Prozess zum Tod von George FloydJury spricht Derek Chauvin wegen Mordes schuldig
dpa/dor
21.4.2021
Im Fall des getöteten Afroamerikaners George Floyd haben die Geschworenen entschieden – der Ex-Polizist Derek Chauvin ist in allen Anklagepunkten schuldig: Mord zweiten und dritten Grades sowie Totschlag. Das Strafmass steht noch aus.
21.04.2021, 06:35
21.04.2021, 08:34
dpa/dor
Fast ein Jahr nach der Tötung des Schwarzen George Floyd haben die Geschworenen den weissen Ex-Polizisten Derek Chauvin in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Damit droht ihm eine lange Haftstrafe. Das genaue Strafmass soll in acht Wochen festgelegt werden, erklärte Richter Peter Cahill am Dienstag (Ortszeit) in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota. Der Richter widerrief auch Chauvins Freilassung auf Kaution – dieser wurde nach der Urteilsverkündung in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt. Vor dem Gerichtsgebäude brachen Wartende in Jubel und Tränen aus. Gegen das Urteil könnte die Verteidigung noch Berufung einlegen.
Der schwerwiegendste Anklagepunkt gegen Chauvin lautete Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Darauf stehen in Minnesota bis zu 40 Jahre Haft. Zudem wurde Chauvin auch Mord dritten Grades vorgeworfen, was mit bis zu 25 Jahren Haft geahndet werden kann. Auch musste er sich wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, worauf zehn Jahre Haft stehen. Chauvin hatte auf nicht schuldig plädiert.
Der 46 Jahre alte Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einer Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb wenig später. Die Beamten hatten ihn wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.
Jury im Prozess zum Tod von George Floyd erklärt Ex-Polizist Derek Chauvin für schuldig - Gallery
Der des Mordes an George Floyd angeklagte Ex-Polizist Derek Chauvin hört in einem Gerichtssaal in Minneapolis zu, während der Richter die Urteile der zwölf Geschworenen verkündet. (20. April 20, 2021)
Bild: Keystone/Court TV via AP, Pool
Der für schuldig befundene Ex-Polizist Derek Chauvin wird nach der Urteilsverkündung in Handschellen aus dem Gerichtssaal in Minneapolis geführt – bis zu dem Zeitpunkt hatte er sich gegen Kaution auf freiem Fuss befunden. (20. April 2021)
Bild: Keystone/Court TV via AP
George Floyds Bruder Philonise Floyd (l.) und Ben Crump (r.), der Anwalt der Familie Floyd, nach der Urteilsverkündung im Gericht in Minneapolis. (20. April 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Julio Cortez
Menschen in Minneapolis reagieren auf die Urteilsverkündung im Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin, der am 20. April 2021 von einer Jury wegen der Tötung des Schwarzen George Floyd in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde – im Hintergrund ein Wandbild von George Floyd.
Bild: Keystone/EPA/Erik S. Lesser
In Atlanta im US-Bundesstaat Georgia reagieren Menschen vor einem Wandbild von George Floyd auf den Schuldspruch im Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin. (20. April 2021)
Bild: Keystone/EPA/Erik S. Lesser
Menschen versammeln sich in Minneapolis nach der Urteilsverkündung im Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin. (20. April 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Morry Gash
Ein Paar wartet in Minneapolis vor einem Portrait von George Floyd auf die Urteilsverkündung im Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin, der Floyd am 25. Mai 2020 bei einer Festnahme sein Knie gut neun Minuten lang auf den Hals presste, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. (20. April 2021)
Bild: Keystone/EPA/Craig Lassig
Eine Frau in Minneapolis reagiert auf die Urteilsverkündung im Prozess gegen Derek Chauvin: Die Geschworenen befanden den weissen Ex-Polizisten in allen drei Anklagepunkten für schuldig. (20. April 2021)
Bild: Keystone/EPA/Craig Lassig
Philonise Floyd, Bruder von George Floyd, trägt einen Mund-Nasen-Schutz mit der Aufschrift «Justice for George».
Bild: dpa
Demonstranten gehen in Minneapolis mit Plakaten auf die Strasse und fordern Gerechtigkeit.
