieges in Afghanistan in den späten 1980er-Jahren, hat sich schon 1991 einen zweifelhaften Ruf erworben. Er befehligte beim letztlich gescheiterten Augustputsch in Moskau, einem Staatsstreich sowjetischer Hardliner, eine Panzerdivision, die auf Barrikaden schoss und durch eine demonstrierende Menschenmenge fuhr. Drei Menschen kamen dabei ums Leben, wie die US-Denkfabrik «Jamestown Foundation» in einem Bericht schreibt.

Absolute Rücksichtslosigkeit

Aus dem Gefängnis kam Surowikin damals nach sechs Monaten wieder frei, die Anklage wurde fallen gelassen. 1995 stand er wieder vor Gericht, wurde wegen illegalen Waffenhandels zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Das alles hindert den für sein aufbrausendes Temperament bekannten Soldaten nicht, eine steile Karriere im russischen Militär hinzulegen. Surowikin war in Tadschikistan im Einsatz und zeigte in den beiden Tschetschenien-Kriegen, was in ihm steckt. «In der Armee ist Surowikin für seine absolute Rücksichtslosigkeit bekannt», heisst es dazu zusammenfassend bei der «Jamestown Foundation».

Als Befehlshaber Division in Tschetschenien hatte Surowikin 2005 Berichten zufolge angekündigt, er werde für jeden seiner getöteten Soldaten drei Tschetschenen töten. Aber auch vor den eigenen Leuten macht sein Zorn keinen Halt. So soll Surowikin untergeordnete Offiziere körperlich angegriffen zu haben, ein Oberst habe sich mit seiner Dienstwaffe selbst gerichtet, nachdem der General ihn zurechtgewiesen hatte.

Nach 2008 hat Surowikin dann im Generalstab und im russischen Verteidigungsministeriums seine Qualitäten eingebracht. Während der radikalen Militärreform, die eine rücksichtslose Entlassung nicht mehr benötigter Veteranen und den Aufbau einer kampffähigeren und schlankeren Truppe erforderte, waren Männer gefragt, die Befehle mit Nachdruck auszuführen wussten.

Immer wieder Angriffe auf Zivilisten

2017 übernahm Surowikin das Kommando der russischen Truppen in Syrien. Mit seiner Hilfe gelang es dem regierenden Assad-Regime, das Blatt im Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu wenden und die Hälfte des Landes von den Oppositionskräften zurückzuerobern.

Laut Militärexperten und Menschenrechtsexperten gelang dies vor allem durch umstrittenen Massenbombardierungen, die der Zivilbevölkerung einen hohen Tribut abverlangten. Ein Erbe von Surowikins Oberkommando sind die Ruinen der einst zweitgrössten syrischen Stadt Aleppo.

Auch in Putins aktuellem Krieg ist Sergej Surowikin kein Unbekannter. In der Ukraine wurde er schon für Angriffe auf Zivilisten verantwortlich gemacht. Der Kiewer Geheimdienstchef Kyrylo Budanov sagte nach den Angriffen auf einen Wohnblock und zwei Ferienlager in Odessa im Juli, bei denen 21 Menschen getötet wurden, dass «Surowikin weiss, wie man mit Bombern und Raketen kämpft. Das ist es, was er tut».

Grundlegend wird sich die russische Kriegsführung mit Surowikin aber wohl nicht ändern: Wie bei seinem Vorgänger Dwornikow seien zwar viele Beobachter besorgt wegen seines Rufes, stellt der britische Militäranalyst Ed Arnold im «Spiegel» fest. «Wie jedoch seit Februar zusehen ist, benötigen die russischen Streitkräfte keine extra Motivation, um brutal vorzugehen.»