Gefährliche EskalationGibt es einen offenen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah?
AP/toko
29.7.2024 - 00:00
Der Raketenangriff auf einen Sportplatz hat den Konflikt Israels mit der Hisbollah vollends eskalieren lassen. Manche Beobachter rechnen mit einem offenen Krieg. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
AP/toko
29.07.2024, 00:00
29.07.2024, 08:33
dpa
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Nach dem Raketenangriff aus dem Libanon auf die Golanhöhen steigt die Sorge nach einem offenen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah.
Bei dem Angriff sind israelischen Angaben zufolge zwölf Kinder und Teenager getötet und 20 weitere verletzt worden.
Der tödliche Raketenangriff und die Tatsache, dass junge Menschen getötet wurden, könnte Israel zu einer schärferen Reaktion veranlassen.
Israel hatte die Golanhöhen im Nahost-Krieg 1967 von Syrien erobert und sie 1981 annektiert.
Ein Raketenangriff aus dem Libanon hat Bedenken wegen eines möglichen grösseren Kriegs zwischen Israel und der militant-islamistischen Hisbollah verstärkt. Nach israelischen Behördenangaben hatte am Samstag eine Rakete aus dem Libanon ein Fussballfeld auf den von Israel kontrollierten Golanhöhen getroffen. Dabei seien zwölf Kinder und Teenager getötet worden, 20 weitere verletzt worden, teilte das Militär mit. Es sprach vom tödlichsten Angriff auf Zivilisten seit dem Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas am 7. Oktober auf Israel, der den Gaza-Krieg auslöste. Die Hisbollah bestritt eine Verwicklung.
Israel hatte die Golanhöhen im Nahost-Krieg 1967 von Syrien erobert und sie 1981 annektiert. Ein Grossteil der internationalen Gemeinschaft betrachtet die Gegend als besetztes Gebiet.
Der Raketenangriff erfolgte zu einer heiklen Zeit, da Israel und die Hamas gerade über einen Vorschlag für eine Waffenruhe zur Beendigung des Gaza-Kriegs und eine Freilassung von etwa 110 Geiseln verhandeln.
Was ist passiert?
Kurz vor Sonnenuntergang am Samstag schlug eine Rakete in einem Fussballfeld in der Stadt Madschdal Schams ein, auf dem Dutzende Kinder und Teenager gerade spielten. Die Stadt liegt etwa zwölf Kilometer südlich vom Libanon neben der Grenze zu Syrien.
«Ich spüre innen und aussen Dunkelheit», sagte ein Bewohner von Madschdal Schams, Anan Abu Saleh. «Man kann das nicht erklären. Ich habe Kinder gesehen, ich will nicht sagen, was ich gesehen habe, aber es ist schrecklich, wirklich schrecklich. Wir brauchen mehr Sicherheit.»
Auf dem Fussballfeld waren Blutspuren zu sehen. Rettungskräfte sammelten verbrannte Rucksäcke und Fahrräder ein. In der Nacht zum Sonntag platzierten Einwohner dort Hunderte Stühle, um eine Gedenkveranstaltung abzuhalten. Bewohner berichteten gegenüber israelischen Medien, es gebe keinen anderen Ort in der Stadt, wo die Zehntausenden Menschen Platz hätten, die zum Gedenken erwartet würden.
Am Sonntagmorgen wurden viele der Leichen in ein Gemeindezentrum in der Stadt gebracht. Dort weinten Angehörige an den Särgen. Am Mittag wurden die mit weissen Tüchern versehenen Särge zum Friedhof gebracht. Dort wurden sie für die Bestattung aufgereiht.
Was könnte das für den Libanon bedeuten?
Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs hat es Scharmützel an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon gegeben. Der tödliche Raketenangriff und die Tatsache, dass junge Menschen getötet wurden, könnte Israel zu einer schärferen Reaktion veranlassen.
Die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz fing einen Tag nach dem Terrorangriff der Hamas mit Raketenangriffen auf Israel an. Israel reagierte, indem es nach eigenen Angaben militärische Infrastruktur der Hisbollah aus der Luft angriff. Die meisten Angriffe beschränkten sich auf das Grenzgebiet. Allerdings hat Israel auch tödliche Angriffe auf Hisbollah- und Hamas-Anführer weiter nördlich im Libanon ausgeführt. Zehntausende Menschen auf der israelischen und libanesischen Seite der Grenze haben die Gegend verlassen.
Seit Oktober sind bei israelischen Luftangriffen im Libanon mehr als 500 Menschen getötet worden, die meisten davon Hisbollah-Mitglieder. Unter den Toten sind aber auch etwa 90 Zivilisten. Auf israelischer Seite wurden 22 Soldaten und 24 Zivilisten getötet.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte, die Hisbollah werde «einen hohen Preis für diesen Angriff zahlen, einen, den sie bislang nicht gezahlt hat». Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi traf am Samstagabend Vertreter der Stadt Madschdal Schams. Er teilte mit, dass Israel «die nächste Kampfphase» im Norden vorbereite. «Wir wissen, wie man selbst sehr weit vom Staat Israel entfernt angreift», sagte er.
Wer feuerte die Rakete ab?
Die Hisbollah bestritt eine Verantwortung, etwas, was sie selten tut. Halevi teilte aber mit, die abgegebene Rakete sei eine vom Typ Falak gewesen, mit einem 53 Kilogramm schweren Sprengkopf aus dem Besitz der Hisbollah.
US-Aussenminister Antony Blinken sagte am Sonntag in Tokio, alle Hinweise deuteten darauf hin, dass es sich um eine Hisbollah-Rakete gehandelt habe. Israel habe das Recht, sich zu verteidigen. Die USA wollten aber nicht, dass sich der Konflikt verschärfe.
Die libanesische Regierung rief zu einer «sofortigen Einstellung der Feindseligkeiten an allen Fronten» auf. Dabei erwähnte sie die Stadt Madschdal Schams nicht. Die Regierung verurteilte Angriffe auf Zivilisten.
Von einem breiteren Konflikt wäre womöglich auch der Iran betroffen. Dieser warnte Israel am Sonntag, eine starke Reaktion auf den Raketenangriff würde «beispiellose Konsequenzen» haben. Der Iran hatte im April als Reaktion auf die Tötung eines iranischen Generals 300 Raketen und Drohnen auf Israel abgefeuert. Die meisten davon wurden abgefangen.
Welche Auswirkungen könnte das für den Krieg im Gazastreifen haben?
Aus ägyptischen Regierungskreisen verlautete, der Raketenangriff auf den Golanhöhen könnte den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen Dringlichkeit verleihen. Die Vermittler würden auf eine Waffenruhe dringen, damit ein totaler Krieg in der Region vermieden werde. «Beide Fronten sind miteinander verbunden», sagte eine Gewährsperson. «Eine Waffenruhe im Gazastreifen wird zu einer Waffenruhe mit der Hisbollah führen.»
Vertreter Ägyptens, der USA und Katars sollten sich bei den Bemühungen um ein Waffenruheabkommen am (heutigen) Sonntag mit israelischen Vertretern in Rom treffen.