Bild: dpa
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Der des Mordes an George Floyd angeklagte Ex-Polizist Derek Chauvin hört in einem Gerichtssaal in Minneapolis zu, während der Richter die Urteile der zwölf Geschworenen verkündet. (20. April 20, 2021)
Bild: Keystone/Court TV via AP, Pool
Der für schuldig befundene Ex-Polizist Derek Chauvin wird nach der Urteilsverkündung in Handschellen aus dem Gerichtssaal in Minneapolis geführt – bis zu dem Zeitpunkt hatte er sich gegen Kaution auf freiem Fuss befunden. (20. April 2021)
Bild: Keystone/Court TV via AP
George Floyds Bruder Philonise Floyd (l.) und Ben Crump (r.), der Anwalt der Familie Floyd, nach der Urteilsverkündung im Gericht in Minneapolis. (20. April 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Julio Cortez
Menschen in Minneapolis reagieren auf die Urteilsverkündung im Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin, der am 20. April 2021 von einer Jury wegen der Tötung des Schwarzen George Floyd in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde – im Hintergrund ein Wandbild von George Floyd.
Bild: Keystone/EPA/Erik S. Lesser
In Atlanta im US-Bundesstaat Georgia reagieren Menschen vor einem Wandbild von George Floyd auf den Schuldspruch im Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin. (20. April 2021)
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Menschen versammeln sich in Minneapolis nach der Urteilsverkündung im Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin. (20. April 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Morry Gash
Ein Paar wartet in Minneapolis vor einem Portrait von George Floyd auf die Urteilsverkündung im Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin, der Floyd am 25. Mai 2020 bei einer Festnahme sein Knie gut neun Minuten lang auf den Hals presste, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. (20. April 2021)
Bild: Keystone/EPA/Craig Lassig
Eine Frau in Minneapolis reagiert auf die Urteilsverkündung im Prozess gegen Derek Chauvin: Die Geschworenen befanden den weissen Ex-Polizisten in allen drei Anklagepunkten für schuldig. (20. April 2021)
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Philonise Floyd, Bruder von George Floyd, trägt einen Mund-Nasen-Schutz mit der Aufschrift «Justice for George».
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Demonstranten gehen in Minneapolis mit Plakaten auf die Strasse und fordern Gerechtigkeit.
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US-Präsident Joe Biden begrüsste den Schuldspruch, rief aber zugleich zu weiterem Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt auf. Struktureller Rassismus sei «ein Schandfleck auf der Seele unserer Nation», sagte Biden bei einer kurzfristig anberaumten Ansprache im Weissen Haus. Mit Blick auf Floyds Familie betonte er: «Nichts kann jemals ihren Bruder, ihren Vater zurückbringen. Aber dies kann ein riesiger Schritt vorwärts auf dem Marsch zur Gerechtigkeit in Amerika sein.» Nötig dafür seien allerdings echter Wandel und echte Reformen.
Biden erinnerte an Floyds letzte Worte «I can't breathe» («ich kann nicht atmen») und sagte: «Wir können diese Worte nicht mit ihm sterben lassen.» US-Vizepräsidentin Kamala Harris – die die erste Schwarze in dem Amt ist und am Dienstag unmittelbar vor Biden sprach – nannte Rassismus «ein Problem für jeden Amerikaner».
Experten gehen davon aus, dass der bislang nicht vorbestrafte Chauvin ein deutlich geringeres Strafmass bekommen dürfte als maximal zulässig. Die Staatsanwaltschaft könnte aber innerhalb einer Woche noch einen Antrag stellen, um wegen besonderer Schwere der Straftat ein höheres Strafmass zu beantragen.
Der Anwalt von Floyds Familie, Ben Crump, bezeichnete den Schuldspruch als «Wendepunkt in der Geschichte». «SCHULDIG!», schrieb Crump auf Twitter. «Endlich ist schmerzlich verdiente Gerechtigkeit für George Floyds Familie eingetroffen. Das Urteil sende eine klare Botschaft, dass auch die Strafverfolgung zur Rechenschaft verpflichtet sei. Crump schrieb weiter: «Gerechtigkeit für das schwarze Amerika ist Gerechtigkeit für ganz Amerika!»
Floyds Bruder Philonise zeigte sich ebenfalls erleichtert: «Gerechtigkeit für George bedeutet Freiheit für alle», sagte Philonise Floyd in Anspielung auf die letzten Worte seines Bruders. Dessen wiederholtes Flehen kurz vor seinem Tod – «I Can't Breathe» – ist zu einem Slogan gegen Polizeigewalt und Rassismus geworden.
Nach Floyd benanntes Gesetz für Polizeireformen anhängig
Vor dem massiv gesicherten Gerichtsgebäude in Minneapolis herrschte Volksfeststimmung, Hunderte Menschen jubelten und feierten ausgelassen, wie ein dpa-Reporter berichtete. Anwesende skandierten unter anderem «Black Lives Matter» und «Wer hat gewonnen? Wir haben gewonnen». Sie riefen George Floyds Namen. Auch am einstigen Tatort, dem heutigen «George Floyd Platz», versammelten sich Menschen.
Floyds Schicksal hatte in den USA mitten in der Corona-Pandemie eine Welle an Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst und entwickelte sich zur grössten Protestbewegung seit Jahrzehnten. Vielerorts wurden auch Polizeireformen auf den Weg gebracht.
Im US-Kongress ist zudem noch ein nach George Floyd benanntes Gesetz für Polizeireformen anhängig. Das von Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus hat dem Gesetz zugestimmt, im Senat wäre aber auch die Zustimmung einiger Republikaner notwendig. Das ist bislang nicht absehbar. Biden rief den Kongress am Dienstag dazu auf, das Gesetz schnell zu verabschieden.
Die Erwartungen an das Verfahren in den USA waren immens: Viele Menschen, darunter viele Schwarze, hatten auf ein Urteil gehofft, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzen würde.
Der frühere US-Präsident Barack Obama forderte nach dem Schuldspruch ein tiefgreifendes Umdenken und Reformen. «Wahre Gerechtigkeit erfordert, dass wir die Tatsache einsehen, dass schwarze Amerikaner anders behandelt werden, jeden Tag», erklärte Obama auch im Namen seiner Frau Michelle. «Wir müssen anerkennen, dass Millionen unserer Freunde, Familienangehörigen und Mitbürger in Angst leben, dass ihre nächste Begegnung mit der Polizei ihre letzte sein könnte.»
Today, a jury did the right thing. But true justice requires much more. Michelle and I send our prayers to the Floyd family, and we stand with all those who are committed to guaranteeing every American the full measure of justice that George and so many others have been denied. pic.twitter.com/mihZQHqACV
Die Entscheidung über Schuld oder Unschuld fiel dem US-Rechtssystem folgend den Geschworenen zu. Für die seit Montagnachmittag andauernden Beratungen der zwölf Jury-Mitglieder gab es keine Zeitvorgabe. Sie waren während der Unterredungen in einem Hotel untergebracht. Ihr Urteil musste einstimmig getroffen werden.
Wegen des Prozesses war in Minneapolis ein Grossaufgebot der Sicherheitskräfte im Einsatz, inklusive Soldaten der Nationalgarde. Die Stadt Minneapolis hatte sich bereits im März mit Floyds Familie auf eine Vergleichszahlung von 27 Millionen US-Dollar wegen des Vorgehens der Polizei geeinigt. Das strafrechtliche Verfahren war davon aber nicht direkt betroffen.
Chauvins Verteidiger Eric Nelson hatte argumentiert, dass Chauvins Gewaltanwendung gerechtfertigt gewesen sei, weil sich Floyd der Festnahme widersetzt habe. Zudem vertrat er die Meinung, dass Floyds Tod nicht primär auf Gewalteinwirkung zurückging, sondern vor allem auf bestehende Herzprobleme und Rückstände von Drogen in seinem Blut.
Unverhältnismässige und vorschriftswidrige Gewalt
Experten der Staatsanwaltschaft wiesen diese Argumentation klar zurück. Ein Lungenspezialist etwa erklärte, Floyd sei an den Folgen von Sauerstoffmangel gestorben. Der niedrige Gehalt an Sauerstoff habe Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht. Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, bezeichnete Chauvins Gewaltanwendung als unverhältnismässig und vorschriftswidrig.
Chauvin war nach Floyds Tod entlassen worden. Er befand sich gegen Kaution auf freiem Fuss und war während des ganzen Prozesses anwesend. Neben Chauvin sind drei weitere am Einsatz gegen Floyd beteiligte Ex-Polizisten angeklagt, die in einem separaten Verfahren ab dem 23. August vor Gericht stehen werden. Ihnen wird Beihilfe zur Last gelegt. Auch ihnen könnten langjährige Haftstrafen drohen.